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Diebstahl Zeuge der Eiszeit verschwunden

Diebe haben an einem Acker bei Bottmersdorf tonnenschwere Beute gemacht. Sie stahlen einen riesigen Findling aus Stein.

Von Mathias Müller 05.12.2019, 00:01

Bottmersdorf l Der Landwirt Werner Arndt (63) stand gestern fassungslos am Rande eines Ackers zwischen Bottmersdorf und Schwaneberg. Dort in der Gemarkung, die in den Karten als Wohlsdorf bezeichnet wird, lag bis zum Wochenende ein riesiger Findling. Der etwa 17 Tonnen schwere Steinbrocken, etwa sechs Meter lang und 1,50 Meter hoch, war in der Eiszeit bei der Gletscherwanderung von der Natur ans Tageslicht befördert worden. „Jetzt ist der Findling weg, Diebe haben ihn gestohlen“, stellte der Bottmersdorfer Landwirt Arndt schockiert fest. Er bewirtschaftet als Pächter seit 1991 den Acker, der der Familie Schlüter aus Niedersachsen gehört.

Für Arndt, der auch stellvertretender Ortsbürgermeister von Bottmersdorf/Klein Germersleben ist, steht fest, dass die Diebe schwere Technik benutzt haben müssen, um den tonnenschweren Findling abzutransportieren. „Es gibt Radlader, die bis zu 20 Tonnen in der Mulde tragen können“, sagte er. Im Boden sind noch jetzt die Spuren der Reifen zu sehen, die der Radlader beim Rangieren hinterlassen hat. An den Acker grenzt ein vor vier Jahren gut ausgebauter Feldweg, der über zwei Betonfahrspuren verfügt. Über diesen Weg müssen die Diebe mit ihrer Beute entweder in Richtung Bottmersdorf oder Schwaneberg im Sülzetal gefahren sein, vermutet Arndt. Zusammen mit der Bottmersdorfer Firma Ackermann Krankentransporte hat der Landwirt eine Belohnung in Höhe von 1000 Euro für Hinweise ausgesetzt, die zu den Tätern führen.

Werner Arndt hat bei der Polizei Anzeige erstattet. Beamte haben am Tatort Spuren gesichert und gegenüber Werner Arndt die Vermutung geäußert, dass diese Abdrücke der Reifen in der Erde womöglich auf einen leistungsstarken Radlader als Tatfahrzeug hindeuten.

Ganz in der Nähe des Tatorts hat Werner Arndt eine Entdeckung gemacht, die unter Umständen mit dem Diebstahl des Findlings in Zusammenhang stehen könne. „Ich musste in meinem Auto warten, um ein entgegenkommendes Fahrzeug auf dem Feldweg vorbeizulassen. Dabei habe ich in dem Gehölzstreifen neben dem Acker einen Führerschein entdeckt“, sagte Arndt. Das Dokument kann noch nicht lange in der Hecke gelegen haben, da es keinerlei Witterungsspuren aufwies. Arndt lieferte den Führerschein gestern bei der Polizei in Wanzleben ab. Nach Volksstimme-Informationen handelt es sich bei dem Führerscheininhaber um einen Inder aus Niedersachsen, der der Polizei bereits durch Betrugsdelikte bekannt ist.

„Die Fahndung nach dem Findling läuft. Noch haben wir den Stein nicht gefunden“, sagte gestern Matthias Lütkemüller, Sprecher des Polizeireviers Börde in Haldensleben. Noch gebe es keine Hinweise zu den Tätern oder dem Ort, an dem sich der Stein nunmehr befindet. „Jede Funkstreifenwagenbesatzung hätte einen Radlader, der in der Mulde einen derart großen Stein transportiert, sofort angehalten“, versicherte der Polizeisprecher.

Auf den vom Bottmersdorfer Landwirt Werner Arndt in der Nähe des Tatorts gefundenen und bei der Polizei abgegebenen Führerschein angesprochen, sagte Lütkemüller, dass die Polizei den Inhaber überprüfen werde. Ebenso die Umstände, wie der Führerschein in die Hecke am Bottmersdorfer Acker gekommen sei. Ergebnis noch offen.

„Es ist nicht nachvollziehbar“, sagte Ulrike Kausche von der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Börde zum Diebstahl des Findlings. Der riesige Stein sei in einer aus den 1970er Jahren stammenden Akte als „erratischer Block von beachtlicher Größe“ aufgeführt. Findlinge sind unbestimmte Gesteine, die noch heute als Zeugen der Eiszeit gefunden werden können.

Das Bottmersdorfer Exemplar war 1939 von den staatlichen Behörden unter Schutz gestellt worden, habe eine große geologische Bedeutung und diene als Nachweis für die Gletscherwanderung an diesem Originalstandort. Daher ist der Findling als Naturdenkmal beim Landkreis Börde gelistet. Eine genaue Untersuchung des Findlings habe indes nie stattgefunden, sagte Ulrike Kausche. Deshalb seien das Alter und das Material, aus dem der Findling bestehe, nicht bekannt. Sie habe wenig Hoffnung, dass der Stein wieder auftauche. Deshalb werde der Kreis den Findling wohl aus der Liste der Naturdenkmale streichen müssen.

Wie sich Werner Arndt erinnerte, hat der damalige Gutsbesitzer Fritz Schlüter den Findling 1931 von seinen Leuten vom Acker bei Bottmersdorf bergen lassen, weil der Brocken bei der Bearbeitung des Bodens mit Dampfpflügen störte. Dabei sind 22 Gespanne mit je zwei Pferden zum Einsatz gekommen, um den tonnenschweren Stein vom Acker an den Rand zu ziehen. Dort abgelegt, stellte der Findling über Jahrzehnte eine Attraktion für Spaziergänger dar. In den Stein waren die Jahreszahl 1931 als Zeitpunkt der Bergung und der daran beteiligten Landarbeiter zur Erinnerung an diesen Kraftakt eingraviert. Die Jahreszahl und der Name des Vorarbeiters Otto Bosse waren noch heute zu lesen. Die anderen Namen waren verwittert.

„Es ist schlimm und für die Bürgerinnen und Bürger nicht nachvollziehbar, dass so ein Wahrzeichen mit seiner Geschichte in der Gemarkung Bottmersdorf von Leuten, wahrscheinlich ohne Wissen und Gewissen, von seinem Platz entfernt und gestohlen wurde“, sagte René Gehre (FDP), Ortsbürgermeister von Bottmersdorf/Klein Germersleben. Er appelliere an Jeden, der etwas über den Verbleib des Steines wisse, sich bei der Polizei zu melden.