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Baudenkmal Kampf um Erhalt von Rittergut Cattenstedt

Der Kampf um den Erhalt des Ritterguts Cattenstedt währt seit 17 Jahren. Eigentümer und Förderer haben viel geleistet und noch viel Arbeit.

Von Regina Urbat 24.09.2017, 12:22

Cattenstedt l Ein schmaler alter Kutscherweg führt direkt auf das Rittergut Cattenstedt, vorausgesetzt, man hat die scharfe Abbiegung nach rechts gleich hinter dem Ortsschild nicht verpasst. Umrahmt von einer gepflegten Parkanlage thront das Gutshaus. Es wirkt verlassen, ist es aber nicht.

Tanja Gräfling und Christoph Herrfurth öffnen die Tür. Sie sind Gutsfrau und Gutsherr, „aber ohne Gut, um ein Gut zu bewirtschaften“, sagt der 51-Jährige, der als Wirtschaftsförderer bei der Stadtverwaltung Bremerhaven seine „Brötchen“ verdient. Seine Partnerin wohnt ständig auf dem Rittergut, in einem der Knechthäuser, und arbeitet als Physiotherapeutin in Blankenburg. Außerdem kümmert sich die 50-Jährige mit um die 30 Vereinspferde, denn das Rittergut ist Heimstätte des Cattenstedter Parforcejad-Reitvereins.

„Über Arbeit können wir uns nicht beklagen“, sagt Tanja Gräfling. Im Jahr 2000 hat sie als einzige Bieterin das ruinöse Rittergut Cattenstedt bei einer Auktion für rund 300.000 Euro erworben. Vom Einziehen in ein Herrschaftshaus, davon war damals überhaupt nicht zu reden. Vielmehr war es das Landleben in der malerischen Harzumgebung, das sie lockte.

Tanja Gräfling und Christoph Herrfurth hatten zuerst den Plan gefasst, Hotel und ihre gemeinsame Leidenschaft für Pferde zu verbinden. Ihre Idee war, das 1717 erbaute Gutshaus, das dem Verfall preisgegeben war, wieder mit Leben zu erfüllen und so an dessen goldenen Zeiten zu erinnern. Therapeutisches Reiten, barrierefreie Zimmer für pflegebedürftige Urlaubsgäste, „bis zum letzte Teelöffel war alles geplant, das Konzept stand“, sagt Christoph Herrfurth. Aber: „Es lässt sich nicht verwirklichen, zu viele dieser Angebote gibt es bereits in ebenso schönen Lagen.“

Die Elf-Millionen-Euro-Investition, von der damals die Rede war, hängt den Beiden an. „Alle Welt denkt, wir sind die reichen Gutsherren oder meinen, wir haben einen Spleen“, sagt Tanja Gräfling. Dabei habe es sie als Besitzerin hart getroffen. 150.000 Euro Anschlussgebühr an den Abwasserverband, obwohl das Rittergut gar nicht angeschlossen ist, muss sie bezahlen. Bis zum Oberverwaltungsgericht habe sie geklagt und verloren. Mit diesen Kosten obendrauf, sei sie nun arg verschuldet.

Doch alles hinschmeißen, einfach wegziehen, das möchte sie nicht. Dafür hat das Duo gemeinsam mit dem 2003 gegründeten Förderverein zum Erhalt des Baudenkmals und mit den Reitsportlern schon zu viel geschafft. Auch ist einiges Fördergeld zum Denkmalschutz geflossen. „Doch es reicht noch lange nicht. Alte Stiche, Auszüge aus Chroniken, historische Fotos, die beide bei ihren Recherchen gefunden haben oder geschenkt bekamen, hängen gerahmt an Wänden. „Sie spornen uns an, für den Erhalt weiter zu kämpfen“, sagt Christoph Herrfurth und fügt mit Blick auf ein Foto hinzu: „Ja, das waren wohl sehr schönen Zeiten, bevor der letzte Gutsherr, 1945 seinen Besitz verlor.“

So richtig zugesetzt habe es dem Anwesen, als 1994 die letzten Mieter ausgezogen sind und das Rittergut jahrelang leer stand. „Wir haben monatelang entrümpelt und aufgeräumt,“ erinnert sich Herrfurth. Dokumentiert habe er es nicht. „Schade, aber wir wollen nach vorn schauen.“ Nebengebäude, zu DDR-Zeiten von der LPG genutzt, wurden zu Pferdeställen, aus dem Schafstall entstand die Reithalle. Ein Gewölbekeller, wo Obst gelagert war, ist heute das Vereins-Casino „Zum Halali“. Das Hauptaugenmerk lag zudem auf der Sicherung der Dächer, das Gutshaus wurde völlig entkernt. „Hier steht quasi ein Rohbau mit einer robusten Substanz“, sagt Christoph Herrfurth und wagt den Blick in die Zukunft.

Das Gutshaus mit Blick in den Park, einer Streuobstwiese und Teich ließe sich vielfältig nutzen. „Zum Beispiel eine Wohnresidenz“, sagt Tanja Gräfling. Ihr Partner ergänzt: „Je nach Bedürfnis und Agilität könnten sich die Bewohner auf dem Gut betätigen, als Hobby-Gärtner, Handwerker, Kleintiere halten, für ein Hof-Café kochen oder backen.“ Und sollten Interessenten ganz andere Ideen haben, dann seien Gutsfrau und Gutsherr auch dafür offen.

Eine kleine Gemeinschaft von derzeit 20 Personen gehört zu den Förderern des Cattenstedter Ritterguts. Zusammengeschlossen haben sie sich im Verein „Erhalt und Pflege des Baudenkmals Rittergut Cattenstedt“, der vor etwa 14 Jahren ins Leben gerufen wurde. Präsident ist Christoph Herrfurth, Vizepräsident Christoph Wetzel, Schatzmeister Ulrich Braem und Schriftführerin Tanja Gräfling.

Im Jubiläumsjahr „300 Jahre Gutshaus“ nutzte der Verein das Festkonzert am 9. Juli 2017 – ein musikalisches Jagdvergnügen unter dem Motto „Barockmusik und Pferde“, um für neue Mitglieder zu werden. Im Schatten der vielen Förderer für das Große Schloss Blankenburg keine leichte Aufgabe. Dennoch geben die Rittergut-Förderer nicht auf, vor allem aus der Region Mitstreiter zu gewinnen, um auch im Blankenburger Ortsteil Cattenstedt ein Stück wertvolle Geschichte zu erhalten und einer späterer Nutzung zuzuführen. Kontakt zum Förderverein Rittergut Cattenstedt, Gutshof 2, in 38889 Cattenstedt, über Telefon: 0151-425 33 747.