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Volksstimme stellt die Schützenvereine der Verbandsgemeinde Westliche Börde vor - Heute Teil 3: Neuwegersleben Die früheren Bestschützen sind heute Majestäten

Von Marlies Müller 07.01.2012, 04:32

Schützenvereine gestalten das kulturelle Leben seit vielen Jahrzehnten aktiv mit. Die Volksstimme stellt in einer Reihe die Vereine in der Westlichen Börde vor. Heute Teil 3: Der Schützenverein Neuwegersleben.

Gröningen l Die "Schützengemeinschaft Neu Wegersleben" wurde als eingetragener Verein im Jahre 1848 gegründet. Nachweislich ging in diesem Jahr Christoph Wiegemann als so genannter "Bester Mann" hervor. Die Neuwegerslebener Schützen gehen davon aus, dass man seit dieser Zeit ein jährliches Schützenfest im Ort gefeiert hat. Als beste Schützen fanden sie in alten Unterlagen weitere Namen, wie Franz Thein, Wilhelm Bergmann und Christoph Klietz.

Im Kreisblatt für die Kreise Oschersleben und Wanzleben vom 18. August 1860 ist in einer Anzeige zu lesen, dass der Schützen-Vorstand alle Freunde und Schützenbrüder zum diesjährigen Freischießen einlädt. Ebenso stellte laut Anzeige im gleichen Blatt der Bahnhofsrestaurateur U. Rößler ein großes Tanzzelt mit doppelt besetzter Kapelle zur Benutzung des geehrten Publikums zur Verfügung. Weiter steht geschrieben: "Gleichzeitig werde ich nicht verfehlen, mit warmen und kalten Speisen vorzüglichster Qualität, sowie einem feinen Glase Bier und guten Weinen aufzuwarten".

Ab 1861 nannten sich die schießfreudigen Männer "Schützengesellschaft zu Neu - Wegersleben", wobei hier Jakob Behrens den Titel Schützenkönig errang. Auch während dieser Zeit gaben alte Unterlagen Schützenkönige, wie beispielsweise H. Schaper, Schlossermeister Heine, Wilhelm Henkel, Fleischermeister Gernoth, Carl Schwieger, A. Kahmann, Franz Stöber, Günther Gittermann und sogar Wilhelm I., König von Preußen preis.

Von 1884 bis 1939 existierte der Verein unter dem Namen "Schützenverein Neuwegersleben", wobei es auch während dieser Zeit Schützenfeste mit einem jährlichen Schützenkönig gab. Hier sind Namen wie H. Hentrich, G. Tacke, A. Fricke, R. Knoche oder G. Dreischer als Schützenkönige bekannt. Von 1915 bis 1924 fanden, verbunden mit dem Ersten Weltkrieg, keine Schützenfeste statt. Ab 1927 wurden im Schützenverein Neuwegersleben auch Kinderkönige ausgeschossen. In alten Unterlagen tauchen dabei Namen wie K. Hannemann, R. Nord, H. Schwengler, K. Wahrendorf, K. Paten und Heinz Ahrens auf.

Während des Zweiten Weltkrieges und viele Jahre danach war die Aufrechterhaltung des Vereines nicht mehr möglich. Schützenvereine wurden als eingetragene Vereine nicht mehr zugelassen. Erst ab 1957 blühte die langjährige Tradition des Königsschießens unter dem Namen "Dorfclub und Festkomitee" wieder auf. Über die damalige "Gesellschaft für Sport und Technik" (GST) wurden zwar Schützenfeste in Neuwegersleben ausgerichtet, hatten jedoch nicht viel mit der echten Traditionspflege zu tun. Aus dem Begriff "Schützenkönig" wurde der Begriff "Bestschütze". Namen wie Günther Winkelmann, Karl-Hermann Wöltge, Werner Pfeifer, Dietmar Kriese, Kurt Löffler oder Horst Ratschat sind vielen Einwohnern des Bruchdorfes noch heute in guter Erinnerung.

Der Schießstand befand sich früher am Sool

Gern feierten die Neuwegersleber ihre Schützenfeste und freuten sich auf die Umzüge durch den Ort. Als Kommandeure waren damals beispielsweise Gerhard Fricke, Bernd Meyer und Albert Busse tätig. Das Ausschießen der "Besten" fand am jeweiligen Freitag des Schützenfestwochenendes statt. Der Schießstand befand sich damals am Neuwegersleber Sool, einer mit Weiden bepflanzten Fläche nahe der Kistenfabrik, und wurde sogar mit einer automatischen Schießscheibe betrieben.

Die Schützenfeste fanden bis etwa 1965 an der sogenannten "Tränke", ebenfalls in der Nähe der Kistenfabrik statt und wurden anschließend auch im Saal des Klein-Berliner-Hofes veranstaltet. Selbst der Neuwegersleber Sportplatz diente später als Austragungsort der Schützenfeierlichkeiten, bevor der noch heute bestehende Festplatz das entgültige Domizil der Schützen wurde.

Geschossen wurde nach dem Krieg mit dem Klein-Kaliber-Gewehr mit insgesamt fünf Schuss auf die traditionelle Schießscheibe. Gern erinnern sich die Schützen an das Schützenfest im Jahre 1979, als am letzten Tag der Feierlichkeiten durch eine Windhose das komplette Festzelt davonflog. Während dieser Zeit nahmen zunehmend Kinder und Jugendliche am beliebten Volks- und Schützenfest teil, so dass Jungen und Mädchen als Kinderschützenkönige separat gewertet wurden. Für die ordnungsgemäße Durchführung der Schießübungen zeigten sich zum Ende der 70er Jahre insbesondere Herbert Lehe, Axel Meyer und Armin Krüger verantwortlich.

Im September 1989 die Wiederzulassung beantragt

Im September 1989, also kurz vor der politischen Wende, fassten einige Schützen aus Neuwegersleben den Entschluss, eine Wiederzulassung des Schützenvereines 1848 zu beantragen. Hierbei trug besonders Peter Domanja einen großen Anteil, denn auf seine Initiative hin wurde die beschwerliche Antragstellung in die Wege geleitet. Das Wiederzulassungsverfahren zog sich bis zum Januar 1990 hin. Der politische Machtwechsel trug aller Wahrscheinlichkeit zur Verzögerung des Antrages bei.

Die lange Wartezeit jedoch hatte sich gelohnt. Am 15. Januar 1990 erhielten die Schützen endlich die Urkunde mit der Registriernummer Eins als eingetragener Verein. Die Gründungsversammlung dazu fand bereits am 6. Januar 1990 in der Bahnhofsgaststätte Gerhard Welborn statt und insgesamt 26 Neuwegersleber Bürger trugen sich als Gründungsmitglieder in die Teilnehmerliste ein. Ebenso wurde ein Statut vorbereitet und beschlossen, sowie ein Schützen-Vorstand gewählt. Vereinsvorsitzender wurde Peter Domanja.

Als erste gemeinsame Aktion errichtete man im neu gegründeten Verein eine Schießanlage im Freien, um den Schießsport überhaupt ausüben zu können. Mit einer "Bretterbude" begann das Vereinsleben der Schützen in Neuwegersleben und damit auch der Gedanke an den Bau eines neuen Schützenhauses. Viele Hürden galt es zu nehmen, angefangen mit der Abklärung von Eigentumsverhältnissen bis hin über Anträge, Verhandlungen und immer wieder recht hartnäckigen Problemen. Viel Hilfe bekam der neu gegründete Verein vom damaligen Bürgermeister Dietmar Hobohm. Dann kam endlich der lang ersehnte Augenblick. Es wurde ein Gesetz über die bezahlte Enteignung von Grund und Boden erlassen.

Baugenehmigung für ein neues Schützenhaus

So wurden von der Gemeinde Neuwegersleben Flächen gekauft und dem Schützenverein übergeben. Die Baugenehmigung für den Bau eines Schützenhauses erfolgte am 18. Dezember 2002 und bereits im Juli 2003 konnte mit der Errichtung des eigenen Domizils begonnen werden. Es folgten die Grundsteinlegung und das Richtfest noch im gleichen Jahr. Dank vieler Sponsoren und zahlreichen Stunden der Vereinsmitglieder in Eigenleistung wurde das Schützenhaus am 7. Mai 2005 feierlich eingeweiht und dient seit dieser Zeit als Mittelpunkt des Schützenlebens in Neuwegersleben.

Fahnenweihe war ein besonder Höhepunkt

Zu weiteren besonderen Höhepunkten im Vereinsleben zählte die Fahnenweihe im Jahre 1998 und die 888-Jahr-Feier des Ortes Neuwegersleben. Das jährliche Schützenfest findet noch immer am letzten Juniwochenende statt, und ist aus dem Veranstaltungskalender der Gemeinde nicht mehr wegzudenken.

An drei Tagen feiern die Schützenschwestern und Schützenbrüder mit ihren Gästen und holen die königlichen Majestäten von zu Hause ab. Für eine ordentliche Überwachung der Umzüge sorgt Kommandeur Detlef Maryniak. Unterstützt werden sie dabei auch von den Mitgliedern des Schützenfest-Fanclubs, die sich seit 2003 mit einem Fanclubkönig am Schießwettbewerb beteiligen. Die musikalische Umrahmung übernahmen dabei Kapellen aus Hordorf, Groß Rodensleben, Barneberg und Sülldorf, und auch Zeltwirt Erdmann Tödter begleitet die Feierlichkeiten bereits über zahlreiche Jahre hinweg.

Zahlreiche Veranstaltungen, wie Schießwettkämpfe mit anderen Schützenvereinen, die Teilnahme an Wettbewerben, das Schießen um den Pokal des Bürgermeisters und zum Tag der Einheit prägen das Leben im Verein und der Gemeinde. Nicht zu vergessen ist auch die Schützenpartnerschaft mit dem Schützenverein im niedersächsischen Luthe. Gegenseitige Besuche, das Austragen von Wettbewerben, der Austausch von Erfahrungen und gemeinsame Veranstaltungen prägen noch heute das Vereinsleben in beiden Bundesländern. Seit 2011 ist Marco Tomczak, als Nachfolger von Anneliese Diehl der Vereinsvorsitzende und führt die alte Tradition des Schützenvereines in Neuwegersleben fort.