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Waffenhandel Warum Stendals Justiz so lange braucht

Ein mutmaßlicher Waffenhändler steht erst fünf Jahre nach den Razzien vor dem Landgericht Stendal. Die Volksstimme hat nachgehakt.

Von Wolfgang Biermann 17.07.2020, 05:00

Stendal/Osterburg l Der am Dienstag vor dem Landgericht Stendal eröffnete Strafprozess gegen zwei mutmaßliche Waffenhändler belegt: Die Mühlen der Justiz mahlen manchmal sehr langsam. So liegen die angeklagten Taten fünf bis sechs Jahre zurück. Zudem schmorte die Anklage der Staatsanwaltschaft Stendal gegen einen 48-jährigen gebürtigen Osterburger und einen 51-Jährigen aus der Nähe von Uelzen mehr als zwei Jahre bei Gericht.

Gerichtssprecher Michael Steenbuck erklärt die lange Zeitspanne bis zur Eröffnung des Verfahrens vor allem mit der Überlastung der zuständigen 1. Großen Strafkammer: Bis zum 30. April sei die Kammer von dem Mammutverfahren um die illegale Entsorgung von rund 170 000 Tonnen Müll in der Tongrube Möckern in Anspruch genommen gewesen – seit Juni 2015 lief der Prozess, der erst nach 136 Verhandlungstagen mit der Verurteilung der sechs Angeklagten zu Haftstrafen zwischen drei Jahren ohne Bewährung und elf Monaten mit Bewährung zu Ende ging (wir berichteten).

Die lange Dauer sei mit einem hochkomplexen Prozessstoff zu erklären, begründete der Sprecher. Das Verfahren sei gekennzeichnet gewesen von der Vielzahl der Angeklagten, einer erweiterten Richterbank und wiederholten krankheitsbedingten Ausfällen bei mehreren Beteiligten.

Dazu habe die Kammer parallel andere Strafverfahren von hoher Dringlichkeit verhandelt, bei denen es sich vorwiegend um Haftsachen handelte, die nach Steenbucks Worten stets Priorität genießen.

Die nun wegen des mutmaßlichen Waffenhandels vor Gericht stehenden Angeklagten werden im Falle eines Schuldspruchs von der langen Zeitspanne zwischen den im Juli 2015 von der Polizei vorgenommenen Razzien bei den beiden und der Prozess-Eröffnung fünf Jahre später kaum profitieren.

Zwar sei zu berücksichtigen, dass das nicht eröffnete Verfahren wie ein Damoklesschwert über ihnen schwebte. Doch diese lange Ungewissheit hat laut Gerichtssprecher bei einer möglichen Verurteilung keine automatische Strafminderung zur Folge.

Allerdings könnte die sogenannte Vollstreckungsregelung zur Anwendung kommen. Soll heißen: Wenn die Justiz eine erhebliche Verfahrensverzögerung zu verantworten hat, könnte bei einem Schuldspruch zwar eine „normale“ Strafe ausgesprochen werden, von der aber ein Teil infolge der langen Verfahrensdauer schon als verbüßt gilt.

Doch nicht nur das Gericht hat lange gebraucht – schon die Ermittlungen waren aufwendig. Thomas Kramer, Sprecher der Staatsanwaltschaft Stendal, führt dazu ins Feld, dass in diesem Fall infolge des komplizierten Waffenrechts das Bundeskriminalamt wichtige Zuarbeit habe leisten müssen. Außerdem mussten Behörden in Tschechien beziehungsweise der Slowakei kontaktiert und in die Ermittlungen eingebunden werden. Das sei langwierig.

Dafür soll es nun aber relativ zügig gehen: Das Landgericht hat insgesamt sechs Verhandlungstage angesetzt, bevor es am 12. August sein Urteil sprechen will.