Berufswahl-Siegel Persönliche Begegnung als Vorteil
Die Sekundarschule Gemeinschaftsschule Wanzleben (Landkreis Börde) trägt das Berufswahl-Siegel.
Wanzleben l Berwerbungsmappe vorbereiten, schick anziehen und einem echten Ausbilder gegenüber sitzen - das erleben die Schüler der Sekundarschule Gemeinschaftsschule Wanzleben schon ab der achten Klasse. Die Lehrer geben sich hier besondere Mühe, wenn es um die Berufsorientierung bei den Kindern und Jugendlichen geht. „Die Berufswahl ist eine Lebensentscheidung, darum nehmen wir das sehr ernst“, sagt Lehrerin Viola Metzdorf. Sie organisiert zahlreiche Projekte für alle Jahrgänge ab der fünften Klasse, um diese wichtige Entscheidung für die Schüler einfacher zu gestalten. Aus diesem Grund trägt die Schule seit sechs Jahren das Berufswahl-Siegel.
Für eine zielführende Berufsorientierung engagieren sich die Lehrerin und ihre Kollegen aber schon sehr viel länger. Die erste hauseigene Berufsmesse der Gemeinschaftsschule Wanzleben organisierte Metzdorf vor 14 Jahren. „Damals waren Vertreter aus sechs Unternehmen anwesend, um ihre Betriebe in der Aula vorzustellen“, erinnert sich Metzdorf. Bis 2017 waren es dann 23 Firmen. Die Veranstaltung sei zunehmend gewachsen (kulturelle Angebote und Verpflegung), so dass sich sowohl die Vertreter der Betriebe als auch die Schüler und deren Eltern möglichst wohlfühlen konnten.
Weil das aus Platzgründen irgendwann kaum noch realisierbar war, hatte Wanzlebens Bürgermeister Thomas Kluge das Wanzleber Kulturhaus zur Verfügung gestellt. So ging die Berufsmesse in die Arme der Stadt über und findet jährlich seit 2018 unter dem Schirm des Arbeitskreises „Schule Wirtschaft“ statt.
Doch die Messe allein gab nicht den Ausschlag für die Vergabe des Berufswahl-Siegels. „Dahinter steckt sehr viel Arbeit“, sagt Metzdorf. Zur Hilfe bei der Berufswahl gehören unter anderem Projekttage, Firmenbesichtigungen und Bewerbertrainings. Schon ab der fünften Klasse werden die Weichen gestellt. Alles, was die Schule sowieso machen muss, falle nicht unter die Kriterien für die Vergabe des Siegels, betont die Lehrerin. Beispielsweise im Deutschunterricht eine Bewerbung und einen Lebenslauf zu schreiben. Hingegen ein Projekt, das beinhaltet, dass ein Schüler mit den Bewerbungsunterlagen zu einem Ausbildungsbetrieb geht und sich dort vorstellt, werde für das Siegel angerechnet. Viele der Kriterien habe die Schule schon erfüllt, als an eine Bewerbung für das Berufswahl-Siegel noch niemand dachte, sagt Metzdorf. „Darum haben wir es sofort im ersten Anlauf bekommen“, zeigt sich die Lehrerin stolz.
Die Berufsorientierung sei im Schularbeitsplan fest verankert. „In der fünften und sechsten Klasse fangen wir damit schon an.“ Dann jedoch noch in kleinen Schritten, so dass man beispielsweise über die Berufe der Eltern spricht und im gleichen Zug über die Voraussetzungen für die jeweilige Laufbahn. In der siebenten Klasse würden die Schüler dann innerhalb des sogenannten BRAFO-Projektes ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten erforschen. Der Name des Landesberufsorientierungsprogramms BRAFO steht für „Berufswahl Richtig Angehen Frühzeitig Orientieren“. Die Mädchen und Jungen sollen dabei ihre berufsbezogenen Interessen erkunden.
In der achten Klasse müssen die Jugendlichen ein vierzehntägiges Pflichtpraktikum absolvieren. Die Sekundarschule Wanzleben motiviert dafür auf besondere Weise. „Wir bieten einen Schnuppertag an“, sagt Metzdorf. Dieser solle helfen, einen Praktikumsplatz zu finden, der möglichst auch einen Mehrwert für die Berufsorientierung erzeugt. Dazu werde ein ganzer Schultag nur dazu genutzt, verschiedene Betriebe abzulaufen und sich über mögliche Praktika zu informieren. Am Ende der achten Klasse vor den Sommerferien finden dann weitere Projekttage statt, an denen Vertreter verschiedener Berufsgruppen in die Schulen kommen und sowohl ihren Arbeitsalltag vorstellen als auch Bewerbungsgespräche mit den Schülern simulieren.
„Wir pflegen zu vielen Kooperationspartnern sehr enge Kontakte“, ein weitreichendes Netzwerk sei innerhalb der vergangenen 14 Jahre laut Viola Metzdorf entstanden. Wenn die Lehrerin beispielsweise davon hört, dass sich einige Schüler für eine Laufbahn in der Pflege interessieren, hat sie sofort die Nummer einer Krankenschwester parat, die in der Sekundarschule bereitwillig über ihren Berufsalltag und die Ausbildung berichtet.
Auch für die neunten Klassen finden jeweils in der letzten Woche vor den Winterferien entsprechende Aktionstage zur Berufsorientierung statt. Diese beinhalten einen Schnupper- sowie einen Sozialtag. Während letzterem werden die sozialen Berufe vorgestellt, die besonders stark vom Fachkräftemangel betroffen sind. Weiter beinhaltet diese Woche erneut ein Bewerbertraining. Und Branchenvertreter geben Auskunft zu verschiedenen Berufsbildern und Ausbildungsmöglichkeiten in ihren Betrieben. Außerdem absolvieren die Jugendlichen einen 90-minütigen schuleigenen Eignungstest, der auf Tests in herkömmlichen Bewerbungsverfahren vorbereiten soll.
Insbesondere, wenn sich Betriebe in der Schule vorstellen und Bewerbungssituationen mit den Schülern simulieren, versucht Metzdorf bei der Organisation möglichst die Interessen der Schüler abzudecken. Jeder Abgänger der Sekundarschule Wanzleben hat zumindest einmal das Szenario eines Bewerbungsgespräches lebensnah üben dürfen. „Es ist sehr wichtig, dass die Schüler wissen wie so was abläuft“, so die Lehrerin, die sonst Englisch, Russisch und Deutsch unterrichtet. Auch Elternabende mit Vertretern der Arbeitsagentur finden im Zuge der Berufsorientierung statt. Dazu wird meistens ein Betriebsleiter eines Ausbildungsbetriebes mit eingeladen. In den zehnten Klassen gehe es dann darum, dass zu festigen, wofür in den vorangegangenen Jahren der Grundstein gelegt wurde.
„Wir wollen vor allem diejenigen fördern, die im Privatleben von den Eltern kaum Unterstützung erfahren“, sagt Metzdorf. Dabei könnten persönliche Begegnungen mit Ausbildern Wunder wirken. „Die nehmen dann auch mal jemanden, der in Mathe eine drei hat, obwohl das eigentlich nicht gewünscht ist, wenn es zwischenmenschlich passt“, so die Lehrerin weiter. Leider wirke sich die Corona-Pandemie in diesem Jahr auch auf die Berufsorientierung der Wanzleber Sekundarschüler negativ aus. „Kaum eine der Veranstaltungen konnte in diesem Jahr stattfinden“, sagt Metzdorf.
Die finale Rezertifizierung der Wanzleber Sekundarschuel für das Berufswahl-Siegel wird 2023 stattfinden. Danach darf die Schule das Siegel dauerhaft tragen. Das Berufswahl-Siegel ist ein landesweites Projekt. Sekundarschulen, Förderschulen, Gemeinschaftsschulen, Gesamtschulen sowie Gymnasien sind in das Verfahren einbezogen. Die Geltungsdauer für das Siegel beträgt drei Jahre. Danach kann sich jede zertifizierte Schule für eine Rezertifizierung bewerben. Nach erfolgreicher Rezertifizierung gilt das Siegel weitere 6 Jahre, anschließend dauerhaft, heißt es auf der Internetseite des Netztwerks Berufswahl Siegel.