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Petition 1700 Unterschriften sind das Ziel

Den Blumenbergern ist bewusst geworden, wie sehr sie doch ohne Zughalt an ihrem Bahnhof abgeschnitten sind.

Von Constanze Arendt-Nowak 27.07.2020, 01:01

Blumenberg l Als Edelgard Junghans in den 1990er-Jahren nach Blumenberg zog, war die direkte Zugverbindung nach Magdeburg für sie ein entscheidendes Kriterium für die Wohnortwahl. In nicht etwa 20 Minuten war sie am Magdeburger Hauptbahnhof und damit auch nah an Kultur und Bildung. Ende 2018 wurde die Zugverbindung für die Blumenberger gekappt, der Haltepunkt wurde dicht gemacht.

Es schien, als würden sich die Blumenberger damit abfinden. Sie fanden Alternativen, um die Arbeit und Ausbildungsstellen zu erreichen und auch Zugang zu Kultur und Bildung, nicht nur in Magdeburg, sondern auch in der anderen Richtung, nämlich Oschersleben, zu erreichen. Nur Edelgard Junghans blieb erstmal standhaft. Den Haltepunkt einfach dicht zu machen, konnte nicht sein.

Zahlreiche Briefe schrieb sie, um auf das Problem aufmerksam zu machen und Gehör zu finden – an Abellio als Betreiber der Bahnstrecke, an die Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt GmbH, an den Bürgermeister der Stadt Wanzleben-Börde, Thomas Kluge, und sogar an den Ministerpräsidenten des Landes Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff. Antworten hat die Seniorin zwar erhalten, aber geändert hat sich nichts. Die Absender stützten sich auf zu geringe Nutzerzahlen, auch wenn sie Edelgard Junghans Argumenten zustimmten.

In der Konsequenz fahren die Züge auf dem Weg nach Magdeburg oder in Richtung Halberstadt immer noch am Haltepunkt in Blumenberg durch und wenn sie halten, dann nur am Haltesignal, um entgegenkommende Züge aus Richtung Harz durchzulassen, bevor die eingleisige Strecke beginnt. Edelgard Junghans hatte inzwischen den Kampf – den sie ganz allein führte – aufgegeben.

Erst vor wenigen Wochen, als der Dorfrundgang im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ vorbereitet wurde, war klar, dass Edelgard Junghans doch nicht allein auf weiter Flur ist. Viele, auch aus umliegenden Dörfern, meldeten sich zu Wort, dass ihnen der Haltepunkt in Blumenberg wichtig ist.

Nicht zuletzt, weil der Bus keine Alternative ist. Die Haltestelle eines Busses, der Magdeburg anfährt, befindet sich außerhalb an einer vielbefahrenen Bundesstraße an der Dreiersiedlung und ist für die Blumenberger nur unter Gefahr zu erreichen. Einen Fußweg bis dort gibt es nicht. Nach Aussage der Blumenberger fahren auch nicht mehr Busse den Ort Blumenberg an. Auch Umweltaspekte rücken für sie mehr in den Fokus. Der Knackpunkt für viele ist eben, dass der Zug am Haltesignal hält, aber eben nicht für Fahrgäste. „Die Linie funktioniert ja und wurde niemals stillgelegt“, unterstreicht Edelgard Junghans auch heute noch.

Der Tunnel, der vom Bahnhofsgebäude zum Bahnhof führt, ist mittlerweile gesperrt. Ein Gitter am Eingang verhindert die Nutzung. „Aber den brauchen wir gar nicht“, sagt der Blumenberger Detlef Kaluza. Es müsste nur ein funktionierender Übergang zu den Gleisen geschaffen werden. Dass das möglich ist, wird in anderen Dörfern bewiesen, und es ist sicher auch nicht kostenintensiv. Nicht die Effizienz eines Haltes sollte oben anstehen, sondern das Überdenken der Finanzierung. „Eine Lösung zu finden, wäre eine Aufgabe, der es sich zu stellen lohnt“, so Detlef Kaluza. Er sieht im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) auch gelebten Klimaschutz – ein Thema, das mehr und mehr an Bedeutung gewinnt.

Marika Reipsch, ebenfalls eine Blumenbergerin, hat auch die nachfolgende Generation im Blick. Etwa 40 Kinder unter zwölf Jahren leben jetzt in dem Wanzleber Ortsteil – darunter sind nicht nur Schüler, die in Magdeburg das Gymnasium besuchen, sondern es sind auch alles potenzielle Nutzer von Kultur und Bildung in der Landeshauptstadt und in Oschersleben. Als Beispiel führt sie die Musikschule in Oschersleben an. „Wenn sie nicht den Fahrdienst ihrer Eltern nutzen müssten, sondern ihre Ziele sicher mit dem Zug erreichen könnten, würden sie auch selbständiger werden“, führt Marika Reipsch an. So könnten sie auch besser ihre sozialen Beziehungen pflegen. „Und wer ins Kreiskrankenhaus in Neindorf muss und kein Auto hat, der muss auch betteln“, bringt Edelgard Junghans auch die ärztliche Versorgung als Fakt ins Spiel.

Um die Wiedereröffnung des Bahnhaltepunktes voranzutreiben, läuft seit wenigen Wochen unter Federführung des Blumenberger Kultur- und Karnevalsvereins (BKK) eine Online-Petition. Die Petition unter dem Titel „Starten statt warten – Dörfer auf dem Abstellgleis“ wird aber nicht nur von Vereinsmitgliedern getragen und unterstützt. So weiß Silvia Trieb als eine von denen, die sich vor den Karren gespannt haben, auch den genauen Stand der Unterschriften, die bisher gesammelt werden konnten: Von den 653 Unterschriften (Stand: 26. Juli) kommen 496 von Menschen aus dem Landkreis Börde.

Und genau diese sind entscheidend. Damit die „Open Petition“ überhaupt bearbeitet wird, sind 1700 Unterschriften – allein aus dem Landkreis Börde – Voraussetzung. Deshalb kann die Petition nicht nur online unterschrieben werden, Unterschriftenlisten liegen auch im „Blumenberger Krug“ bei Heidrun Richter in Blumenberg und in der Bäckerei Trieb am Wanzleber Markt aus. Blumenberger und Mitstreiter von anderen Vereinen gehen zudem auf Sammeltouren. Nach drei Wochen werden Stimmen gesammelt. „Letztlich geht das Thema alle an, es geht um Lebensqualität auf dem Land“, so Silvia Trieb.

Der Erfolg der ersten Tage gibt den Initiatoren Hoffnung, dass der Zug eines Tages doch wieder in Blumenberg hält, und zwar nicht nur am Haltesignal hinter dem Bahnsteig, sondern auch zum Ein- und Aussteigen. Um ihr Ansinnen auf die Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz zu untermauern, wollen die Blumenberger zudem auch auf direktem Wege an die Politik auf Landesebene herantreten.

Die Petition ist im Internet zu finden unter: https://www.openpetition.de/petition/online/starten-statt-warten-doerfer-auf-dem-abstellgleis