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Beim Hochwasser mussten Pflegebedürftige teilweise nachts abtransportiert werden Zögerliches Verhalten bei Evakuierung

Von Bernd-Volker Brahms 12.07.2013, 03:17

Die Evakuierungsbeauftragte des Landkreises Stendal und das Rote Kreuz sehen Verbesserungsbedarf bei künftigen Notfällen. Unter anderem fehle eine Datei über hilfsbedürftige Menschen.

Stendal l War es die altmärkische Sturheit, Unwissenheit oder eine Portion Unvernunft? Als es während des Elbehochwassers zu Evakuierungen kam, haben sehr viele betroffene Einwohner nur sehr zögernd auf die Aufforderungen vom Katastrophenstab des Landkreises reagiert. Dies berichteten Ulrike Bergmann und Friedhelm Cario am Mittwochabend im Sozialausschuss des Landkreises. Bergmann, die normalerweise das Schulamt beim Landkreis Stendal leitet, war im Krisenstab für die Evakuierungen zuständig, Cario ist Leiter des Zentralen Einsatzdienstes beim Deutschen Roten Kreuz. Als ein Beispiel für gescheiterte Evakuierungen nannten sie die zahlreichen Bewohner in Werder. "Wir haben intensiv mit den Leuten gesprochen, viele waren zu einem Gehen aber nicht zu bewegen", sagte Bergmann. Auf eine Zwangsevakuierung wurde während der gesamten Katastrophenphase aber verzichtet, sagte sie.

Busse des Landkreises wurden nur wenig genutzt

Im südlichen Elb-Havel-Winkel wurden die Menschen am Tag des Deichbruchs bei Fischbeck per Megaphon zum Verlassen ihrer Häuser und Wohnungen aufgefordert worden. In Fischbeck, Schönhausen, Klietz und Hohengöhren wurden Busse vom Landkreis eingesetzt. "Die Busse wurden aber nur sehr wenig angenommen", sagte Bergmann. Problematisch sei es dann geworden, als kurzfristig pflegebedürftige Menschen noch aus den Wohnungen herausgeholt werden mussten, sagte Cario. In einer Nacht mussten in Schönhausen mehrere Menschen in Sicherheit gebracht werden. "Zunächst konnten wir noch über Tangermünde fahren, fünf Transporte mussten aber über Perleberg gehen, da die Straßen Richtung Süden nicht mehr passierbar waren", sagte Cario. Als Manko habe es sich herausgestellt, dass es keine Liste gegeben habe, auf der die hilfsbedürftigen Menschen verzeichnet sind", sagte Bergmann. Problematisch waren in dem Zusammenhang die Menschen, die privat gepflegt werden. Menchen in Pflegeheimen im Elb-Havel-Winkel wurden dagegen frühzeitig noch vor dem Fischbecker Deichbruch weggebracht. "Wir haben uns zunächst darauf konzentriert, hilfsbedürftige Personen mit Pflegestufe aus den gefährdeten Gebieten herauszuholen", sagte Friedhelm Cario. Das Rote Kreuz und die Johanniter waren dafür zuständig.

Insgesamt wurden in Schollene, Sandau und Wulkau drei Pflegeeinrichtungen evakuiert. "80 Pflegeplätze mussten organisiert werden", sagte Cario. Die Menschen wurden auf 27 Einrichtungen verteilt, viele kamen ins Stendaler Krankenhaus, wo kurzfristig eine Pflegestation eingerichtet wurde.

Zahlreiche Menschen im Flutgebiet hätten die Dauer der Evakuierung unterschätzt", sagte Ulrike Bergmann. Menschen, die in ihren Häusern geblieben waren, seien irgendwann die Lebensmittelvorräte ausgegangen. "Erst mussten wir Diesel und Benzin heranschaffen, später zunehmend auch Artikel des täglichen Bedarfs", sagte die Evakuierungsbeauftragte.

1600 Plätze waren in den Notunterkünften vorhanden

Es seien rechtzeitig zwei Notunterkünfte in Schulen in Stendal sowie in Havelberg mit zusammen rund 1600 Plätzen eingerichtet worden. In der Spitze waren in Stendal 354 Menschen und in Havelberg 250 Menschen untergebracht.

Etwas unkoordiniert seien die Evakuierungen abgelaufen, nachdem das Innenministerium zuständig war und dies mit Hubschraubern erfolgte. "Wir haben von Evakuierungen erst erfahren, als sie schon liefen", sagte Bergmann.