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Kinderheim-Leiterin Birgit Jaenecke bereitet Fest zum 35-jährigen Bestehen der Einrichtung vor "Wir können die Familie nicht ersetzen"

Von Bernd-Volker Brahms 07.08.2013, 03:11

Zahlreiche ehemalige betreute Kinder werden am 27. August zu einem Hoffest des Stendaler Kinderheims "Horizont" erwartet. In 35 Jahren weilten rund 1800 Kinder und Jugendliche in der Einrichtung.

Stendal l Eine Familie kann das Kinderheim nicht ersetzen, dessen ist sich Birgit Jaenecke sicher. "Aber es gibt eben Situationen, in denen es besser für die Kinder ist, zeitweise aus den Familien rausgenommen zu werden", sagt die Leiterin des Stendaler Kinderheims.

Anders als zu DDR-Zeiten bestehe heute das Bemühen, die Kinder in die Familien zurückzugeben. "Es wächst niemand mehr im Kinderheim auf", sagt die 54-Jährige. Seit 1996 leitet die Erzieherin die Einrichtung in der Arnimer Straße, wo diese in einem ehemaligen Gebäude der Frauenklinik untergebracht ist.

1978 wurde in Stadtsee mit 50 Kindern gestartet

Jaenecke gehört, wie einige andere im 30-köpfigen Mitarbeiterteam auch, zu den Akteuren der ersten Stunde. Als das Kinderheim 1978 im Gebäude des heutigen Berufsbildungswerkes in Stadtsee am Werner-Seelenbinder-Ring eröffnet wurde, da war sie als 19-Jährige gerade als Erzieherin fertiggeworden und trat ihre erste Arbeitsstelle an. "Ich war kaum älter, als einige Kinder und Jugendliche, die wir dort betreuten", sagt sie. Auf einem Bild, dass sie mit den ersten Kindern der Einrichtung zeigt, sei sie kaum zu erkennen, erzählt sie mit einem Schmunzeln.

In den vergangenen 35 Jahren wurden im Stendaler Kinderheim rund 1800 Kinder und Jugendliche betreut. 1978 wurde mit 50 Vorschulkindern und Schülern aus dem ganzen Bezirk Magdeburg begonnen. Bereits 1981 erweiterte das Heim mit der Aufnahme von Berufshilfsschülern seine Kapazität auf 102 Plätze. Schon zu dieser Zeit habe der damalige Heimleiter Wolfgang Kurts die Vision von kleinen, familienähnlichen Wohngruppen gehabt, heißt es von Seiten des des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, der ab 1992 die Trägerschaft übernommen hatte. Nach der Wende wurde das Konzept Schritt für Schritt umgesetzt, einzelne Wohngruppen zogen in kleinere Häuser um.

Heute leben im Haus an der Arnimer Straße in zwei Wohngruppen Kinder und Jugendliche im Alter von 0 bis 16 Jahren. Im Dachgeschoss sind seit Mai dieses Jahres junge Mütter mit ihren Kindern untergebracht. Im Stadtseegebiet leben Jugendliche und junge Erwachsene im Betreuten Wohnen. Eine weitere Wohngruppe in Osterburg und die Erziehungsfachstelle Schwarzholz vervollständigen das stationäre Angebot.

Große Unterschiede zu den DDR-Zeiten

Allerdings musste Anfang des Jahres ein Haus im Haferbreiter Weg aufgegeben werden, da eine zusätzliche Feuertreppe notwendig, aber zu teuer geworden wäre. In der ambulanten Familienhilfe begleiten drei Mitarbeiterinnen Familien in Krisen und schwierigen Familiensituationen.

"Die Elternarbeit nimmt einen großen Raum ein", sagt Birgit Jaenecke mit Hinblick auf die DDR-Zeiten, wo "die Familie überhaupt keine Rolle spielte". Disziplin und Ordnung habe einen größeren Anteil eingenommen, sagt die Heimleiterin. Übergriffe, die in den vergangenen Jahren für einige DDR-Einrichtungen - insbesondere die Jugendwerkhöfe - aufgedeckt wurden, habe sie nie erlebt, sagt Jaenecke. Ihr Bestreben sei es immer gewesen, liebevoll mit den Kindern und Jugendlichen umzugehen. "Die Arbeit macht mir Spaß."

Die Kinder, die in die Einrichtung kommen, werden zunehmend jünger, sagt Jaenecke. Das Personal habe jüngst entsprechend aufgestockt werden müssen. Es sei ein neuer Pflegesatz vom Landkreis genehmigt worden. Die Leiterin lobt ohnehin die gute Zusammenarbeit mit dem Jugendamt, obgleich dieses sehr beansprucht sei.