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  7. Sechs Schäfer und zwölf Hunde kämpfen um Ehre und Sieg

7. Reithufen- und Bauernfest in Kroppenstedt Sechs Schäfer und zwölf Hunde kämpfen um Ehre und Sieg

Von Julia Angelov 25.08.2011, 04:38

Auf der großen Wiese vor dem Gut von Juliane Liebke stellten sich in Kroppenstedt sechs Schäfer einem Wettbewerb der besonderen Art. Beim Hüten von 400 Schafen mussten sie unheimlich viel Feingefühl im Umgang mit den Schafen und ihren Hunden beweisen und außerdem starke Nerven und innere Ruhe bewahren. Am Ende gab es einen Sieger – und fünf Schäfer, die viel über sich selbst dazu gelernt hatten.

Kroppenstedt. "Schäfer ist kein Beruf. Es ist eine Berufung", sagt der junge Mann aus Berßel voller Überzeugung. Daniel Strutz ist gelernter Tierwirt, Fachrichtung Schäferei. So wird der Hirte heute bezeichnet, wenn er drei Jahre lang Ausbildung und eine Abschlussprüfung absolviert hat. Gerade einmal 22 Jahre jung, führt Daniel Strutz eine 500 Jahre alte Familientradition fort. "Ich bin Schäfer in der neunten Generation", erklärt er - nicht ohne dass ein wenig Stolz mitschwingt. Eine andere Berufswahl habe für ihn nie zur Debatte gestanden. Zu sehr liebt er die Tiere, die Landschafen, seine Bestimmung.

Ältester Teilnehmer ist 75 Jahre alt

Mit seinem Vater Rainer (48) ist er an diesem sommerlichen Sonnabend nach Kroppenstedt zum 7. Reithufen- und Bauernfest gekommen, um dem Opa die Daumen zu drücken. Denn Werner Strutz, ein bodenständiger Mann mit wettergegerbtem Gesicht, einem rauen Lachen und kräftigem Hände- druck, stellt sich dem Preis- hüten. Der 75-Jährige weiß, worauf er sich einlässt. Schließlich war er acht Mal DDR-Hütesieger.

"Vor 36 Jahren habe ich mich zuletzt den Preisrichtern gestellt", verrät Werner Strutz. "Im vergangenen Jahr habe ich mein 60. Berufsjubiläum gefeiert." Zuhause hütet er zwar noch, allerdings nur als Hobby. Weil er zwei so gute Hunde hat, wollte er es nach all den Jahren noch einmal wissen. Die beiden altdeutschen Schäferhunde und der älteste Teilnehmer des Wettbewerbs sind ein eingespieltes Team. Obwohl die Hunde noch sehr temperamentvoll sind, hat er sie bei den verschiedenen Aufgaben bestens im Griff. Da macht sich die langjährige Berufserfahrung bezahlt.

Etwa eine Stunde lang dauert der Parcours für einen Teilnehmer. Die Anforderungen sind hoch und die Nerven sind gespannt. Nicht nur für den Schäfer selbst eine spannende Angelegenheit. Auch die Zuschauer sitzen in Kroppenstedt an der Weide und verfolgen gebannt, wie sich der Schäfer schlägt. Er ruft, lockt und pfeift, damit die zwei Hunde ihre Aufgaben erfüllen. Jeder Hund hat seinen Platz und die drei Richter beobachten genau, ob sie diesen auch einhalten.

Wichtig für die Bewertung ist, wie eng die Herde von 400 Tieren zusammen gehalten wird. Nachdem sie aus dem Pferch geführt wird, stehen verschiedene Disziplinen an, die der Hirte bewältigen muss. Eine natürliche Begrenzung in Form eines in die Weide gemähten Quadrats soll den Hunden zeigen, wie weit sie laufen dürfen. Der Schäfer muss sicher stellen, dass die Hunde nicht darüber treten. Eine der Aufgaben heißt "Verkehrshindernis" – hier muss der Haupthund zwischen Herde und Fahrzeug arbeiten. Eine weiterer Knackpunkt ist das Treiben über eine künstliche Brücke. Hier darf kein Schaf vom Weg abkommen und ins imaginäre Wasser fallen.

Die Arbeit ist sehr sensibel, erfordert ein hohes Maß an Fingerspitzengefühl. Ist man nervös, überträgt sich das auf die Hunde, sie sind irritiert, machen Fehler. Deshalb ist es besonders wichtig, starke Nerven zu bewahren, eine innere Ruhe auszustrahlen. Denn ist erst einmal etwas schief gegangen, dann zieht sich das durch den gesamten Parcours.

Wie schnell das gehen kann, weiß Sandra Hoch. Die 23-Jährige hatte im Vorjahr den ersten Platz bei dem Wettbewerb in Kroppenstedt errungen. In diesem Jahr sieht es nicht nach einem erneuten Sieg aus. Die Hunde akzeptieren die natürliche Begrenzung nicht, treten über. Sie ist zu aufgeregt, hat eigener Aussage zufolge nicht viel im Vorfeld geübt. Mit 16 Jahren hat sie die Ausbildung im brandenburgischen Schwedt begonnen.

"Ich habe lange ehrenamtlich in einem Tierheim ausgeholfen und liebe Tiere einfach", sagt die junge Frau aus Oderbruch. Ihren Freund und Kollegen, Sascha Bräuning, hat sie während der Ausbildung kennengelernt. Heute arbeiten beide gemeinsam in Bayern und hüten im Auftrag eines Bauern eine Herde mit 800 Schafen. Sascha nimmt wie sie an dem Wettbewerb teil.

Vielen fehlt der Bezug zur Landwirtschaft

Das Reithufen- und Bauernfest wird seit sieben Jahren vom Schafhalterverband Bördeland und Umgebung veranstaltet. Auf der großen Wiese vor der Schäferei von Juliane Liebke wird nicht nur das Preishüten, sondern auch ein Wettpflügen mit Pferden und Oldtimertraktoren gezeigt. Mareike Liebke, die Schwester von Juliane und Tochter von Siegfried Liebke, ist an diesem Tag vor Ort und koordiniert das Geschehen. "Mein Vater hat das Reithufenfest ins Leben gerufen, weil er das Gefühl hat, dass viele Menschen keinen Kontakt mehr zur Landwirtschaft haben", erklärt sie. Siegfried Liebke hat das Gut 1991 gekauft, zehn Jahre später übernahm Juliane Liebke den Schäfereibetrieb. "Die meisten jungen Leute sind zu weit davon abgekommen. Sie lernen in der Schule zwar, wie ein Schaf aussieht, aber der Rest fällt unter den Tisch."

Zu den traditionellen Aufgaben eines Schäfers gehört es, Futterplätze zu finden, die Herde zusammenzuhalten und vor Gefahren zu schützen. Ein Schäfer ist aber auch Landschaftspfleger. Denn die Landschaften, die nicht durch Schafe beweidet werden, würden sonst innerhalb kurzer Zeit mit Bäumen und Sträuchern zuwachsen. Obwohl die Europäische Union gerade deshalb auch Schäfer fördert, entscheiden sich immer weniger junge Menschen für diesen Berufsweg. Außerdem geht der Trend immer mehr zur Koppelhaltung.

Am Ende des langen Tages kommen alle sechs Schäfer mit ihren zwölf Hunden zusammen und warten gespannt auf die Auswertung der Jury. Ihnen geht es nicht um Geld oder einen Pokal – es geht einzig um die Ehre. Dietmar Theuerkauf, der Hauptrichter, ist in seiner Bewertung sehr kritisch. Auf dem letzten Platz landet überraschenderweise die Vorjahressiegerin Sandra Hoch. Ihr Freund hat immerhin den dritten Platz belegt. Auf dem fünften Platz steht der Erfinder des Reithufenfestes, Siegfried Liebke. Den ersten holt sich André Schwendel aus dem niedersächsischen Niederhaferbeck.

Und Opa Werner Strutz hat mit seinem zweiten Platz eindrucksvoll bewiesen, wie wichtig Erfahrung ist. Die Jury ist sichtlich beeindruckt. "Hut ab", lobt Dietmar Theuerkauf. "Von solchen Kollegen brauchen wir mehr."