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Gedenkveranstaltung erinnerte an Zwangsaussiedlung an innerdeutscher Grenze vor 60 Jahren Skulptur macht dunkle Geschichte bewusst

Von Constanze Arendt-Nowak 29.05.2012, 05:34

Noch bis Ende November erinnert am Grenzdenkmal in Hötensleben ein dreiteiliges Skulpturenensemble an eine besonders schwere Zeit vor 60 Jahren. Damals wurde an der innerdeutschen Grenze mit der Zwangsaussiedlung begonnen.

Hötensleben l Der 13. August 1961 mit dem Berliner Mauerbau ist vielen ein bekanntes Datum, eher vergessen ist dagegen der 26.Mai 1952. Dafür, dass dieser Tag, an dem die DDR-Staatsführung mit der völligen Abriegelung der innerdeutschen Grenze und den Zwangsaussiedlungen begann, zukünftig mehr in das Bewusstsein rückt, wurde am Sonnabend am Grenzdenkmal in Hötensleben der Grundstein gelegt. Gemeinsam hatten die Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt, der Grenzdenkmalverein Hötensleben und der Verein Grenzenlos - Wege zum Nachbarn eine Gedenkveranstaltung organisiert. Und damit auch dem Wunsch zahlreicher von der Zwangsaussiedlung Betroffener entsprochen. Auch zukünftig soll regelmäßig am Grenzdenkmal an die sogenannte "Aktion Ungeziefer" erinnert werden.

In der Gedenkveranstaltung am Sonnabend sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff: "Die Zwangsaussiedlungen und die Abriegelung der innerdeutschen Grenze machten Lebensentwürfe zunichte, sie stellten gewachsene Identitäten infrage und zerstörten zwischenmenschliche Beziehungen. Beton, Minen und Stacheldraht waren geradezu eine Existenzbedingung der DDR." An die vielen Schicksalsschläge, von denen sich einige nie wieder erholen werden, erinnerte auch Sachsen-Anhalts Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD), der zugleich auch als Stiftungsratsvorsitzender der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt fungiert. Er erinnerte nicht nur an die Probleme für die Menschen, die ihre Heimat verloren, sondern auch an die Repressalien, die diejenigen erleiden mussten, die im Grenzgebiet geblieben waren. "Ihre Bewegungsfreiheit wurde immer weiter eingeschränkt", so Dorgerloh. Wieviele Menschen an der innerdeutschen Grenze umgekommen sind, ist bis heute umstritten. "Von 270 bis 1393 schwanken die Zahlen", erklärte Reiner Haseloff, der das Grenzdenkmal in Hötensleben als "Apotheke gegen Nostalgie" bezeichnete.

Zum Nachdenken anregen sollte und soll auch das Skulpturenensemble, das Dagmar Calais innerhalb des Grenzdenkmals zwischen dem Kolonnenweg und dem östlichen Grenzsicherungs- und Signalzaun installiert hat. Die Bremer Malerin und Installationskünstlerin hat sich intensiv mit der jüngeren deutschen Geschichte und somit auch mit der Zwangsaussiedlung auseinandergesetzt.

So stellte sie die Jahre seit der Zwangsaussiedlung mit 60 großen Planen dar, auf denen jeweils 200 "Zellen" gemalt sind. Die insgesamt so entstandenen 12000 Zellen stehen für 12000 Menschen, die zwischen 1952 bis 1961 zwangsausgesiedelt worden sind. Fiktive Namen in einzelnen Zellen verleihen dem Kunstwerk Lebendigkeit. Der benachbarte Teil des Kunstwerkes stellt den Grundriss eines Hauses in Stresow an der Elbe dar - einer der Orte, der im Rahmen der Zwangsaussiedlung ausradiert wurde. Auf die "Grundmauern" hat die Künstlerin die Namen von verschwundenen Ortschaften sowie verschiedene Namen der Zwangsaussiedlungs-Aktionen geschrieben. Viele Blicke zog auch der Globus aus Stacheldraht auf sich, er symbolisiert die Sehnsucht der Menschen danach, nicht mehr ein- oder ausgesperrt zu sein.

Die Installation ist noch bis zum 23. November dieses Jahres in Hötensleben zu sehen. "Betrachtet man sie vom Grenzturm aus, dann sieht meine Installation wie ein Ausrufezeichen aus, das einem Aufschrei gleichzusetzen ist", so Dagmar Calais.