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Tangerhütte Geschichte als Geschenk: Hobbyforscher macht auch mit 86 Jahren aus der Ferne weiter

Geschichtsforscher Kurt Hübner hat – als ewiger Tangerhütter im Herzen – seiner alten Heimat noch einmal ein Stück Geschichte und allerhand Forschungsmaterial geschenkt. Dafür kam der 86-Jährige jetzt wohl ein letztes Mal aus Bergen (Rügen) in die Altmark.

Von Birgit Schulze Aktualisiert: 18.07.2023, 08:35
Kurt Hübner 2023. Sein Besuch in der alten Heimat werde wohl der letzte gewesen sein, sagt er.
Kurt Hübner 2023. Sein Besuch in der alten Heimat werde wohl der letzte gewesen sein, sagt er. Foto: Birgit Schulze

Tangerhütte - Die Geschichte eines „prähistorischen Wegweisers“ an der alten Poststraße hat der Tangerhütter Hobbyarchäologe und Geschichtsforscher Kurt Hübner seiner alten Heimat noch mit 86 Jahren zum Geschenk gemacht. Und auch einen ganzen Ordner an Forschungsergebnissen hat er einer lokalen Interessengruppe Geschichtsinteressierter um Albrecht Will dagelassen. Ein Leben lang hat Hübner die Vergangenheit seiner Heimatregion ausgegraben und anderen Menschen nahegebracht.

Hübner war vor kurzem noch einmal in seine alte Heimat gekommen, um sein Wissen an andere weiterzugeben. „Ich war da, um mich zu verabschieden. Es wird wohl das letzte Mal gewesen sein, dass ich herkommen konnte“, sagt der 86-Jährige im Volksstimme-Gespräch.

Der Rillenstein vom Strepel mit seinen Markierungen.
Der Rillenstein vom Strepel mit seinen Markierungen.
Foto: Kurt Hübner

Vor neun Jahren hatte er der jüngsten Stadt der Altmark den Rücken gekehrt – um in der Nähe der Kinder auf der Insel Rügen zu leben. Bis dahin hat sich der Tangerhütter, der früher unter anderem als Ausbilder in der Landwirtschaft und später im Kreislandwirtschaftsamt gearbeitet hat, stets und ständig mit der Geschichte seiner Heimatregion befasst.

Unzählige Bodenfunde und Zeitzeugen früherer Generationen hat er erfasst, zusammengetragen und in Ausstellungen auch anderen Menschen zugänglich gemacht. Die Geschichte und Besonderheiten seiner eiszeitlich geprägten Heimatregion haben ihn ein Leben lang fasziniert.

Eine Seelilie im Feuerstein war der erste Fund

Seine ersten Erfahrungen mit der Vorgeschichte seiner Heimat machte Hübner als Zehnjähriger in Angern, wo seine Eltern einen Hof hatten. Ein Feuerstein mit dem Abdruck einer Seelilie als Hinterlassenschaft der letzten Eiszeit war der erste Schatz, der ihn bis ins hohe Alter begleitete. Später ging Kurt Hübner nach Tangerhütte, gestaltete unter anderem den inzwischen verschwundenen Naturlehrpfad bei Briest mit Informationen zum Raseneisenerz und den für die Region typischen Wölbäckern.

Aber auch die Heidensteinsammlung auf dem Dorfplatz in Cobbel hat er mit initiiert, den historischen, siebenarmigen Wegweiser bei Dolle wieder aufgestellt und Hinweistafeln auf die Rote Warte an der Bucher Landwehr bei Jerchel sowie für andere historische Stätten geschaffen. Er organisierte Ausstellungen zur Geschichte der Eisengießerei, zur Frühgeschichte der Region und zu Fossilien, die immer wieder auf den Äckern der Umgebung auftauchten.

Kurt Hübner erklärt die Bedeutung des „Rillensteins vom Strepel“ (links), der seit 2012 am Blockhaus in Weißewarte steht.
Kurt Hübner erklärt die Bedeutung des „Rillensteins vom Strepel“ (links), der seit 2012 am Blockhaus in Weißewarte steht.
Foto: D. Wegener

Vieles von dem, was er sein Leben lang zusammengetragen hat, hat er schon beim Umzug nach Rügen abgegeben. „Zwei Drittel meiner Sammlung mussten damals verschwinden, weil ich die in der Drei-Zimmer-Wohnung nie unterbekommen hätte“, sagt er. Von den historisch interessierten Menschen rings um Tangerhütte hält er zu einigen bis heute Kontakt. Auch eine Gruppe aus Hobby-Geschichtsforschern von Tangerhütte bis Dolle hatte er einst mit initiiert und einige Mitglieder jetzt bei seiner wohl letzten Reise nach Tangerhütte noch einmal besucht.

Dass er sich mit seinen 86 Jahren überhaupt noch einmal ins Auto setzte und nach Tangerhütte fuhr, hatte mit einem „prähistorischen Wegweiser“ zu tun, wie er selbst sagt. Der sogenannte Rillenstein vom Strepel ist einer von drei aufrecht stehenden und mit Markierungen versehenen Steinen, den er vor Jahren am Postweg bei Burgstall gefunden und später am Blockhaus Weißewarte aufgestellt hatte.

Ein Geheimnis, das der Stein lange bewahrt hat, habe Hübner nach eigenen Angaben nun endlich enthüllen können. Immer wieder hatten ihn die seltsamen parallelen Ritzungen im Stein beschäftigt, viele Jahre hatte er über die Markierungen gerätselt und eines Nachts sei ihm eine Art Geistesblitz gekommen.

Mit diesem Stein fing alles an: Kurt Hübner zeigt auf das erste Fossil, das er fand – eine Seelilie in Feuerstein.
Mit diesem Stein fing alles an: Kurt Hübner zeigt auf das erste Fossil, das er fand – eine Seelilie in Feuerstein.
Foto: R.-M. Wienecke

Die vielen Geschichten aus der Vorzeit der Tangerniederung, die er von Kindesbeinen an gehört hatte, fügten sich zusammen und anhand alter Messtischblätter eines Forstamtes, die er im entsprechenden Maßstab über ein Foto vom Stein legte, bestätigte sich sein Verdacht: Der Rillenstein muss ein vorzeitlicher Wegweiser gewesen sein und das schon auf den Vorgängerwegen des alten Poststraße, die erst ab 1704 eingerichtet worden war.

Rillenstein war eine historische Landkarte

Die Ritzungen entsprechen dem historischen Verlauf des Weges an der Stelle, wo es früher auch eine Quelle gab. Die war für Reisende wichtig und sei deshalb auf dem Stein dargestellt worden, so Hübner. Welche Bedeutung der Stein vermutlich schon in der Frühzeit, als Steine auch Informationsträger waren und nur wenige Menschen lesen konnten, gehabt haben könnte, erklärte er im Rahmen einer Rundfahrt von Weißewarte über Mahlpfuhl und Burgstall sowie den historischen Pottboltdamm, Stephansdamm und den Hüselbergsdamm.

Hübners Frau Doris lebt inzwischen in einem Pflegeheim auf Rügen, er selbst hält sich mit seinen Recherchen für die Geschichte seiner alten Heimat fit. Und doch sei er sich nicht sicher gewesen, ob er die Rundfahrt durch die Tangerhütter Region noch gut durchstehen würde, erzählt er im Nachgang. Als Rückfallebene war Geschichtsforscher Daniel Wegener mit im Boot, der mit den vorbereiteten Informationen eingesprungen wäre, wenn es nicht mehr gegangen wäre.

Am Ende aber hat alles geklappt wie vorgesehen und Kurt Hübner möchte noch mal Danke sagen – bei allen Wegbegleitern und denen, die seinen jüngsten Besuch unterstützt haben. Darunter auch die Dorfgemeinschaft in Mahlpfuhl, die für einen Imbiss der Teilnehmer gesorgt hatte.