Nachlass Streit ums Erbe in Schönebeck

Schönebeck (Von Paul Schulz)
Es sind schwere Vorwürfe, die der Schönebecker Tjorben Müller (Name geändert) erhebt. Er wirft einer Rechtspflegerin im Amtsgericht Schönebeck das Zurückhalten von Dokumenten vor, bezeichnet sie als korrupt. Den Eheleuten Willfried und Carolin Schneider (Namen geändert) wirft er Nötigung vor. Auch ein Bankmitarbeiter habe rechtswidrig gehandelt. Müller hat Strafanzeigen gestellt und Dienstaufsichtsbeschwerden eingereicht. Grund für all diese Anschuldigungen ist ein Erbstreit. Das Problem: Es gibt zwei Testamente.
Konkret dreht es sich um den Nachlass von Erika Dankow (Name geändert), einer entfernten Verwandten von Tjorben Müller, die im Frühjahr 2018 verstorben ist. In einem Testament aus dem Jahr 2005 wird Tjorben Müller bedacht. Auf einer Din-A4-Seite hat die Verstorbene festgehalten, dass er ihr Alleinerbe sein soll. Auf dem Schriftstück stehen Müllers vollständiger Name, sein Geburtsdatum und seine Anschrift. Weiterhin solle das Schönebecker Tierheim 10.000 Euro aus ihren Spareinlagen erben. „Ich wusste schon lange von dem Testament, weil sie es mir mehrfach gesagt und auch die Kopie gezeigt hat“, erklärt Müller. Das Original wurde im Schönebecker Gericht verwahrt.
Zwei statt ein Testament
Jedoch gibt es ein weiteres Testament aus dem Jahr 2011. Und da dies neuer ist, ersetzt es automatisch die ältere Variante. In diesem zweiten Testament werden die Eheleute Schneider bedacht, Freunde von Dankow. Schon die Eltern von Carolin Schneider waren mit der Verstorbenen eng befreundet. „Sie war für mich fast sowas wie eine Tante. Ich kannte Frau Dankow seit ich ein Kind war“, sagt Carolin Schneider. Zudem habe sie sich die letzten Jahre um die alte Dame gekümmert. Das zeigt sich auch daran, dass Carolin Schneider eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung von Erika Dankow erhalten hatte.
In jenem zweiten Testament heißt es in zwei knappen Sätzen, dass die Eheleute Schneider als Erben einsetzt werden und dass das Tierheim 5000 Euro erhalten soll. Ausführlichere Angaben wie Anschrift oder Geburtsdatum der Erben sucht man vergebens. Und das, obwohl Erika Dankow laut einem Anwaltsschreiben im Vorfeld eine erbrechtliche Beratung aufgesucht habe. „Das ist doch unlogisch“, meint Tjorben Müller. „Wozu eine Beratung, wenn dann nur ein Testament mit zwei Sätzen und ohne genaue Angaben herauskommt?“ Müller kommt das spanisch vor. Er glaubt, dass man Erika Dankow genötigt habe, das zweite Testament zu verfassen.
Dement oder nicht dement?
Laut Müller habe Erika Dankow schon früh an Demenz gelitten. Dies habe das Ehepaar Schneider ausgenutzt, um sich als Erben einsetzen zu lassen, so der Schönebecker. Die Schneiders zeigen sich entsetzt über solche Anschuldigungen, streiten es ab. „Und außerdem war Frau Dankow nicht dement. Ganz im Gegenteil. Sie war lange Zeit geistig noch sehr fit“, sagt Carolin Schneider. Das sieht auch die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg so, die schriftlich auf Müllers Strafanzeigen und Beschwerden reagiert. Dass die Verstorbene dement gewesen sei, sei lediglich eine Behauptung von Tjorben Müller. Die behandelnde Hausärztin von Erika Dankow habe jedenfalls zum Zeitpunkt der Erstellung des zweiten Testaments bei der Frau keine Demenz diagnostiziert.
Dass das zweite Testament eine Fälschung ist, ist indes auch unwahrscheinlich. Denn laut Generalstaatsanwaltschaft Naumburg habe eine Überprüfung der Schriftstücke durch das Landeskriminalamt ergeben, dass es sich mit „sehr hoher Wahrscheinlichkeit“ um die gleiche Handschrift handelt.
Doch Müller sieht auch Ungereimtheiten hinsichtlich der Testamentseröffnung. Diese fand laut dem gerichtlichen Eröffnungsprotokoll am 6. August 2018 statt. Dabei wurde einerseits ein versiegelter Umschlag geöffnet, in dem das Testament aus dem Jahr 2005 enthalten war – also das, in dem Müller bedacht wird. Zudem wird ein weiteres Schriftstück eröffnet, das von Carolin Schneider bei Gericht abgegeben worden war. Dabei handelt es sich um das Zwei-Sätze-Testament aus dem Jahr 2011. Dieses habe Carolin Schneider bei der Auflösung der Wohnung der Verstorbenen gefunden.
Anschrift war fehlerhaft
„Ich wurde aber nicht über die Eröffnung des Testaments informiert. Man wollte mich einfach übergehen“, kritisiert Müller. Ohne zu wissen, dass das Testament bereits eröffnet wurde, rief er am 6. September 2018 beim Gericht an, um sich über den Stand der Testamentsöffnung zu erkundigen. „Ich wusste ja schließlich, dass ich bedacht wurde.“ Nach seinem Anruf und rund einen Monat nach Eröffnung erhält er schließlich das Protokoll der Testamentseröffnung. „Hätte ich nicht angerufen, hätte man mich bestimmt gar nicht informiert. Das ging nicht mit rechten Dingen zu“, sagt Müller.
Laut einer Stellungnahme der zuständigen Rechtspflegerin im Gericht sei Müllers Anschrift fehlerhaft gewesen, weshalb er vorher kein Protokoll zugeschickt bekommen habe. Müller sieht darin die Unterdrückung beziehungsweise das Zurückhalten von Dokumenten. Er glaubt, dass die Rechtspflegerin mit den Schneiders gemeinsame Sache macht. Dass sie dafür Geld erhalten habe, dass sie ihn nicht benachrichtigt. „Im Testament steht meine Adresse leserlich und fehlerfrei drin. Es wurde mit Absicht zurückgehalten“, ist er überzeugt. Dass man rund einen Monat brauche, um die Adresse zu überprüfen, hält er für unrealistisch.
Kritik an Bankmitarbeiter
Unabhängig davon bewerten das Amtsgericht Schönebeck, die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg und das Landesjustizministerium die Thematik anders. Das erste Testament sei schlichtweg ohne Relevanz, da es durch das zweite abgelöst wurde. „Sämtliche Vorwürfe der 'Unterschlagung der anvertrauten Dokumente und Verdunkelung' gehen daher ins Leere“, teilt die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg Tjorben Müller mit. Auch der Vorwurf der Nötigung sei haltlos, heißt es vom Justizministerium. Schließlich hätte Erika Dankow nach der vermeintlichen Nötigung im Jahr 2011 bis zu ihrem Tod im Jahr 2018 diese anzeigen können oder auch einfach ein neues Testament verfassen können, womit das vorige wieder aufgehoben worden wäre, so die Argumentation des Ministeriums.
Darüber hinaus übt Müller Kritik an einem Bankmitarbeiter. Dieser hat den Schneiders Zugriff auf das Konto der Verstorbenen gewährt. „Ohne Erbschein! Die mussten nur mit dem Eröffnungsprotokoll wedeln. Das geht doch nicht“, sagt Müller. Fakt ist aber, dass ein Erbschein für die Freigabe eines Kontos nicht in jedem Fall nötig ist, sofern das Testament vorliegt, urteilte der Bundesgerichtshof 2019.
Alle Vorwürfe abgeschmettert
Auch Stefan König, Sprecher der Salzlandsparkasse, erklärt, dass ein Testament mit Eröffnungsprotokoll auch als Legitimation für Erben dienen kann. Er hebt aber auch hervor, dass die Erbfallbearbeitung sehr komplex ist. „Jeder Vorgang ist individuell zu prüfen. In Einzelfällen müssen zusätzliche Informationen eingeholt werden“, so König.
Obgleich alle seine Vorwürfe von allen Seiten bislang abgeschmettert wurden, sieht sich Tjorben Müller weiter im Recht. Vor allem, dass man ihn so sehr verspätet über die Testamentseröffnung informiert habe, weil seine Adresse nicht zu ermitteln sei, sei schlichtweg unbegreiflich.
Aktuell wartet er noch auf Reaktionen vom Landesgerichtspräsidenten, denn auch dort habe er seinen Fall geschildert. „Ich hoffe, dass alles nochmal geprüft wird“, sagt Müller.