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Geschlechter Transgender: Ein junger Mann in Stendal ist im falschen Körper aufgewachsen

Das Gefühl, nicht im richtigen Körper geboren worden zu sein, kennt Alex Ojda. Er möchte von einer Frau zum Mann werden. Der angehende Tierpfleger sprach mit der Volksstimme im Berufsbildungswerk in Stendal über seinen Weg.

Von Leonie Dreier Aktualisiert: 24.06.2021, 09:41
Alex Ojda ist im dritten Lehrjahr zum Tierpfleger. Die Ausbildung absolviert er im Berufsbildungswerk in Stendal. Ursprünglich kommt der 21-Jährige aus Merseburg.
Alex Ojda ist im dritten Lehrjahr zum Tierpfleger. Die Ausbildung absolviert er im Berufsbildungswerk in Stendal. Ursprünglich kommt der 21-Jährige aus Merseburg. Foto: Leonie Dreier

Stendal - Ruhig und liebevoll streichelt der 21-jährige Alex Ojda eine Ziege im Streichelgehege im Tiergarten in Stendal. Aktuell befindet er sich im dritte Lehrjahr der Ausbildung zum Tierpfleger im Berufsbildungswerk. Äußerlich kommt man nicht auf die Idee, dass der Merseburger kein Mann ist. Erst die feminine Stimme weist daraufhin, dass der Auszubildende biologisch noch eine Frau ist. „Ich würde heute nicht auf Idee kommen, mich weiblich zu sehen“, bekräftigt er im Gespräch.

Während andere Mädchen mit zwölf Jahren anfingen, sich zu schminken oder weiblich zu kleiden, bemerkte Alex Ojda damals, dass das nicht seins war. Ab diesem Zeitpunkt wurde ihm bewusst, dass er im Körper eines Mädchens nicht glücklich ist. Er wäre lieber ein Junge und zeigt das heute durch seine kurzen Haare und sein sportlich-männliches Outfit.

Transgender stößt in der Gesellschaft auf Unverständnis

Das Thema Transgender stößt in der Gesellschaft vielerorts noch auf Unverständnis. „Dabei nahmen in der Vergangenheit bei uns die Fälle zu, dass junge Menschen sich mit ihrem Geschlecht unwohl fühlen “, bestätigt Tobias Krauel, Projektleiter am Berufsbildungswerk. Der 33-Jährige kennt Alex Ojda schon seit mehreren Jahren. Stefanie Kaiser, Sozialpädagogin vor Ort, unterstützt den angehenden Tierpfleger bei seinem Vorhaben.

„Ich war verwirrt, als die anderen Mädchen damals den Fokus auf Make-up und Jungs legten. Ich habe das nicht verstanden“, beschreibt der 21-Jährige seine Gefühle als Teenager. „Ich habe versucht, mitzumachen, aber das war nicht erfolgreich.“ Stattdessen wurde er von seinen Mitschülern gemobbt, sodass weder Mädels noch Jungs mit ihm Zeit verbringen wollten. Der Merseburger bezeichnet sich in der damaligen Situation als Einzelgänger.

Noch heute fühlt er sich im Kreise gleichaltriger Frauen männlicher und bei Männern merkt er einen Unterschied „vor allem bei der Größe“, stellt er mit einem Lächeln fest. Alex Ojda konnte während der Pubertät mit niemandem über seine verwirrenden Gefühle sprechen, die er versuchte zu verdrängen. Das war sehr belastend. „Gerade meiner Mutter wollte ich keine Sorgen bereiten“, sagt der Auszubildende. Sie befand sich damals in einer schwierigen Situation. „Daher hatte ich das Gefühl, ich müsse sie eher beschützen.“

Mit 18 die Haare abgeschnitten

Er informierte sich mit 16 Jahren im Internet über die verschiedenen Geschlechterformen. Zwei Jahre später mit 18 wagte er den Schritt und ließ sich seine bis dahin langen Haare abschneiden.

Trotz der Fortschritte musste er in seiner Jugend häufiger in eine Klinik, weil er unter Essstörungen und Depressionen litt. Zudem verletzte er sich selbst und versuchte, sich umzubringen.

Mit vier Jahren spielte Alex Ojda noch  mit Puppen. Später erkannte er, dass das nicht sein Ding ist.
Mit vier Jahren spielte Alex Ojda noch mit Puppen. Später erkannte er, dass das nicht sein Ding ist.
Foto: Privat

Dann im September 2019 outete sich der angehende Tierpfleger vor seinen Arbeitskollegen im Berufsbildungswerk, weil er die Herrentoilette benutzen wollte. Stefanie Kaiser und pädagogische Mitarbeiter der Einrichtung standen ihm in der Situation zu Seite. Erst vor rund einem Jahr offenbarte er sich seiner Mutter. Sie reagierte nicht positiv auf das Outing. „Wir reden immer mal wieder über das Thema, was dann schief geht und im Streit endet“, sagt er. Er wünscht sich daher mehr Unterstützung von seiner Mutter. Die Mitarbeiter des Berufsbildungswerks und seine Freunde hingegen helfen ihm.

Nach Abschluss seiner Ausbildung sucht der 21-Jährige einen auf das Thema spezialisierten Therapeuten, der ihm die Diagnose „Transsexualität“ bescheinigt. Außerdem kann der Fachmann ihm die Einnahme von Testosteron bewilligen. Ein Hormonspezialist (Endokrinologe) bestimmt dann die Dosis. „Ob ich Testosteron nehmen möchte, weiß ich noch nicht“, erklärt er.

Mehrere Operationen sind künftig geplant

Danach plant Alex Ojda, sich zum Mann umoperieren zu lassen. „Dazu zählen die Anpassung an die männliche Brust, die Entfernung der Gebärmutter und der Eierstöcke“, zählt er auf. Den Penisaufbau möchte er aktuell nicht. „Das Ergebnis der OP, entspricht nicht dem realen Penis“, begründet er.

Die Krankenkasse trägt die Kosten der Operationen nur, wenn er ein halbes Jahr Testosteron genommen hat. Jedoch übernehmen einige Kassen die OPs auch ohne Testosteron-Einnahme. Viele Chirurgen fordern zusätzlich ein Gutachten. „Wenn man alle OPs durchführen lässt, kosten sie rund 55.000 Euro“, weiß der Lehrling. Neben den OPs, die ihn immer mehr zum Mann werden lassen, soll die Eigenschaft weiblich aus seinem Personalausweis in männlich geändert werden. Auch sein Name „Alex“ soll offiziell eingetragen werden. Dafür kann eine Prozesskostenhilfe beantragt werden.

Trotz des langen Wegs, der noch vor ihm liegt, ist er erleichtert, dass er die ersten Schritte gegangen ist. Anderen Mitmenschen, die sich in ihrem Geschlecht unwohl fühlen, rät er, sich zu informieren und mit anderen offen über die Gefühle zu sprechen.

In zehn Jahren wünscht er sich, dass er die Anpassung erfolgreich hinter sich hat, einen eigenen Gnadenhof führt, wo Tiere ihren Lebensabend verbringen und er glücklich wird.