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Zukunft Altmark Zwischen Kunst und Kommerz

Kreativ sein, frei sein und trotzdem eine Familie versorgen - geht das? Sven Strauß aus Jeetze bei Kalbe hat seine Kunst zum Beruf gemacht.

Von Tim Kühne 03.08.2017, 17:58

Jeetze l „Kann man davon leben?“ Wer sich als Künstler selbstständig machen will, sollte darauf gefasst sein, diese Frage immer und immer wieder gestellt zu bekommen. Auch Sven Strauß hat sie schon Hunderte Male gehört. 2005 ließ sich der heute 38-Jährige aus Jeetze im Landkreis Salzwedel als freischaffender Künstler nieder und widmete sich fortan hauptberuflich seinen aufwändigen Mosaikbildern aus kleinen Fliesen und Edelsteinen.

Heute hat er ein gutes Auskommen, doch aus der eigenen Kunst ein Geschäft zu machen, ist ein langer und steiniger Weg. Der Wunsch, sich frei und ausgiebig dem kreativen Schaffen zu widmen, trifft plötzlich auf die knallharte Notwendigkeit, genügend Geld für das tägliche Leben zu verdienen. „Es gab schon auch harte Zeiten“, erinnert sich der Mosaikkünstler, „aber ich bin froh, dass ich drangeblieben bin und weiter darauf vertraut habe, dass es klappen wird.“

Die größte Herausforderung war es, gerade in der Anfangszeit, die fertigen Mosaike gewinnbringend zu verkaufen. Denn Kunstwerke verkaufen sich vor allem über Ausstellungen. Doch ohne Namen, Referenzen und Kontakte ist es schwierig, die begehrten Plätze in Galerien oder auf Festivals zu ergattern. Dazu kam im Fall von Sven Strauß noch ein weiteres Problem: Viele Veranstalter stellen nur studierte Künstler aus – keine Chance für den gelernten Fliesenleger, der sich das Mosaiklegen selbst beigebracht hat. Jungen Künstlern, die vor demselben Problem stehen, rät er, trotzdem nicht locker zu lassen. Und offen für jede Gelegenheit zu bleiben. So war es nach unzähligen angefragten Galeristen schließlich eine Magdeburger Ärztin, in deren Praxisräumen Sven Strauß seine Mosaike zum ersten Mal einer kleinen Öffentlichkeit zugänglich machen konnte. Und prompt ergaben sich die ersten Kontakte zu Kaufinteressenten. Von diesem Erfolg beflügelt, rührte der damals 26-Jährige die Werbetrommel auf Kunstmessen und Märkten. Nach und nach sammelte er so Kontakte, dank derer er häufiger eingeladen wurde, seine Werke auszustellen – erst im Saarland und in Süddeutschland, dann in Frankfurt, Berlin und Luxemburg.

„Kontakte sind das A und O in diesem Geschäft und Mundpropaganda die wichtigste Werbung. Darum muss man jede Gelegenheit nutzen, den richtigen Menschen seine Werke zu zeigen“, erklärt der Mosaikleger. Und das ist harte Arbeit. Mit der romantischen Vorstellung, ein paar Stunden täglich im Atelier zu sitzen und kreativ zu sein, um ansonsten das Leben zu genießen, hatte der Alltag als freischaffender Künstler von Anfang an nichts zu tun.

Als Gründer in der Kunst musste er sich von Anfang an den Gesetzen der Marktwirtschaft unterlegen. „Zu den schwierigsten Aufgaben gehört es sicher, einen angemessenen Preis für seine Arbeiten festzulegen und den eigenen Wert zu kennen“, weiß Strauß aus Erfahrung, „an einer vernünftigen Kalkulation kommt man aber auch als Künstler nicht vorbei.“

Dabei gibt es allerhand zu bedenken: Wie viele Werke kann ich realistisch im Monat oder im Jahr anfertigen? Welche Zeit muss ich für die Recherche und Akquise von Ausstellungsflächen sowie für Buchhaltung und andere unternehmerische Pflichten aufwenden? Und was kostet mich die Teilnahme an Ausstellungen? Für Sven Strauß kam der wirtschaftliche Durchbruch nach etwa zwei Jahren – und wieder waren es die mühsam aufgebauten Kontakte, die ihm dazu verhalfen.

Nachdem er zuletzt auch in der Altmark häufiger ausgestellt hatte, wurde er von einem privaten Auftraggeber gebeten, einen ganzen Raum zu gestalten. Der Kunde war von dem Ergebnis begeistert und schon bald landeten weitere Anfragen bei ihm. Mittlerweile sind Auftragsarbeiten wie die Raumgestaltung oder individuelle Mosaike für Firmen und Privatleute ein großer Bestandteil seiner Arbeit. Strauß hat sich weiter professionalisiert und verkauft seine Leistungen heute unter der Marke „musaicum“. Aus dem freischaffenden Künstler wurde ein Kunsthandwerks-Unternehmen. Und selbst Mosaikkurse für Erwachsene und Kinder bietet er mittlerweile an.

Auch wenn ihm damit weniger Zeit für die freie Kunst in seinem Atelier bleibt, ist der zweifache Familienvater froh über diese Entwicklung. Die gut bezahlten Auftragsarbeiten geben ihm nicht nur die nötige finanzielle Sicherheit, sondern fordern ihn auch in künstlerischer Hinsicht ganz neu heraus. Am Ende steht noch immer ein einzigartiges Mosaikkunstwerk – wenn auch manchmal eben in anderer Form als früher. Im September wird er gemeinsam mit zehn weiteren Kunsthandwerkern einen Gemeinschaftsladen in Salzwedel eröffnen.