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Denkmal Kirchenretter bangen wegen Eigentumsfrage

Überraschung in Elend: Die Holzkirche gehört der Stadt. Nun soll rasch ein neuer Eigentümer gefunden und ein Förderantrag gestellt werden.

Von Katrin Schröder 26.03.2020, 00:01

Elend l Eine Kirche gehört der Kirche – das ist doch keine Frage. Oder? Im Falle der Holzkirche in Elend überraschte die Antwort alle Beteiligten. Denn das Gotteshaus zählt zum Besitz der Stadt Oberharz am Brocken. Das hat sich erst Ende Januar herausgestellt, als für einen Förderantrag ein Eigentumsnachweis her musste. Daher wurde erstmals seit langem ein Blick ins Grundbuch geworfen. „Zuvor hat nie jemand nachgefragt, wem die Kirche gehört“, sagt Bürgermeister Ronald Fiebelkorn (CDU).

Ebenso staunte der Elbingeröder Pfarrer Ernst Wachter – Elend gehört zum Einzugsbereich der evangelischen Regionalgemeinde Stadtkirche Elbingerode. „Uns war viele Jahre lang nicht klar, dass die Kirche uns gar nicht gehört“, sagt Wachter. Gemeinde und Kirchenkreis hätten das Elender Gotteshaus wie ihr Eigentum behandelt und entsprechend gepflegt. „Das war in Ordnung, denn wir haben die Kirche ja genutzt“, so Wachter.

Für die Zukunft der Kirche ist die überraschende Entdeckung aber zum Problem geworden. Hintergrund ist, dass der Förderverein „Kleinste Holzkirche Elend“ sich die Rettung des Gotteshauses auf die Fahnen geschrieben hat. Dafür sammeln die Mitglieder seit Gründung im vergangenen Sommer Spenden und planen eine Instandsetzung, die nach derzeitigem Stand drei Bauabschnitte umfassen soll (die Volksstimme berichtete).

Im ersten Bauabschnitt sollen laut Plan der Turm und seine Fassade saniert sowie weitere bisher nicht zugängliche Stellen auf Schäden untersucht werden. Knapp 230 000 Euro kostet nach derzeitigem Stand allein die Turmsanierung – dies ist allerdings auch der aufwendigste und wichtigste Teil, sagt Pfarrer Ernst Wachter, der sich als Vereinsmitglied weiter um die Sanierung bemüht.

Das Geld wollen die Kirchen-Retter über das Leader-Programm beantragen, doch dazu muss vorher die Eigentumsfrage neu geregelt werden. Denn die Oberharzstadt kann kein Fördergeld für eine Sanierung beantragen, wenn sie dies vorfinanzieren und einen 25-prozentigen Eigenanteil aufbringen muss – beim Leader-Programm ist das aber Pflicht. „Wir können uns das nicht leisten“, sagt Bürgermeister Ronald Fiebelkorn.

Damit sie gerettet werden kann, braucht die Kirche rasch einen neuen, finanziell beweglichen Besitzer. Die Stadt würde das Gebäude abgeben. Ob ein Pachtvertrag ausreicht oder ob das Haus für einen symbolischen Preis verkauft werden muss, ist noch nicht abschließend geklärt. Die Stadt würde dem nicht im Weg stehen. „Wir sind daran interessiert, dass es weiterläuft“, sagt Fiebelkorn, der das Engagement des Fördervereins lobt. Für den Ort sei es wichtig, die Kirche zu erhalten. „Das ist ein Alleinstellungsmerkmal für Elend.“

Das sehen die Mitglieder des Fördervereins genauso. Neben dem Erhalt der Kirche als Bürgerhaus, das Raum für Versammlungen und Veranstaltungen bietet, schwebt ihnen eine weitere Nutzung vor. „Wir wollen aus dem Gebäude eine kleine Hochzeitskirche machen“, sagt Isolde Förster vom Vereinsvorstand. Das sei möglich, sagt Fiebelkorn. Anfragen habe es bereits gegeben.

Der Förderverein könne das Gebäude jedoch nicht kaufen, sagt Ulrich Förster. „Wir möchten gerne zur Erhaltung beitragen und Veranstaltungen organisieren, aber die Verantwortung für ein Denkmal zu übernehmen, ist noch einmal etwas ganz anderes“, sagt der Vereinschef.

Daher haben sich die Mitglieder auf die Suche nach möglichen Kirchen-Eignern begeben und eine Stiftung gefunden, die Interesse bekundet hat, berichten Isolde und Ulrich Förster. Das endgültige Ja der potenziellen Neu-Eigentümer steht aber noch aus, ebenso wie eine Reihe von Beschlüssen, die der Verein fassen müsste. Doch wegen der Corona-Pandemie mussten geplante Vereinstreffen und Veranstaltungen abgesagt werden.

Dabei drängt die Zeit: Ende April muss der Förderantrag beim Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten (ALFF) vorliegen. Dort wird das Leader-Programm verwaltet. Es ist die letzte Gelegenheit, in der laufenden Förderperiode Geld zu beantragen, betont Ernst Wachter. Frühestens 2023 könnten für die folgende Förderperiode Anträge gestellt werden – und ob dann Geld für eine Kirchensanierung bereitgestellt werde, stehe in den Sternen. Daher warnt er: „Wenn wir das verpassen, sieht es für das Gebäude ganz schlecht aus.“

Ein weiteres Problem ist der bei Leader geforderte Eigenanteil, der sich auf rund 55 000 Euro beläuft. Um diesen aufzubringen, will der Förderverein noch verschiedene andere Fördertöpfe anzapfen und sammelt Spenden. Mehr als 21 000 Euro liegen bereits auf dem Spendenkonto, berichtet der Vereinsvorsitzende Ulrich Förster. Mit dem, was die Kirchengemeinde beitragen könne, komme man auf knapp 30 000 Euro, sagt Pfarrer Wachter. Ein künftiger Eigentümer brauche daher die Sicherheit, dass das fehlende Geld aufgebracht werde – oder ganz viel Vertrauen in die Kirchen-Retter. Deshalb hofft er ebenso wie der Vereinschef, dass das Vorhaben in letzter Minute vor dem Scheitern bewahrt wird. „Sonst würde sich niemand mehr um das Gebäude kümmern“, so Förster.

Fest steht: Die evangelische Kirche wird das Gotteshaus nicht übernehmen. „Dafür gibt es gute Gründe“, sagt Ernst Wachter. Diese liegen auch in der besonderen Kirchengeschichte der drei Orte Elbingerode, Königshütte und Elend, die einst zum Königreich Hannover gehört haben. „Früher gab es in Elend nur einen Betsaal, in Königshütte eine kleine Kapelle“, berichtet Wachter. Elbingerode hingegen hatte seit 1863 die Stadtkirche, die nach dem verheerenden Stadtbrand auf Geheiß von König Georg V. gebaut wurde. „Zu den Gottesdiensten ging es nach Elbingerode – zu Fuß oder mit der Kutsche.“ Kinder und insbesondere Konfirmanden mussten mehrmals die Woche gehen, so der Pfarrer.

Doch die Königshütter wollten nachziehen und erhielten die Erlaubnis, 1890 in jedem der damaligen beiden Ortsteile ein kombiniertes Schul- und Kirchengebäude zu errichten. Die Kirche im Ortsteil Königshof überlebte den Zweiten Weltkrieg nicht: Die Alliierten bombardierten im April 1945 die „Festung Harz“, und die Kirche, in der zu dem Zeitpunkt tausende Filmrollen des Babelsberger Filmstudios Ufa lagerten, ging nach einem Granatentreffer in Flammen auf.

In Elend kam man erst einige Jahre nach den Königshüttern auf die Idee, eine eigene Kirche bauen zu wollen, erhielt aber aus Hannover eine Absage. Daraufhin errichteten die Elender Bürger 1897 in Eigeninitiative ihr Kirchlein – kaum mehr als eine Scheune auf fünf mal elf Metern, mit Dachreiter und einer kleinen Glocke, die in Elbingerodes Kirche nicht mehr gebracht wurde. Erst 1904 erhielt das Gebäude Turm und Apsis – dank des in Elend geborenen Kommerzienrates George Schlägel, der seinem Heimatort ein standesgemäßes Gotteshaus spendieren wollte. Andere Elender ließen sich nicht lumpen und stifteten unter anderem Taufstein, Kanzel und Kirchenfenster. „Sie haben sich überboten“, so Wachter.

Für ihn ist klar: „Diese Kirche ist als eine echte bürgerschaftliche Kirche entstanden. Es wäre anachronistisch, das rückgängig zu machen.“ Zudem sei es schwer zu rechtfertigen, dass die Kirche in einem Ort mit 30 Gläubigen viel investiere, während andernorts Gebäude abgegeben würden.

Informationen im Internet unter www.holzkirche-elend.de. Spendenkonto des Fördervereins: IBAN: DE93 8105 2000 0901 0666 21