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64-Jähriger Ex-Straftäter möchte in Insel bleiben / Demnächst sollen zehn Schafe in seinem Garten grasen Sucht das Gespräch: "Jeder kann bei mir klingeln"

25.05.2012, 03:20

Insel l Seine kleine Wohnung in dem großen Haus in Insel ist eingerichtet. Im Garten hat er Blumen und Bäume gepflanzt und erst in dieser Woche ein Tomatenbeet angelegt. Für Günter G. steht fest: "Ich möchte hier bleiben."

Vor zehn Monaten fand er in dem Stendaler Ortsteil ein neues Zuhause - aber keine Ruhe. Seit Mitte August gibt es Proteste gegen ihn und den bisherigen 54-jährigen Hausbewohner. Der hat den Ort am Montag verlassen (Volksstimme berichtete). "Er wollte Arbeit finden", erklärt G., der im nächsten Monat 65 Jahre alt wird. "Das ist kein Teilerfolg der Demonstanten", betont er seine Sicht.

Von einer schweren Krankheit bereits gezeichnet, sucht der 64-Jährige, der 1984 zu einer fünfjährigen Haftstrafe wegen der Vergewaltigung einer jungen Frau verurteilt worden war und anschließend 21 Jahre abgeschottet in Sicherungsverwahrung gelebt hat, aber auch eine Beschäftigung. So wird demnächst Leben in seinem Garten einziehen. Dank der Vermittlung der Kirche sollen zehn Schafe und einige Hühner in seinem Garten eine Bleibe finden können.

Ein Zaun muss noch gezogen werden. An den Stallungen arbeitet er bereits. "Ich werde sie füttern und pflegen", freut sich G. auf seine Aufgabe.

Im Ort gebe es inzwischen eine Reihe von Menschen, die sich mit ihm unterhalten. "Leider geht aber keiner der Demonstranten auf mich zu. Sie sehen weg, wenn sie mir begegnen", bedauert er.

Günter G. möchte mit ihnen reden - über sich und auch über die Fragen, die Menschen zu seiner Vergangenheit haben: "Jeder kann bei mir klingeln." Wer mit ihm rede "bekommt sicher auch einen anderen Eindruck", hofft er.

"Es ist eine schwierige Situa-tion in Insel", sagte Justizministerin Angela Kolb (SPD) am Montag nach einer emotionsgeladenen Diskussionsrunde mit 80 der 400 Einwohner. Sie setzt darauf, dass im Rahmen eines Runden Tisches Vorbehalte und Fronten abgebaut werden.

Auch Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hat sich in dieser Woche nochmals zu Wort gemeldet: "Die Landesregierung hat immer klargemacht, dass die freie Wohnortwahl eines Bürgers der Bundesrepublik Deutschland uneingeschränkt gewährleistet wird."