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Technologie Mit dem Tablet selbstbestimmt im Alter

In dem Stendaler Seniorenzentrum des DRK wird derzeit in einem Projekt erprobt, wie Technik das Leben von älteren Menschen erleichtern kann.

Von Anastasia Hartleib 29.05.2018, 01:01

Stendal l Der Begriff des „Ambient Assisted Living“ klingt im ersten Moment erschreckend futuristisch. Auch die deutsche Übersetzung, „Umgebungsunterstütztes Leben“, macht es nicht besser. Dabei ist die Idee, die dahinter steckt, viel unkomplizierter. Mit technischen Hilfsmitteln soll es für ältere Menschen einfacher werden, länger unabhängig und selbstbestimmt leben zu können.

Was in der Theorie etwas umständlich anmutet, wird in der Praxis bereits einfach in Stendal umgesetzt. Hier hat das Deutsche Rote Kreuz (DRK) in der Residenz am Schwanenteich drei Testwohnungen aufgerüstet, in denen ihre Bewohner den Umgang mit einem sogenannten Assistenzsystem erproben sollen. Die Rosomms sind eines der Testpaare.

Auf den ersten Blick wirkt ihre Wohnung wie jede andere auch. Erst nachdem Günter Rosomm auf die verschiedenen Sensoren aufmerksam macht, die über den Fenstern und an der Decke angebracht sind, nimmt man die kleinen rechteckigen Kästen wahr. Sie sollen dem Ehepaar das Leben etwas erleichtern.

So können sie beispielsweise vor dem Schlafen gehen bequem vom Bett aus kontrollieren, ob alle Fenster geschlossen sind und sie nicht vergessen haben, den Herd auszuschalten. Dafür besitzen Hannelore und Günter Rosomm ein Tablet mit dem sie den Überblick behalten können.

Neben einigen Unterhaltungsmöglichkeiten wie Spielen, Radiosendern und abgespeicherten Zeitungen, die sich die Nutzer vorlesen lassen können, hat das Tablet, das den Namen „Paul“ trägt, eine weitere, wichtige Funktion: Es ist direkt mit dem Hausnotrufsystem des DRK verbunden. Über einen roten Knopf auf dem Tablet können die Rosomms einen schnellen Notruf absetzen, sollte ihnen irgendetwas zustoßen oder sie dringend Hilfe benötigen.

Doch nicht immer ist man in der Lage, selbst um Hilfe zu rufen. Für solche Fälle sind in der gesamten Wohnung intelligente, also lernende, Bewegungsmelder angebracht, die ein Bewegungsprofil der Bewohner der Wohnung erstellen.

Das Profil hält fest, wie oft und lang sich jemand durchschnittlich in den einzelnen Räumen der Wohnung aufhält. Dabei kann es auch zwischen mehreren Bewohnern unterscheiden. Bemerkt das System nun beispielsweise, dass sich einer seiner Bewohner deutlich länger im Bad aufhält als üblich, sendet es einen sogenannten „passiven“ Alarm an das Hausnotrufsystem.

Die Rosomms haben mit dieser Art von Notruf schon Bekanntschaft gemacht, wenn auch eher ungewollt. Eines Nachts sendete das System fälschlicherweise einen Alarm. Als die tief und fest schlafenden Rosomms nicht auf das Klingeln des Telefons reagierten, fuhr die diensthabende Pflegerin los und klopfte an das Schlafzimmerfenster des Ehepaares. Die nahmen die nächtliche Weckaktion mit Humor, stellten aber gleichzeitig fest: Wenn etwas passiert, ist schnelle Hilfe auf jeden Fall gewährleistet.

Das System hat auch an anderen Stellen noch ein paar Probleme, die behoben werden müssen. Doch genau dafür testet das Ehepaar den Assistenten: Damit in Zukunft keine, zumindest aber nur sehr wenige Fehler passieren.

Auch einige Verbesserungsvorschläge gibt es noch: So wünscht sich Ute Friedrichsdorf vom DRK ein Schwarzes Brett auf dem Tablet, damit die Bewohner stets über aktuelle Verantstaltungen im Seniorenzentrum informiert sind. Das findet auch das Ehepaar gut: „Dann könnte man das auch unseren Nachbarn zeigen, die nicht so gut zu Fuß unterwegs sind“, sagt Hannelore Rosomm.

Seit Juni des vergangenen Jahres haben die Rosomms den Paul nun schon. Oder besser gesagt, Günter Rosomm: „Für mich ist das nichts“, sagt Hannelore Rosomm. „Mein Mann macht das alles. Der hat sich gefreut, dass er ein neues Spielzeug gekriegt hat.“

 Der 88-Jährige besaß bereits vor der Testphase ein kleines Tablet. „Daraufhin hat uns eine Mitarbeiterin der Residenz gefragt, ob wir nicht Interesse hätten. Und ich hab gedacht: Naja, machst du halt mal mit“, sagt Günter Rosomm.

Bezahlen mussten die Tester für das System übrigens nichts. Das Projekt wurde durch die Investitionsbank Sachsen-Anhalt gefördert und durch die Bundesinitiative „Land(auf)Schwung“, die die Personalkosten für das Projekt und die Einrichtung einer Musterwohnung übernahmen, die in Stendal besichtigt werden kann. Die restlichen Kosten trug das DRK selbst.