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Volkshochschule Französin begeistert mit Gratis-Kurs

Die Volkshochschule Stendal ist eine Erfolgsgeschichte, die vor 100 Jahren begann. Für die Zukunft ist sie gut aufgestellt.

Von Regina Urbat 28.10.2019, 00:01

Stendal l Vor diesem 100. Geburtstag hatte er „kein Gefühl der Ungewissheit“, was ihn erwarte. „Ich wusste, mich erwartet eine agile, vor Kraft strotzende Einrichtung“, sagt Axel Kleefeldt. Der stellvertretende Oberbürgermeister eröffnete den Festakt im Musikforum der Katharinenkirche zum Jubiläum „100 Jahre Volkshochschule Stendal“.

Es war ein würdiger Rahmen für die Erfolgsgeschichte der VHS, die am 13. Oktober 1919 in der Hansestadt gegründet wurde und heute weit mehr als Angebote für eine kreative Freizeit und interessante Reiseberichte bietet, betont Kleefeldt. Sie gehöre zu den kommunalen Einrichtungen, die die Stadt mit einem hohen finanziellen Aufwand betreiben. Die VHS sei „ein Schatz“ für die Bevölkerung zur Aus- und Weiterbildung und deshalb sei es wichtig, sie zu erhalten, so Kleefeldt weiter. Dass er sich in der Feierstunde weiterbilden würde, hätte er jedoch genauso wenig erwartet wie die mehr als 100 geladenen Gäste.

Getreu dem Motto des bundesweiten Volkshochschul-Jubiläums - „Wissen teilen“ - teilte die Festrednerin Anne Lequy ihr Wissen. Die Rektorin der Hochschule Magdeburg-Stendal, die von 1994 bis 2000 selbst als Dozentin an der VHS in der Landeshauptstadt tätig war, erteilte nämlich einen Kurs, gratis. Sie verriet Geheimnisse und gab Tipps, um in ihrem Heimatland Frankreich nicht in Fettnäpfchen zu treten und ihre Landleute besser zu verstehen.

So würden die angedeuteten Wangenküsschen rechts und links ein Muss sein. Im Süden des Landes seien es zwei, nördlicher werden es mehr. „In Paris wird immer viermal geküsst“, so die Hochschul-Professorin. Dass dies auch Männer bei der Begrüßung tun, erklärte sie mit dem Einfluss eventuell aus der arabischen Welt. Nach der Küsschen-Analyse, die übrigens so gut ankam, dass sie bei der anschließenden Ehrung sehr zur Freude aller Geehrten angewandt wurde, folgten einige Vergleiche.

Während die Franzosen den ganzen Tag über ihre Höflichkeit mit „bonjour ...“ und „merci“ ausdrücken, empfinden ihre Landsleute die Deutschen eher als wortkarg und spröde. „Das ist nicht schlimm, nur einfach anders“, sagt Anne Lequy und empfahl, als Tourist in Frankreich einfach eine Spur höflicher zu sein. Bei Gastgeschenken bieten sich Blumen und Wein an. Blumen seien in Frankreich teuer und deshalb Luxus. Und weil Geschenke sofort geöffnet werden, „schenken Sie sich einfach eine gute Flasche Wein“, witzelt die Festrednerin.

Die nächste Lektion widmete sie dem „Nationalsport der Franzosen“. Dabei handele es sich um das Unterbrechen bei der Konversation. Das typisch Deutsche - jemanden ausreden zu lassen, „wird man in Frankreich nicht erleben“. Mit der Unterbrechung werde Aufmerksamkeit signalisiert, Interesse gezeigt und das Vergnügen an dieser Konversation ausgedrückt. „Ihr Gegenüber möchte selbst den Satz beenden oder ihn ergänzen“, erklärt die Französin und warnt vor Monologen. Diese mögen Franzosen nicht, ebenso wenig wie Stille. Sie würden sich lieber die Bälle zuspielen, betrachten Streit als Austausch, mögen Disput und Rededuelle, während die Deutschen auf die Franzosen als sehr harmoniesüchtig wirken.

Zuletzt gab Anne Lequy noch Faustregeln für Wein und Käse preis. Man sollte stets den Wein aus der Region auswählen, die man besucht. Er würde geschmacklich mit dem Essen harmonieren. Bei Käse sei es schwieriger, denn es gebe mehr Sorten als Tage im Jahr. Der bekannteste und am meisten verkaufte sei der „La vache qui rit“, was soviel heißt wie „Die Kuh, die lacht“. Dieser französische Schmelzkäse sei fast so alt wie die Volkshochschule Stendal, schloss die Festrednerin den Kreis und verriet abschließend, dass sie gern in Ostdeutschland lebe. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hier sei ihr ein vertrautes System.

Die Lust auf Frankreich war geweckt, wie VHS-Leiterin Joanna Sannemann den anhaltenden Beifall interpretierte. Sie selbst könnte sich zur Vorbereitung für einen Besuch einen Sprachkurs vorstellen.  Sie machte bei ihrem geschichtlichen Abriss darauf aufmerksam, dass die VHS eine zeitlose Institution sei. Die Programme hätten sich über die Jahrzehnte an die Bedürfnisse der Bevölkerung ausgerichtet. Generationen hätten die VHS genutzt, um zu lernen, Freundschaften zu schließen und eine Basis für ihre berufliche Karriere zu schaffen.

Die VHS sei ein Ort der Weiterbildung und der Begegnung, sie habe bei der Flüchtlingsbewältigung und der Integration von ausländischen Mitmenschen geholfen. Sie sei offen für alles und leiste einen Beitrag zur Chancengleichheit. Für die Zukunft versicherte Joanna Sannemann, „dass der Anteil der digitalen Welt mehr eine wichtige Rollen spielen“ werde. „Die Flexibilität der Volkshochschule Stendal sollte man nicht unterschätzen.“