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Fashion Week Aus dem Nordharz auf Berliner Laufsteg

Eine junge Frau aus dem Nordharz-Ort Langeln will die Modewelt erobern. Sie stellt ihre Entwürfe auf der Fashion Week in Berlin vor.

Von Jörg Niemann 06.01.2019, 00:01

Langeln/Berlin l Die Aufregung ist der 27-jährigen Vanessa Werner schon Wochen vor dem großen Ereignis anzusehen. Sie zieht es in die Modewelt: Am Eröffnungsabend der Fashion Week in Berlin wird sie gemeinsam mit anderen Ex-Studenten der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft – der Designerschmiede der Bundeshauptstadt – während des Sonderformats „Neo Fashion“ ihre ersten eigenen Entwürfe einem breiten Publikum vorstellen. Wie schafft es eine junge Frau aus dem ländlich geprägten und vergleichweise verträumten Dörfchen Langeln in die bunte, schillernde Welt der Mode? Ganz einfach - mit Leistung und Fleiß.

„Ich habe meinen erweiterten Realschulabschluss mit einem Durchschnitt von 1,1 geschafft und mich danach für eine Berufsausbildung als Friseurin beworben“, sagt Vanessa Werner. Das sorgte bei vielen Menschen im Umfeld zunächst für Kopfschütteln, änderte sich aber schlagartig, als in Langeln durchsickerte, dass Vanessa diese Ausbildung bei Promi-Friseur Udo Walz in Berlin begann. „ Es sollte unbedingt etwas Kreatives sein. Und Frisieren ist ja wirklich mehr als nur Haare abschneiden“, sagt Vanessa Werner, die ihren Berufsabschluss erfolgreich meisterte.

Und wer bei Udo Walz arbeitet, der darf früher oder später auch mal an der Köpfe der Reichen und Schönen heran oder lernt diese zumindest aus nächster Nähe einmal kennen. Deshalb veränderte eine Begegnung mit der US-Schauspielerin Sarah Jessica Parker die Karriere der Langelnerin entscheidend. „Ich habe ihren Look bewundert, der eine ganz besondere Aura hinterlässt. Und da war mir klar: So etwas würde ich gern einmal auf die Beine stellen“, sagt sie.

Aber dazu waren wieder zwei Dinge nötig, die sie bereits zu Udo Walz brachten: Fleiß und Leistung. Vanessa holte nach der Arbeit ihr Abitur nach, schaffte auch dort einen guten Abschluss und bewarb sich an der Hochschule in Berlin. Um das Studium zu finanzieren, jobbte sie nebenbei weiter, darunter auch bei Udo Walz. „Die Arbeit in seinen Salons hat mir auf meinen Weg in vielerlei Hinsicht geholfen. Ich habe ihm sehr viel zu verdanken“, sagt die Langelnerin, die nun auf dem Weg in die Haute Couture – die hohe Schneiderkunst – ist und sich dabei das Nähen autodidaktisch erarbeitet hat.

Im Rahmen ihres Studiums hat sie erste eigene Entwürfe für Damen erarbeitet und sich damit mit anderen Studenten für die Neo Fashion-Show im Rahmen der in Kürze beginnenden Fashion Week in Berlin beworben. „Eine Unmenge Studenten und Jungdesigner stellten sich einer aus 30 Fachleuten bestehende Jury. Nur die Besten bekamen die große Chance und ich gehörte dazu. Jetzt darf ich mit 14 Kollegen die Eröffnungsshow in Berlin mitgestalten“, ist Vanessa Werner sichtlich stolz.

Und seitdem dies feststeht, wird alle Kraft in die erste Kollektion gesteckt, die im Rahmen des Bachelorstudiums entstand. „21 Teile darf ich vorführen und in denen steckt jede Menge Arbeit. Die Show ist das Ergebnis von 1024 Arbeitsstunden in kompletter Handarbeit. 66 Meter Stoff, 80.000 Perlen und 3600 Blüten wurden verarbeitet“, so Vanessa Werner, die ihre Kollektion „Retrofuturismus“ nennt und auch ein ganz klein wenig Harzer Heimat thematisch verarbeitet. So ist das Design eines Kleides einer Birke nachempfunden – interessant und chic zugleich. Beim Umsetzen der Ideen war Hilfe nötig und die kam vor allem von Vanessas Mutter Britt, die sich fleißig an den Werken ihrer Tochter beteiligt und ebenfalls schon zig Stunden an der Nähmaschine verbrachte.

Die Fashion Week in der Bundeshauptstadt wird der erste große Auftritt der jungen Designerin sein. Was danach wird, ist offen. „Ich habe bereits jetzt einige Angebote und Anfragen, eine davon sogar aus Paris. Aber ich werde erst einmal abwarten, wie die Fashion Week läuft und danach entscheiden, wie mein weiterer beruflicher Werdegang sein wird“, sagt Vanessa Werner, die inzwischen in Berlin wohnt.

Nach Langeln zur Familie und zu Freunden kommt sie dennoch gern, wenngleich in anderer Aufmachung. „Das hat nichts mit Hochnäsigkeit oder Eitelkeit zu tun, es ist ganz einfach Realität, dass man sich in der Berliner Modewelt anders anzieht als zum Schützenfest in Langeln. Und deshalb habe ich zum Beispiel zwei Kleiderschränke - den einen für Berlin, den anderen für alles andere“, sagt die Designerin, die trotz des Erfolgs ihre Wurzeln nicht vergessen hat und sich im Volksstimme-Gespräch als absolut bodenständig präsentiert. Sie, die nichts geschenkt bekommen hat, sondern sich alles bisher Erreichte erarbeiten musste, weiß, dass die Glitzerwelt letztlich nur schöner Schein ist.

Nach Langeln zurück soll es gern und möglichst auch oft gehen. Aber wieder im Nordharz zu wohnen, das ist für das aufstrebende Designer-Talent zurzeit keine Option. „Es sind letztlich irgendwie zwei Welten“, sagt Vanessa Werner, die sich aber in beiden heimisch fühlt.

Und nicht wenige Langelner, die die 27-Jährige seit vielen Jahren kennen, sind ein wenig stolz auf das, was eine junge Frau aus ihrem Ort geschafft hat. Sie hat gezeigt, dass man mit der richtigen Einstellung und klaren Zielen seinen Weg gehen kann. Auch wenn oder gerade weil sie aus einem kleinen Nordharz-Dorf kommt.