Medizin Ein Herz für Frühchen

Das Harzklinikum in Wernigerode will zum Weltfrühegborenentag ehemalige Frühchen auf dem Markt versammeln.

Von Katrin Schröder 02.10.2016, 09:00

Wernigerode l Was haben die Niagarafälle, das Brandenburger Tor und das Wernigeröder Rathaus gemeinsam? Alle Bauwerke erstrahlen zum Weltfrühgeborenentag am Donnerstag, 17. November, in lila Licht. Dafür sorgt Dieter Sontheimer, Chefarzt der Wernigeröder Kinderklinik. Neben der Lichtaktion unter dem Motto „Purple for Preemies“ (Lila für Frühchen) plant Sontheimer eine Versammlung besonderer Art: Ehemalige Frühgeborene und ihre Eltern sind an dem Tag um 17 Uhr auf den Wernigeröder Marktplatz eingeladen.

1999 ist die Neonatologie in Wernigerode eröffnet worden. Ein Glücksfall, sagt Sontheimer, der seit 18 Jahren im Harzklinikum arbeitet: Nicht nur, dass er beim Umbau mitreden konnte, Mitarbeiter und Leitung zogen mit. Dieter Sontheimer lobt das Team und seinen Arbeitgeber. „Das Harzklinikum hat sich immer kinderfreundlich präsentiert. Das ist nicht selbstverständlich.“

Acht Plätze bietet die Abteilung im Haupthaus an der Ilsenburger Straße. Betreut werden Babys ab der 29. Schwangerschaftswoche. Kinder und Eltern sollen es gut haben, betont Sontheimer, der für eine „menschliche Neonatologie“ wirbt. Das fängt bei der Einrichtung an: Die Wände leuchten in zartem Apricot, von der Decke hängen fröhlich-bunte Mobiles. Die modernen, medizinischen Geräte werden hinter Vorhängen versteckt, solange sie nicht gebraucht werden. „Eine Mischung aus Wohnzimmer und Intensivstation“ soll die Neonatologie sein, sagt Sontheimer.

Dazu gehören bequeme Liegen, um das „Känguruhen“ zu ermöglichen – die Babys liegen auf der Brust von Mutter oder Vater, spüren Haut und Herzschlag. „Das brauchen sie am misten. Es ist so, als würde man die Schwangerschaft zu Ende führen“, sagt Sontheimer. Der gebürtige Heidelberger ist überzeugt, dass Apparatemedizin nicht ausreicht. „Früher hat man die Kinder mit sehr viel Distanz betreut. Das ist völliger Quatsch“, sagt der Chefarzt.

Vertreten haben Sontheimer und seine Kollegen diese Prinzipien in zahlreichen Artikeln sowie bei Fachtagungen, von denen viele im Harz stattfanden. „Diese Ideen haben sich in Deutschland und auf der ganzen Welt durchgesetzt“, sagt Sontheimer. „Doch wir in Wernigerode waren Vorreiter.“

Gut aufgehoben fühlte sich Manuela Algner in der Neonatologie. Ihr Sohn Jonas kam acht Wochen zu früh auf die Welt, wog nur 1350 Gramm. Der Junge hatte arg zu kämpfen, hing an Schläuchen. „Wir hatten natürlich Angst“, sagt die 19-jährige Wernigeröderin. Tag und Nacht wachte die junge Mutter mit Vater Thomas Engel und den Großeltern am Bettchen des Kleinen, der sein Gewicht inzwischen verdoppelt hat und nach Hause entlassen wurde. „Die Eltern haben das toll gemacht“, sagt Sontheimer.

Rund 1500 Frühchen sind in den vergangenen 18 Jahren im Harzklinikum betreut worden, berichtet Dieter Sontheimer. „Die Neonatologie ist erwachsen geworden.“ Aus diesem Anlass will der Mediziner Bilanz ziehen und möglichst viele ehemalige Frühchen auf dem Markt versammeln. Dort sollen sie sich so aufstellen, dass sie die Zahl 18 bilden – für 18 Jahre Neonatologie. „Wer möchte, kann uns seine Geschichte erzählen“, so Sontheimer. Diese könnte in Wort und Bild dokumentiert und Teil einer Ausstellung im Klinikum werden.

Die lila Beleuchtung – die Farbe soll weltweit symbolisch auf den Frühgeborenentag hinweisen – für das Rathaus setzt das I-Tüpfelchen. Die Stadtverwaltung unterstützt das Vorhaben. Oberbürgermeister Peter Gaffert will als Schirmherr die Teilnehmer im Rathaus begrüßen. Ehemalige Frühgeborene und ihre Familien werden gebeten, sich per E-Mail unter weltfruehgeborenentag@harzklinikum.com zu melden.