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Tag des Bieres am 23. April: Wernigerode war einst eine Hochburg für Hopfen und Malz Als hunderte Brauer den Bierdurst löschten

Von Jörn Wegner 23.04.2014, 03:16

Alle möglichen Beeren und Pflanzen sind einst im Wernigeröder Bier gelandet - bis Preußenkönig Friedrich I. der Bier-Anarchie vor gut 300Jahren ein Ende setzte. Zum Tag des Bieres am heutigen Mittwoch erinnern zwei Brauerei-Experten daran, dass Wernigerode einst eine Hochburg ihrer Zunft war.

Wernigerode l Ein frisch gebrautes Bier hat lange Zeit zur Kindererziehung in Wernigerode gehört. "Auch Kinder haben Bier bekommen. Früher konnte noch kein Alkohol gemessen werden", sagt Manfred Förster.

Gemeinsam mit Jürgen Wedde führt er Touristen durch die Wernigeröder Biergeschichte. Wedde ist Fremdenführer mit einer Zusatzqualifikation als Bierbrauer, bei Förster ist es andersherum: Der erfahrene Braumeister hat sich auf Führungen spezialisiert.

Wie viele Brauereien es wann und wo in Wernigerode gab, sei kaum zu beantworten, sagt Förster. Die höchste belegte Zahl sei 148 im Jahr 1870. Das Getränk sei lediglich für den Hausgebrauch und direkten Ausschank hergestellt worden.

Von allzu hoher Qualität sei das Wernigeröder Bier indes nicht gewesen. Alle möglichen Zutaten landeten in den Kesseln - auch Farne und Beifuß. Zu besonderen Anlässen ließen die Wernigeröder lieber Bier aus Franken kommen.

1709 setzte Preußenkönig Friedrich I. der Bierpanscherei ein Ende und erließ ein Gesetz, das das Brauwesen in der Stadt regelte. "Sogar die Maße, in denen das Bier verkauft werden durfte, wurden vorgeschrieben", sagt Förster.

Bis ins letzte Detail schrieb die Verordnung den Brauvorgang vor. Ziel sei, dass "in Wernigeroda ein gutes, gesundes und klares Bier gebrauet" werde, heißt es in dem Gesetzestext. Reichsweite Bedeutung als Bierstadt erlangte Wernigerode im späten 19.Jahrhundert mit der Schreyerschen Brauerei "Zum Auerhahn". Sie wurde 1872 dort gegründet, wo sich heute die Straße Am Auerhahn befindet. Aus einer Schankwirtschaft entwickelte sich an diesem Ort ein größerer Betrieb. Da während des Weltkriegs kriegswichtige Industrien bei der Rohstoffversorgung Vorrang hatten und der Umsatz einbrach, musste die Schreyersche Brauerei 1916 schließen. An selber Stelle wurde die Brauerei unter neuem Namen wiederbelebt: Hasseröder Brauerei AG. Kleinere Brauereien konnten sich nicht mehr gegen den Betrieb behaupten.

Nach wirtschaftlichen Rückschlägen im Zweiten Weltkrieg übernahm Hasse-röder zu DDR-Zeiten eine Versorgungsaufgabe. Manfred Förster berichtet von Schwierigkeiten: "Ich hatte immer zu wenig Leergut. Ohne leere Flaschen konnte man nicht abfüllen und nicht produzieren." Die Brauerei-Mitarbeiter erhielten damals zu ihrem Gehalt Bier in besonders gekennzeichneten Flaschen. Die Versorgungsknappheit führte dazu, dass dieses Bier zu einem begehrten Tauschmittel wurde.

Mittlerweile wird Wernige-röder Bier für die gesamte Bundesrepublik produziert. Am alten Standort der Schreyerschen Brauerei stehen Wohnhäuser. Nach der Wende wurden die gründerzeitlichen Gebäude abgerissen. "Das hätte man heute sicher erhalten", so Förster.