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Haushalt Gemeinsam einen neuen roten Faden finden

Eine nicht alltägliche Ortschaftsratssitzung hat in Altenweddinger stattgefunden. Es wurde mit der Haushaltspolitik der Gemeinde abgerechnet.

Von Yvonne Heyer 22.09.2017, 01:01

Altenweddingen l Die finanzielle Schieflage der Gemeinde Sülzetal und die Auswirkungen auf die Ortschaft Altenweddingen war einziges Thema der erweiterten Ortschaftsratssitzung des Ortsrates von Altenweddingen. Der Einladung waren am Dienstag zahlreiche Bürger gefolgt, die Festhalle hatte keine freie Stühle mehr, etliche Gäste mussten stehen.

Ursprünglich hatte Ortsbürgermeister Friedrich Rabe (Die Linke) zur Einwohnerversammlung eingeladen. Doch diese Befugnis hat er nicht, also wurde kurzerhand eine erweiterte Ortschaftsratssitzung daraus.

In einer Rede griff Friedrich Rabe die zahlreichen, vor allem finanziellen, Probleme der Gemeinde und deren Ortschaften auf, die es schon sehr vielen Jahren gibt. Dazu gehört die Tatsache, dass das Sülzetal seit geraumer Zeit keinen genehmigten Haushalt habe und Schulden vor sich herschiebe. Ein Jahrzehnt würde die Gemeinde bereits unter dem Kuratel der Kommunalaufsicht stehen, würden sich die Schulden des Sülzetals inzwischen auf 16 Millionen Euro belaufen. „Bei allen Problemen in unserem Dorf spielt die Situation in der Grundschule eine zentrale Rolle. Auch sie ist vom finanziellen Desaster der Gemeinde betroffen. Bis heute gibt es für Kinder, Eltern und Lehrer keine Sicherheit zum Grundschulstandort Altenweddingen“, so Friedrich Rabe. Das Ganze gipfele mit Beginn des neuen Schuljahres in den Fakt, dass die 1. Klasse 29 Kinder hat. Die Jungen und Mädchen hätten nicht in zwei Klassen aufgeteilt werden können, weil es an Räumlichkeiten fehlt. In den Augen von Friedrich Rabe sei dies Kindesmisshandlung.

Im Ort sind Spielplätze abgebaut, gemeindeeigene Räumlichkeiten wie die Sporthalle am Bahrendorfer Weg oder die Festhalle könne die Kommune nicht mehr bewirtschaften, stünden vor dem Verkauf und damit vor dem Aus. Die Bibliothek wurde reduziert, gäbe es für das Freibad keine Fördermittelbindung wäre dies sicher auch schon geschlossen. „Die Rückkehr der Straßen- und Rasenpflege durch die Bürger oder die Beteiligung der Vereine an den Betriebskosten ihrer Vereinsdomizile löst die Probleme der Gemeinde nicht“, ist Friedrich Rabe überzeugt. „Es ist kein Verlust, wenn ihr in die Einheitsgemeinde geht. Die heutige Realität zeigt uns seit 15 Jahren nichts Positives. Seit dieser Zeit kämpfen die Bürger um die Infrastruktur, Feuerwehr, Vereine und Grundschule. Noch lässt sich in unserem Dorf gut leben, sehen wir auch eine Verantwortung für unsere Nachbarn. Doch wie lange noch?“, fasste Friedrich Rabe zusammen. Er habe diese Versammlung einberufen, um Wege der Rettung zu finden.

René Kellner hatte als stellvertretender Bürgermeister und Verwaltungsbeamter das schwierige Amt übernommen, die Fragen zu beantworten, auf die Vorwürfe der Bürger einzugehen.

Entscheidungen der Vorjahre, die heute infrage gestellt werden, bezeichnete er als Wagnisse. „Wir können nur das Geld ausgeben, das da ist“, betonte er mehrfach. So wurde immer wieder die Ganztagsschule/Gemeinschaftsschule Sülzetal in Langenweddingen ins Spiel gebracht. Es ist kein Geheimnis, dass die Schule der Gemeinde jährlich, und das noch mehr als 20 Jahre lang, 600 000 Euro kostet. Die Schule wurde als sogenanntes Privat-Public-Partnership-Projekt (PPP) gebaut und müsse nun abgezahlt werden. „Unter den Gesichtspunkten der heutigen Zinspolitik ist PPP schon ein Kostentreiber. Aber es war damals ein Mehrheitsbeschluss“, so Kellner. Normalerweise seien aber Sekundarschulen in Trägerschaft des Landkreises, in diesem Fall ist es allerdings nicht so, die Kommune ist der Träger. Als das Projekt seinerzeit gestartet wurde, ging man davon aus, dass die Kommune die Kosten all die Jahre stemmen könne. Das werde heute anders gesehen und schon vor einiger Zeit wurde mit dem Landkreis in Verhandlungen getreten, damit dieser die Schule „zurücknehme“ und die Kommune Sülzetal finanziell entlastet werde.

Aus der Sicht des Verwaltungsbeamten stellte René Kellner fest, dass noch immer jedes Dorf des Sülzetals für sich allein kämpfe. Er sehe große Chancen im neuen Gemeindeentwicklungskonzept, dass tatsächlich das Sülzetal zu einer Einheitsgemeinde zusammen wächst. Auch wenn dies noch einige Jahre dauern wird. „Die Arbeit im Gemeinderat hingegen ist immer mehr zu einem Miteinander geworden“, so Kellner.

Auch die Gewerbesteuereinnahmen spielten eine Rolle in den Wortbeiträgen der Bürger. Auf etwa sechs Millionen Euro könne die Gemeinde Sülzetal alljährlich bauen. Diese würden vor allem von kleinen und mittelständischen Unternehmen aufgebracht. Eine Erhöhung der Hebesätze würde somit zuallererst die „Kleinen“ treffen. Kritik wurde an den „Großen“ geübt, die den Börde-Boden in Größenordnungen versiegeln, die Gewerbesteuer aber zu Hause zahlen.

Auch wenn die Gemeinde Sülzetal aktuell mit 16 Millionen Euro in der Kreide stehe, gehöre sie eben nicht zu den armen Gemeinden, die auf Unterstützung durch das Land hoffen kann.

„Wir müssen an die Ursachen und an die Wurzeln gehen, sonst können die Probleme der Gemeinden allgemein nicht gelöst werden. Und eines dieser Probleme ist die Tatsache, dass sich bislang in keinem Koalitionsvertrag unserer Landesregierungen der ländliche Raum und dessen Weiterentwicklung wiederfindet. Damit aber müssen sich die Regierungen beschäftigen“, ist der Altenweddinger Peter Grecksch überzeugt.

„Wir sollten die Vergangenheit abhaken und zusammen einen neuen Anfang, einen neuen Ansatz, einen gemeinsamen roten Faden finden“, dafür plädierte Juliane Koch.

„Die Fehler der Vergangenheit dürfen sich nicht wiederholen. Hoffnung und Initiativen sollen stattdessen eine Verbesserung bringen. Das ist auf lange Sicht eine Notwendigkeit“, schloss Friedrich Rabe nach zwei Stunden einen diskussionsreichen Abend in der Altenweddinger Festhalle.