Inflation und Währungsreform Warum ein 100 Jahre alter Brief aus Stendal eine echte Rarität ist
Der Philatelist Helge Schinkel hat eine wahre Seltenheit aus seiner persönlichen Sammlung herausgesucht. Einen 100 Jahre alten Brief eines Stendaler, der am 1. Dezmeber 1923 besonders schnell gehandelt hat.

Stendal - Wenn es um Briefe und Postkarten geht, ist Helge Schinkel der „Oberpapagei“, wie er selbst über sich sagt. „Ich kann viel darüber erzählen.“ Der Stendaler ist Vorsitzender des Philatelistenverbandes Nordost und seit 1998, als die Philatelisten in Stendal dem 50. Jahrestag der Währungsreform eine Veranstaltung widmeten, forscht Helge Schinkel zum Thema. Nun hat er ein „echtes Sahnestück“ aus seiner persönlichen Sammlung herausgesucht.
Einen alten Brief, der vor 100 Jahren am Ende der Hochinflation verschickt wurde. Der Brief wurde am 1. Dezember 1923 vom Stendaler Oswald Krehan verschickt. Er führte in der Hansestadt im Südwall ein Waren- und Agenturgeschäft und schickte den Brief an die Rohstoffabteilung der Deutschen Bank in Berlin.
Einen Tag später, am 2. Dezember, ging der Brief dort ein. Die Informationen konnte Helge Schinkel allein dem Briefumschlag entnehmen. „Briefmarken flüstern, Briefe erzählen“, sagt der Philatelist. Selbst die Uhrzeit, wann der Brief im Hauptpostamt in Stendal eingegangen ist, kann er ablesen. So ist, wenn man genau hinschaut, auf den Stempeln die Bezeichnung „4-5N“ zu erkennen. „Der Brief wurde demnach zwischen 16 und 17 Uhr im Hauptpostamt in Stendal abgegeben.“
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Gleich mehrere Aspekte machen den Brief für den 64-Jährigen zu etwas ganz Besonderem in seiner Sammlung. Zum einen ist es die Frankierung. Die Umstellung von der Mark auf die Rentenmark im November 1923 beendete die Deutsche Inflation 1914 bis 1923. Nach der Währungsreform entsprachen 10 Milliarden Mark einem Rentenpfennings. Am 15. November wurde die Rentenmark eingeführt. Am 1. Dezember 1923 war die neue Währung als Geld und als Briefmarken vorhanden. Um den Bürgern die Möglichkeit zu geben, ihre alten Briefmarken-Bestände loszuwerden, erlaubte man im Dezember 1923 eine Alternativ-Frankierung mit den Briefmarken mit dem alten Wert. Solche Briefe wurden Dezemberbriefe genannt.
Bei dem Brief von Helge Schinkel handelt es sich um einen Eilbotenbrief, erkennbar an der roten Markierung am oberen Rand des Briefumschlages. Dessen Versand damals 30 Rentenpfennig gekostet hat. Anstatt 30 Briefmarken in diesem Wert auf den Briefumschlag zu kleben, verwendete Oswald Krehahn dementsprechend 15 Briefmarken im Wert von je 20 Milliarden Mark.
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Die zweite Besonderheit, die den Brief so selten macht, ist die Tatsache, dass er am 1. Dezember verschickt wurde. „Man muss sich vorstellen, die Leute mussten erst mal davon Wind bekommen, dass sie diese Alternativ-Frankierung nutzen können. Herr Krehan war clever und hat es sofort verstanden und seine Chance genutzt. Daher ist ein Dezemberbrief vom 1. Dezember aus Stendal so selten“, erklärt Helge Schinkel. Der Brief war nicht immer in seinem Besitz. Vor einigen Jahren habe er ihn bei einer Aktion ersteigert.