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Finanzmisere  Landrat streicht Kultur-Zuschüsse

Landrat Martin Skiebe (CDU) muss im Kreisetat mit massiven Mehrausgaben rechnen und striken Sparkurs fahren. Nun tanzt der Rotstift.

Von Dennis Lotzmann 11.08.2019, 01:40

Blankenburg/Halberstadt l Wo bei den Finanzen den Rotstift ansetzen? Wie den gordischen Knoten beim problembeladenen öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) zerschlagen? Und vor allem: Wie die zahlreichen Baustellen auf kreislicher Ebene fertigstellen? Landrat Martin Skiebe startet nach der Sommerpause mit einem Mammutprogramm in die neue Legislaturperiode des Kreistags. Eines ist dabei klar: Schon in der ersten Sitzung am 28. August stehen unpopuläre Entscheidungen auf der Tagesordnung. Der ÖPNV kostet 2019 aufgrund der Nachwehen der Fahrplanmisere eine Million Euro zusätzlich. Das Geld soll zu den Harzer Verkehrsbetrieben (HVB) fließen, die finanziell in Schieflage sind. Um zumindest einen Teil dieser ungeplanten Mehrausgaben aufzufangen, will Skiebe bei der Kultur den Rotstift ansetzen: Die jährlich freiwillig gezahlten jeweils 200.000 Euro vom Kreis für die Feininger-Galerie in Quedlinburg und das Kloster Michaelstein in Blankenburg sollen deutlich reduziert werden.

Um hier fristwahrend zu agieren, hat Skiebe dem Kloster Michaelstein bereits Ende Juni die Kündigung des Zuschusses zum 1. Januar 2020 zukommen lassen. Der Eingang, so heißt es seitens des Landes, soll haarscharf vor Ablauf der sechsmonatigen Kündigungsfrist erfolgt sein. Skiebe will sich diese Kündigung Ende August rückwirkend vom Kreistag absegnen lassen und zugleich grünes Licht für die analog geplante Kündigung für die Lyonel-Feininger-Galerie holen. Hier gibt es eine dreimonatige Kündigungsfrist.

Egal, ob der Kreistag Skiebes Vorstößen am 28. August folgt, ist dessen Ansinnen klar: Die je 200.000 Euro sollen fallen. Gleichzeitig hofft Skiebe auf ein Mandat für neue Verhandlungen mit den Trägern von Kloster und Galerie, um die Kostenbelastung für den Landkreis „deutlich“ zu reduzieren, die Finanzierung beider Einrichtungen aber zu sichern.

Bei der Kulturstiftung des Landes und indirekt im zuständigen Kulturministerium schrillen ob dieser Entwicklung alle Alarmglocken. „Bliebe es bei diesen Kürzungen, wären die Auswirkungen fatal. Ich kann bei Feininger und im Kloster nicht einfach 400.000 Euro kompensieren, dafür sind die Fixkosten einfach zu hoch“, skizziert Claus Rokahr, Verwaltungsdirektor der Landes-Kulturstiftung, das Dilemma.

Angesichts der Signale vom Landkreis Harz glühen zwischen Kulturministerium und dem für die Genehmigung kommunaler Etats zuständigen Innenministerium bereits die Drähte. Kernfrage dabei: Wie groß ist der Sparzwang beim Harzkreis tatsächlich, um in derartige Kündigungen freiwilliger Leistungen münden zu müssen?

Landrat Skiebe hätte, wäre er am Freitag nicht urlaubsbedingt abwesend gewesen, diese Frage sehr wahrscheinlich mit „sehr hoch“ beantwortet. Denn Skiebe befindet sich immer noch im Kampf um die Genehmigung des Nachtragsetats für die Jahre 2018/2019. Diesem war im April vom Landesverwaltungsamt die Genehmigung versagt worden.

Wie man im Landratsamt die aktuelle Situation mit Blick auf die ausgesprochene und im Raum stehende Kündigung bewertet, blieb am Freitag offen – andere leitende Mitarbeiter waren zu einem Gespräch kurzfristig nicht bereit. Anfragen bitte nur schriftlich, Antworten frühestens am Montag hieß es aus der Pressestelle.

Derweil rumort es nicht nur an der Spitze der Kulturstiftung, sondern längst auch in Blankenburg. Dort sehen Kreistagsabgeordnete Skiebes Pläne kritisch.

Dass der Landkreis seine Zuschüsse für das Kloster Michaelstein mit seiner weit über die Kreis- und Landesgrenzen ausstrahlenden Musikakademie sowie für die weltweit einzigartige Lyonel-Feininger-Galerie in Quedlinburg eindampfen will, erfuhren die Kreistagsmitglieder erst mit jenen beiden Beschlussvorlagen.

Das überraschende Vorpreschen des Landrats sorgt für Unmut. Vor allem die Tatsache, dass Skiebe über die Vertragskündigung nicht sofort in der ersten Kreistagssitzung am 3. Juli informiert hatte, obwohl er sie mit Blick auf das Kloster Michaelstein schon Ende Juni unterzeichnet und versandt hatte.

Auch inhaltlich herrscht in Blankenburg Verärgerung: „Die Finanzierung der Kulturstätten Kloster Michaelstein und Feininger-Galerie steht auf drei Füßen: Land, Landkreis und jeweilige Stadt. Wir befürchten, wenn der Landkreis jetzt eine ,deutlich geringere Kostenbelastung‘ anstrebt, wackelt das über Jahrzehnte bewährte Finanzierungsmodell“, erklärten Christine Engel und Johannes Spiegel (Bündnis 90/Die Grünen). Aus Sicht der beiden Blankenburger ist dies nicht hinnehmbar: „Bei der Kultur zu sparen, ist ein Einschnitt in die Lebensqualität im Harzkreis und schwächt seine touristische Attraktivität“, so die beiden Kreistagsmitglieder, die ankündigen, Skiebes Vorstoß nicht zuzustimmen.

Blankenburgs Bürgermeister Heiko Breithaupt (CDU) erinnert daran, dass er erst im vorigen Jahr für die Stadt gemeinsam mit der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt eine neue Mitfinanzierungsvereinbarung für das Kloster Michaelstein unterzeichnet hatte. „Trotz angespannter Haushaltslage haben wir uns langfristig zu dem über die Landesgrenzen hinaus bedeutenden und wirkenden Kloster Michaelstein bekannt und stellen jährlich 50.000 Euro zur Verfügung.“ Früher waren es nach Rokahrs Worten mal 60.000 Euro.

Für dieses Engagement, so Breithaupt, gebe es viele Gründe: „Das ehemalige Zisterzienser-Kloster Michaelstein ist ein Ort kultureller Vielfalt um Natur, Klostergeschichte und Musik an der Straße der Romanik. Das Museum ist ein ganzjähriger touristischer Anziehungspunkt neben der Musikakademie Sachsen-Anhalt. Zudem wurden die Klostergärten 2018 ins landesweite Netzwerk Gartenträume aufgenommen.“ Weiterhin sei das Kloster-Team ein „fester verlässlicher Partner für die touristische Entwicklung der Stadt und unseres Landkreises. Ich halte das gemeinsame Engagement von Stadt und Landkreis beim Kloster Michaelstein für unverzichtbar“, macht das Stadt- oberhaupt deutlich.

Deshalb habe er den Landrat in einem Scheiben bereits gebeten, die Unterstützung des Kreises bei der Kulturstiftung auf gleichem oder vertretbarem Niveau fortzuführen. Gleichzeitig kündigt Breithaupt an: „Wir als Stadt stehen zu unserer Vereinbarung.“ Als Mitglied des Kreistages sei es seinem Verständnis nach unabdingbar, ein Gesamt-Konsolidierungskonzept für den Kreishaushalt aufzustellen, in dem die Vorschläge zur Konsolidierung gebündelt werden. Erst dann könne entschieden werden, welches Engagement in den kommenden Jahren wie fortgeführt werden kann oder eben auch nicht. „Da das Land Sachsen-Anhalt, der Landkreis Harz und die Stadt Blankenburg gemeinsam Finanzierungspartner beim Kloster sind, sehe ich hier auch einen Vorrang im Haushaltsplan des Landkreises für die Folgejahre.“

Für Breithaupt zeigt die jetzige Situation wieder deutlich, dass Sachsen-Anhalts Landkreise, Städte und Gemeinden seit Jahren unterfinanziert sind: „Die Entscheidungsträger vor Ort müssen nun wieder Lösungen finden, und das werden wir auch. Aber die kommunale Handlungsfähigkeit sehe ich zunehmend bedroht, wenn der Finanzausgleich nicht fairer gestaltet wird. Für einige Städte ist dieser Zug bereits abgefahren“, befürchtet er.

Sozialdemokrat Philipp Eysel erscheint das Vorgehen des Landrates „eher unglücklich“, wie er sagt. Grundsätzlich halte er es zwar für richtig, dass der Landkreis aufgrund seiner Haushaltslage alle sogenannten freiwilligen Leistungen in Frage stelle und deren Fortbestand prüfe. „Keinesfalls in Frage zu stellen ist dabei aus meiner Sicht der Fortbestand des Klosters Michaelstein in seiner heutigen Form, auch wenn die Frage nach der Verteilung der finanziellen Lasten legitim ist“, so Blankenburgs SPD-Vorsitzender.

Sowohl die prekäre Haushaltslage des Landkreises als auch die Vereinbarung zum Kloster Michaelstein und die hierin enthaltene Kündigungsfrist seien lange bekannte Fakten. Insoweit sei zu hinterfragen, warum der Landrat den Kreistag nicht mehr in der vorigen Wahlperiode mit diesem Thema tangiert habe, sondern kurz vor Fristablauf ohne Beteiligung des Kreistags gehandelt habe. „Ich hätte es auf jeden Fall für richtig gehalten, wenn der Landrat in der konstituierenden Sitzung wenigstens über den Vorgang informiert hätte, da die Kündigung zu diesem Zeitpunkt ja bereits von ihm versandt worden war.“

Überrascht zeigt sich auch AfD-Vertreterin Yvonne Sturm. Sie wolle allerdings erst den Finanzausschuss abwarten, ehe sie sich zum Thema äußere. Das Gremium tagt kommenden Dienstag.

Kritik kommt auch vom bündnisgrünen Kreistagabgeordneten Bernhard Zimmermann: „Statt umzukehren, soll die Sackgasse der ÖPNV-Politik des Landrates und von CDU und Buko mit Geld aus dem Kulturhaushalt geflickt werden.“

Claus Rokahr skizziert derweil die Folgen, bliebe es bei den Kündigungen: „Entweder jemand springt als alternative Geldquelle ein oder wir müssen bei allen 18 Stiftungseinrichtungen streichen.“ Er bereite für die Etatplanungen 2020 jedenfalls Plan B vor, hoffe aber, dass der Kreis Harz – oder andere Geldgeber – zu den jährlich 1,1 Millionen Euro für die Feininger-Galerie wie bisher 200.000 Euro zuschießen.