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Handwerker Der Präsident aus dem Harz

Andreas Dieckmann aus Elbingerode ist neuer Präsident der Handwerkskammer Magdeburg. Wie er Jugendliche zu einer Ausbildung im Handwerk ermutigen möchte und welche Forderungen er an die Politik stellt.

05.11.2023, 10:30
Andreas Dieckmann aus Elbingerode ist neuer Präsident der Handwerkskammer Magdeburg.
Andreas Dieckmann aus Elbingerode ist neuer Präsident der Handwerkskammer Magdeburg. Foto: Anne-Kristin Gotot/ Handwerkskammer Magdeburg

Seit dem 10. Oktober ist Andreas Dieckmann aus Elbingerode neuer Präsident der Handwerkskammer Magdeburg. Der Raumausstattermeister aus dem Oberharz ist damit offizieller Repräsentant von 11.300 Handwerksbetrieben mit etwa 63.000 Beschäftigten. Zum Start in das neue Amt antwortete Andreas Dieckmann auf die Fragen von Volksstimme-Redakteurin Uta Elste.

Volksstimme: Welche Schwerpunkte wollen Sie in Ihrer fünfjährigen Amtszeit setzen?Andreas Dieckmann: Ich möchte nah an den Handwerksbetrieben sein und viel mit ihnen kommunizieren. Handwerkspolitisch werde ich die berufliche Bildung stärker in den Fokus rücken. Die Ausstattung der Berufsschulen muss verbessert und ihre Digitalisierung vorangetrieben werden. Dabei ist es auch wichtig, dass wir die Berufsschullehrer von den digitalen Methoden überzeugen können. Es geht mir um eine „Exzellenz-Initiative“ für die berufsbildenden Schulen, die von Bund und Ländern getragen wird – so etwas darf es nicht nur für Hochschulen geben. Ein weiteres Schwerpunktthema: „Neue Meister/Unternehmer braucht das Land.“ Ich möchte Gründungsinitiativen für Betriebsübernahmen vorantreiben, ähnlich den damaligen Ich-AGs. Grundvoraussetzung dafür ist eine umfassende Entbürokratisierung, zum Beispiel muss das Vergabegesetz dringend vereinfacht werden. Insgesamt müssen wir mehr Druck auf die Bundes- und Landesregierungen ausüben. Alle Wirtschaftskammern müssen hier gemeinsam vorangehen und mit einer Stimme sprechen. Herausforderungen, die wir im Land haben, können wir nur gemeinsam beeinflussen. Beispiel öffentlicher Nahverkehr: Hier geht es um Ausbau und Anpassungen in den Fahrplänen. Der Weg zur Berufsschule darf sich nicht verkomplizieren oder schier unmöglich werden. Von der Politik fordere ich Verlässlichkeit, Planbarkeit und vor allem Verständlichkeit in Hinblick auf die Entscheidungen.

Der Mangel an Fachkräften ist eines der wichtigsten Themen. Welche Ideen wollen Sie umsetzen, um dieses Problem zu mildern?Ich werde mich dafür einsetzen, dass bei der Berufsorientierung an den Gymnasien in Sachsen-Anhalt Handwerksberufe eine größere Rolle spielen. Für eine gezielte Fachkräfte-Zuwanderung müssen wir unsere Willkommenskultur stärken und ausbauen. Junge Menschen mit Lernbeeinträchtigungen sollten mit gezielten prüfungsvorbereitenden Kursen unterstützt werden. Außerdem gilt es, die Ausbildungsqualität in Handwerksbetrieben zu steigern, unter anderem mit innovativen Ideen zur Azubi-Bindung und Azubi-Suche

Vielfalt in der Ausbildung

Stellen Sie sich vor, Sie sollten einen jungen Menschen von einer Ausbildung im Handwerk überzeugen. Wie würden Sie argumentieren?Eine Ausbildung im Handwerk bietet die Chance, nicht nur an der eigenen Zukunft, sondern an der unseres Landes zu schrauben! Ob technisch oder künstlerisch, bei Transformationsaufgaben oder in der täglichen Versorgung: Die Vielfalt der 130 unterschiedlichen Ausbildungsberufe im Handwerk bietet jeder und jedem die Möglichkeit, einen Job mit Sinn, Sicherheit und Zukunft zu finden. Deshalb kann ich nur ermuntern: Kommt ins Handwerk! Startet im Handwerk eine Ausbildung!

Welche Möglichkeiten werden für junge Menschen geboten, die sich für eine Ausbildung im Handwerk interessieren, aber bei den Voraussetzungen – Stichworte Schulnoten, sprachliche Hürden – Nachhilfe benötigen?Wir vermitteln solche Jugendlichen in die Assistierte Ausbildung. Über dieses Programm erhalten sie – in Zusammenarbeit mit den regionalen Agenturen – Nachhilfe und sozialpädagogische Unterstützung in ihrer Region.

Welche Chancen haben eigentlich Menschen, die sich nach einigen Jahren in anderen Berufen einen Wechsel ins Handwerk vorstellen könnten?Es gibt die Möglichkeit der Externenprüfung im Gesellenbereich, wir vermitteln in Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit Umschulungen und es gibt die klassische Fortbildung zum Meister.

Solide Netze fehlen im ländlichen Raum

Digitalisierung ist auch für das Handwerk wichtig. Wie schätzen Sie den Stand der Dinge ein und wo müsste gegebenenfalls nachgebessert werden?Unsere Betriebe sind hier bereits auf einem guten Weg. In den Gesundheitshandwerken ist der Digitalisierungsgrad zum Beispiel bereits sehr hoch. Das Handwerk sollte die Chancen der Digitalisierung nutzen, um die eigenen Betriebs- und Arbeitsabläufe effizienter zu gestalten, Stichwort Fachkräftemangel, und um über Online-Medien ihre Sichtbarkeit nach außen zu erhöhen, Stichwort Nachwuchsgewinnung, Fachkräfte-Ansprache, Darstellung des Leistungsangebotes etc. Dabei unterstützen wir unsere Mitgliedsbetriebe mit Informations- und Beratungsangeboten. Die Voraussetzungen für die Digitalisierung sind in Sachsen-Anhalt noch sehr unterschiedlich, vor allem im ländlichen Raum fehlt es oftmals noch an der Grundausstattung wie einem soliden Netzausbau. Wir wünschen uns eine stärkere Digitalisierung der Verwaltung bei gleichzeitiger Bürokratieentlastung. Wir brauchen mehr Förderanreize, die Fördertöpfe für Digitalisierungsmaßnahmen waren in der Vergangenheit zu schnell ausgeschöpft.

Wie viele Stunden pro Woche werden Sie für Ihr Amt aufbringen und wie wollen Sie das mit Ihrer aktuellen beruflichen Tätigkeit in Einklang bringen?Regelmäßig wird es eine offene Sprechstunde für Handwerker in der Handwerkskammer Magdeburg geben. Zusätzlich werde ich natürlich an diversen Terminen teilnehmen, die mit dem neuen Amt zusammenhängen. Ich kann auf meine Frau und Familie zählen und weiß, dass meine Mitarbeiter eigenverantwortlich und verlässlich arbeiten. So ist es im Grunde nur möglich, meiner neuen Position als Präsident und als Geschäftsführer meines Betriebes gleichermaßen gerecht zu werden. Kommunikation und gute Vernetzung sind hier besonders wichtig.

Welche Pläne haben Sie für die ersten Wochen als Präsident der Handwerkskammer Magdeburg?Ich muss erst einmal ankommen in meinem neuen Amt. Ich möchte die Mitarbeiter in der Handwerkammer Magdeburg, dem Berufsbildungszentrum und der Schweißtechnischen Lehranstalt in Barleben kennenlernen und die Strukturen und Arbeitsweisen/Funktionen verstehen. Natürlich werden diverse Antrittsbesuche geplant. Es ist wichtig, sich gut zu vernetzen und dies als Basis für die Arbeit als Präsident zu nutzen.