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Simson-Leidenschaft Urlaub auf dem Moped: Im Tuckertempo bis nach Tschechien

Die gute alte „Simi“ erfährt derzeit so etwas wie eine Renaissance. Simsonfahren ist in, die Mopeds werden hoch gehandelt. Der Spaßfaktor ist so groß, dass manch einer damit auch zu ganz langen Fahrten aufbricht. Christian Tuch aus Belsdorf zum Beispiel.

Von Ronny Schoof 15.07.2021, 11:46
Solo-Tour aus Leidenschaft zum Moped: Christian Tuch ist vom heimischen Belsdorf aus mit seinem SR 50 bis nach Tschechien getuckert.
Solo-Tour aus Leidenschaft zum Moped: Christian Tuch ist vom heimischen Belsdorf aus mit seinem SR 50 bis nach Tschechien getuckert. Foto: Ronny Schoof

Belsdorf - Mit dem Roller von der Aller bis ins Erzgebirge, das hat Christian Tuch gereizt, als er Ende Juni eine Woche Urlaub hatte. Ursprünglich wollte der 40-Jährige sogar bis nach Prag rollern. Diesen Plan musste er unterwegs dann ändern. Dennoch hat er in den vier Tagen auf der Straße gemütlichen Tempos und mit fünf Tankstopps stattliche 1100 Kilometer heruntergerissen: „Mehr als 58 km/h sind nicht drin“, schmunzelt der Belsdorfer mit Blick auf seinen 1989 in Suhl gebauten Simson Stadtroller 50, kurz SR 50.

Die Art der Tour war für Christian Tuch nicht neu, lediglich die Richtung hat er diesmal gewechselt: „Letztes Jahr bin ich mit dem Moped hoch zur Ostsee gefahren.“ Nun also ging es gen Süden. Solo. Ein paar Tage auf eigene Faust unterwegs, das habe ihm seine Frau gegönnt, weiß sie doch um ihres Mannes Passion für die motorisierten Zweiräder. Tuch nennt noch einige weitere DDR-Zweitakter sein Eigen, schraubt in seiner Freizeit gern daran herum und sitzt natürlich auch leidenschaftlich gern im Sattel seiner Maschinen.

Bequemer als die S 51

„Ich hätte auch die MZ nehmen können“, sagt Christian Tuch, „aber dann kann ich auch gleich mit dem Auto fahren.“ Was er nämlich an der Rollertour sehr schätzt, ist gerade die Gemütlichkeit des Fahrens: „Man sieht etwas von der Umgebung und kommt trotzdem voran.“ Der SR 50 biete dabei im Vergleich zu seiner etwas sportlicher anmutenden Verwandtschaft (S 50 und S 51) einen entscheidenden Reisevorteil: „Der Roller ist bequemer, verfügt über einen guten Sitzkomfort, weil die Sitzfläche breiter ist als bei der S 51, und er hat Trittbrette statt Fußrasten, wodurch man die Beine unterwegs mal anders positionieren kann.“

Ein weiterer Pluspunkt: „Der SR 50 hat 12-Volt-Technik an Bord. Man kann also Handy und Navi aufladen. Außerdem bekommt man überraschend viel Gepäck unter.“ Christian Tuch hat für seine lange Ausfahrt beiderseits einen Tornister am Moped befestigt. Linkerhand fand auch das Zelt noch Platz, die Isomatte hintenauf, und der Verpflegungsbeutel war vorn im Bereich der Lenkachse gut aufgehoben.

Gut gerüstet ging es also los. Dennoch: „Man hört auf jedes Geräusch am Fahrzeug.“ Was ihm seine Sinne auf dem ersten Teilstück vermittelten: „Bis Bernburg hatte ich keine Leistung.“ Nur gut, dass Tuch von Beruf Kfz-Mechaniker ist und das Problem recht fix in Eigenregie beheben konnte: „Der Auspuff war zu. Aber ein Autohaus hat mir freundlicherweise mit dem passenden Werkzeug ausgeholfen, da konnte ich das vor Ort reparieren.“

Ohne Navi aufgeschmissen

Zschopau im sächsischen Erzgebirgskreis war schließlich das erste Etappenziel – nicht von ungefähr, „denn da befindet sich ja die Geburtsstätte der MZ-Motorräder.“ Tuch hat freilich Zeit darauf verwendet, sich beide Werke und das Museum anzuschauen. „Und ich habe einen ehemaligen Werksmitarbeiter getroffen, mit dem ich viel über die MZ-Produktion gesprochen habe.“

Vom Nachtquartier am Stausee Geyer war es am nächsten Tag nur noch ein Katzensprung bis zur tschechischen Grenze. In Karlsbad gönnte sich Tuch eine deftige Portion Gulasch mit Knödel. Die Weiterfahrt nach Prag hat er sich dann geschenkt, „weil ich mich in den vielen Kleckerdörfern etwas verfranst hatte.“ Der amüsante Grund: „Ich hatte mein Navi vorher nicht überprüft und musste nun feststellen, dass Tschechien nicht mit drauf ist. Da bin ich also lieber umgekehrt.“

Stippvisite an der Semperoper

Entschädigt wurde er mit dem „wunderbaren Anblick der Skisprungschanzen in Oberwiesenthal.“ Wintersportlich setzte sich das Sightseeing am dritten Tag in Altenberg mit seiner Bobbahn fort. Von dort noch einmal kurz zum Mittagessen über die Grenze getuckert, ging es wieder gen Heimat – über Dresden mit einer Stippvisite bei Zwinger, Semperoper und Frauenkirche und der Elbe folgend bis nach Meißen. Tag vier erforderte dann erstmals das Anlegen der Regenkombi. Was einem Straßenreisenden wie Christian Tuch jedoch eher ein Lächeln als Frust bereitet.

Zuverlässig „bis auf einen Zündkerzenwechsel kurz vor Schluss“ brachte ihn sein SR 50 über die „Berg-Strecke“ (Freiberg, Bad Schmiedeberg, Wittenberg) zurück in die Börde, und Christian Tuch war zufrieden: „Es war eine tolle Tour, ich habe viele Leute getroffen und interessante Geschichten gehört. Im nächsten Jahr rollere ich auf jeden Fall wieder los. Wohin, das weiß ich noch nicht.“

Ein optischer Höhepunkt der Tour war die Zwischenstation an den Skisprungschanzen in Oberwiesenthal.
Ein optischer Höhepunkt der Tour war die Zwischenstation an den Skisprungschanzen in Oberwiesenthal.
Fotos (2): Christian Tuch