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Wahlfälschung Die zwei Gesichter der Antje M.

Welche Rolle spielte Antje M. bei der Briefwahlfälschung im Mai 2014 in Stendal? Gibt es am Mittwoch im Landgericht eine Antwort?

21.02.2017, 23:01

Stendal l Das wird am Mittwoch ein heikler Auftritt im Stendaler Landgericht für Antje M. Normalerweise sorgt die Geschäftsfrau aus dem westlichen Teil des Landkreises für positive Schlagzeilen in eigener Sache. Bei der Briefwahlfälschung für die Kommunalwahl im Mai 2014 hatte sie indes eine äußerst fragwürdige Rolle.

Auf Antje M., ihren mittlerweile von ihr getrennt lebenden Ehemann Wolfgang, eine Tochter und eine Angestellte waren damals fast 70 Vollmachten ausgestellt worden. So viel ist klar: Antje M. hatte sich hier von Holger Gebhardt einspannen lassen und andere gleich mit eingespannt.

Doch dieser Fall hat weitere Schattenseiten. Mehreren Zeugen zufolge hat die Geschäftsführerin in ihrem Betrieb ausschließlich bei in Stendal Wahlberechtigten Wahlbenachrichtigungskarten sammeln lassen. Die Stimmzettel erhielten die Mitarbeiter danach allerdings nicht. Dies gaben mehrere von ihnen den Ermittlern zu Protokoll.

Mindestens im Fall eines Gehörlosen war davon auch einer der damals zehn Beschäftigten mit Handicap betroffen. Der Anteil dieser Menschen unter der Belegschaft ist hoch. Antje M. ist hierfür mehrfach als vorbildliche Unternehmerin ausgezeichnet worden.

Mit diesen „Botendiensten“ endete jedoch das zweifelhafte Zusammenwirken von Antje M. mit Gebhardt im Sommer 2014 nicht. Vielmehr ermittelte die Staatsanwaltschaft auch wegen des Versuchs zur Vertuschung einer Straftat gegen sie.

Es ging um eine auf ihren Mann Wolfgang M. ausgestellte Vollmacht, die Stadtwahlleiter Axel Kleefeldt (CDU) bewog, Strafanzeige wegen Wahl- und Urkundenfälschung zu stellen.

Der heute 28 Jahre alte Florian M. hatte am 3. Juli 2014 im Stendaler Rathaus in einer Eidesstattlichen Versicherung Wolfgang M.‘s Vollmacht als Fälschung bezeichnet. Wie die Ermittlungen ergaben, wusste Wolfgang M. gar nicht, dass mit seinem Namen als Bevollmächtigten Wahlunterlagen abgeholt wurden.

Antje M. hingegen setzte in den Tagen nach dem 3. Juli im Zusammenspiel mit Holger Gebhardt einiges in Bewegung, um eine Strafanzeige zu vermeiden. Hausbesuche bei Florian M., falsche Legenden gegenüber dem Stadtwahlleiter und 100 Euro von Gebhardt für die Falschaussage einer Mitarbeiterin - der Aufwand und das Risiko waren hoch.

Gegen eine Zahlung von 1000 Euro an den Kinderschutzbund hat die Staatsanwaltschaft diesen Teil des Verfahrens gegen Antje M. eingestellt.

Besonders pikant: Nach Florian M.‘s Aussage im Rathaus schickte laut Aktenlage Antje M. noch am gleichen Abend zwei junge Frauen zu ihm, die ihn zur Rücknahme seiner Erklärung bewegen sollten. Neben der Anstiftung zur Falschaussage gibt es hier noch einen weiteren heiklen Punkt: Woher wusste Antje M. überhaupt so schnell von Florian M.‘s Erklärung? Die kannten zu diesem Zeitpunkt eigentlich nur Florian M.‘s Gesprächspartner, Rechtsamtsleiter Rüdiger Hell (SPD) und Rathaussprecher Klaus Ortmann, sowie der zum damaligen Zeitpunkt im Kreistag sitzende Oberbürgermeister Klaus Schmotz (CDU), den Ortmann über die Eidesstattliche Versicherung per Mail kurz informiert hatte.

Das Thema Falschaussage und Antje M. beschäftigte das Gericht bereits bei der Aussage ihrer Mitarbeiterin. Diese gestand unter Tränen, dass ihre Chefin sie mehrfach und zuletzt am Tag vor ihrem Zeugentermin dazu bewegen wollte, wahrheitswidrig auszusagen, den Karton mit dem Wahlunterlagen zunächst in der Raucherecke des Betriebes gestellt zu haben, damit sich Mitarbeiter ihre Unterlagen nehmen könnten.

Tatsächlich aber hatte das Duo die Kiste jedoch unmittelbar an Holger Gebhardt auf dem Parkplatz des Stendaler Jobcenters übergeben.

Antje M. habe damals Angst vor Holger Gebhardt gehabt, erklärte ihre engste Mitarbeiterin vor Gericht. Dieser habe ihr gedroht. Womit, konnte sie nicht konkret sagen.

Welches Gesicht zeigt Antje M. am Mittwoch? Die Unternehmerin hat beantragt, mit rechtlichem Beistand die Zeugenvernehmung bestreiten zu können. Wenn sie reinen Tisch macht, dürften sich einige Fragenzeichen hinter den ganzen Umständen auflösen.