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Weihnachtsoratorium Klänge mit Tiefgang voller Hoffnung

Auch noch fast 300 Jahre nach seiner Komposition vermag Bachs Weihnachtsoratorium zu Tränen zu rühren.

Von Claudia Klupsch 06.12.2016, 23:01

Stendal l Bachs „Weihnachtsoratorium“ öffnet die Herzen für das schönste aller Feste. Entstanden 1734, ist es des Komponisten beliebtestes und meist gespieltes Werk. So ist es keine Überraschung, dass bei der Aufführung am 2. Advent im Festsaal des „Schwarzen Adlers“ jeder Platz besetzt war. Dicht gedrängt erlebten die Zuhörer musikalischen Hochgenuss.

Unter der Leitung von Domkantor Johannes Schymalla ließen das Mitteldeutsche Kammerorchester Weimar, der Stendaler Domchor und die hervorragenden Solisten die Kantaten I, IV und VI erklingen. Das Werk von der ersten bis zur letzten Note zu spielen, würde drei Stunden beanspruchen. Das Weihnachtsoratorium erzählt die Geschichte rund um die Geburt Jesu, die die ausgewählten Kantaten in etwas mehr als einer Stunde gut abbilden können.

„Jauchzet, frohlocket!“ lässt der rund 60-köpfige Chor kraftvoll-jubilierend das mächtige Fanal des Oratoriums ertönen. Welch ein sattes Klanggewebe bilden die vielen Stimmen mit ihrer Präsenz und Spannkraft! Der Chor versprüht von der ersten Sekunde an die große Freude an der Musik, an Bachs Meisterwerk, die Freude, Teil dieses Musikereignisses zu sein und den Menschen im Parkett und auf der Empore Genuss zu bereiten.

Zu welcher Präzision ein Laienchor fähig ist, beweist Schymalla mit seinem Domchor immer wieder aufs Neue, so auch jetzt, mitreißend anfangs, ergreifend bei „Wie soll ich dich empfangen“, berührend bei „Ich steh an deiner Krippen hier“. Spätestens bei Letzterem ist es um viele Zuhörer geschehen und Tränen der Rührung fließen. Musik, die mitten ins Herz trifft, komponiert vor fast 300 Jahren.

Präzise funktioniert das Zusammenspiel mit dem Orchester, das die barocke Klangpracht Bachs meisterlich artikuliert. Es beherrscht sowohl innige als auch zupackende Passagen, ist dem Chor und den Solisten wohlklingender Begleiter und trumpft mit Instrumentalsoli auf.

Die Gesangssolisten liefern großartige Beiträge zum Gesamtkunstwerk. Sie schaffen es, die doch schwierigen Partien scheinbar leicht zu singen. Tenor Martin Petzold erzählt mit seinen Rezitativen von den Begebenheiten („Es begab sich aber zu der Zeit“) und überzeugt mit seinen Arien, die ihm einige Höhen abverlangen.

Die Sopranstimme von Christina Roterberg klingt schön und klar. Sie kommt besonders im Duett mit Bass Clemens Heidrich zur Geltung, der wiederum mit seiner Stimme ein höchst kraftvolles Fundament liefert („Jesu, meine Freud und Wonne, meine Hoffnung…“). Auch Isabell Rejall, die Altistin im Bunde, erfreut mit warmer Stimmpräsenz sowohl im Rezitativ als auch in lieblicher Arie („Den Schönsten, den Liebsten bald bei dir zu sehn!“).

Das erhabene Werk wirkt im Saale. Kaum dass sich jemand auch nur ein kleines Hüsteln herauswagt, die Musik zu stören. Nach Ende löst sich Ergriffenheit in äußerlich gern artikuliertem Begeisterungsapplaus. Das Publikum dankt für Klänge mit Tiefgang und voller Hoffnung.