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Lieselotte Drohberg lässt 22 Jahre in Oschersleber Politik Revue passieren "Politik machen ist wie Tanz auf dem Drahtseil"

Von Vivian Hömke 28.01.2012, 05:18

Von Beginn an ist Lieselotte Drohberg mit Unterbrechung Mitglied im Oschersleber Stadtrat und hat wichtige politische Entwicklungen der Stadt aktiv mitgestaltet. Morgen feiert die Wahl-Oschersleberin ihren 70. Geburtstag und blickt auf 22 ereignisreiche Jahre zurück.

Oschersleben l "Ich habe mir immer die Freiheit erlaubt, mit meinem eigenen Kopf zu denken", resümiert Lieselotte Drohberg im Hinblick auf ihre Funktion als Mitglied des Oschersleber Stadtrats. Von Anfang an, seit 1990, wirkt die gebürtige Heynburgerin aktiv in der Oschersleber Politik mit und hat das heutige Gesicht der Bodestadt maßgeblich mitgestaltet.

"Ich habe mir immer die Freiheit erlaubt, mit meinem eigenen Kopf zu denken."

Der Weg in die Politik war bei Lieselotte Drohberg als gelernte Schriftsetzerin nicht unbedingt vorherzusehen. Doch die politische Entwicklung in der Stadt zu DDR-Zeiten führte dazu, dass es auch in ihr brodelte. "1989 war bei mir das Maß voll", erinnert sie sich.

"Da gab es diese Rathausgespräche im Haus des Volkes, und ich weiß noch genau, dass ich auch nach vorn gegangen bin, weil ich so empört war. Und da habe ich Heine abgewandelt und gesagt: ¿Denk ich an Oschersleben in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht.\'" Am meisten störte sie, "dass man seine Gedanken nicht frei äußern konnte."

Anschließend trat Lieselotte Drohberg dem Neuen Forum, einer damaligen Bürgerrechtsgruppe bei, die sich für "einen demokratischen Sozialismus mit menschlichem Gesicht" einsetzte, bevor sich die Ereignisse im Land schließlich überschlugen.

Nach der Wende wurde die dreifache Mutter dann als einziges Mitglied des Neuen Forums in den Oschersleber Stadtrat gewählt, war nebenbei Jahre lang als Schöffin und als Schiedsfrau tätig.

Später trat sie dem Bündnis 90/Die Grünen bei. "Ich bin in der Natur aufgewachsen und habe ein besonderes Verhältnis zur Natur", begründet sie ihre Entscheidung für die Partei. Im Stadtrat war Lieselotte Drohberg lange Zeit als einziges Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen vertreten. "In 20 Jahren war ich meistens Einzelkämpferin", erzählt sie. Aufgrund dessen sei es sehr schwer gewesen, "die Gedanken an den Mann zu bringen", eine Mehrheit zu bilden, sagt Drohberg.

"In 20 Jahren war ich meistens Einzelkämpferin."

Als Beispiel führt sie die Debatte um erneuerbare Energien an. "1998 habe ich angefangen zu sagen: Wenn wir die öffentlichen Gebäude nicht mit alternativen Energien versorgen und von den hohen Energiekosten runterkommen, haben wir für die freiwilligen Aufgaben kein Geld übrig. Und jetzt ist es soweit." Aktuell bildet sie mit dem aus der SPD ausgetreten Oschersleber Lothar Lortz eine Fraktion.

"Man muss eine Menge Idealismus haben und immer wieder aufstehen", sagt Lieselotte Drohberg über ihre Arbeit. "Politik zu machen ist wie der Tanz auf einem Drahtseil. Sie gehen drauf und müssen alles von sich preisgeben - wer sie sind, wohin sie gehen." Es ginge viel Freizeit und Substanz verloren, dennoch sei sie "mit Leib und Seele Kommunalpolitikerin". Rückhalt habe Lieselotte Drohberg stets im Kreise ihrer Familie und bei Parteifreunden gefunden.

Zur nächsten Wahl im Jahr 2014 möchte Drohberg nicht mehr antreten. "Ich habe mir ein bisschen Ruhe verdient", sagt sie. Bis dahin wird sie sich weiterhin politisch für die Bodestadt engagieren. Ein Ziel hat sie schon vor Augen: "Es gibt zu viele alte, baufällige Häuser in der Innenstadt. Ich würde mich freuen, wenn die wegkämen."

Ihren 70. Geburtstag wird Lieselotte Drohberg morgen mit ihrer Familie außerhalb der Stadt feiern.