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Konflikt Gastwirte bangen um die Existenz

Die Betreiber der Gaststätte "Zur Linde" in Silstedt fürchten wegen eines Bauprojekts Probleme mit dem Lärmschutz.

Von Julia Bruns 24.11.2017, 00:01

Wernigerode/Silstedt l Für Petra und Mirko Schulze hängt der Himmel derzeit voller dunkler Wolken. „Es geht um unsere Existenz“, sagen die Inhaber der Gaststätte „Zur Linde“ in Silstedt. Der Grund ihrer Sorgen ist das Grundstück hinter dem Lokal. Dort soll ein neues Wohn- und Gewerbehaus errichtet werden. Weil im Gaststättensaal 50 bis 60 Veranstaltungen pro Jahr stattfinden, befürchten die Schulzes, dass die neuen Nachbarn sich wegen Lärmbelästigung beschweren könnten und im schlimmsten Fall das Lokal schließen muss.

Dabei hielt das Ehepaar das Thema für erledigt. Im Jahr 2000 hatte es eine Bauvoranfrage und eine anschließende Lärmmessung gegeben. Ergebnis: Bauherren müssten mindestens 17 Meter Abstand halten, das damals geplante Wohnhaus wurde nicht genehmigt. Vor zwei Jahren hörten sie von einm neuen Anlauf. Die Schulzes fragten im Kreisbauamt, ob etwas vorliegt. „Die Antwort war nein“, so Mirko Schulze – ebenso bei späteren Nachfragen. Laut Kreisverwaltung war dies Kommunikationspannen geschuldet, denn Anfang 2017 erfuhr die Familie, dass die Bauvoranfage bereits im Oktober 2015 bewilligt wurde. Dabei handele es sich laut Schulzes um eine Grenzbebauung, bei der sie als Nachbarn gefragt werden müssten.

Das Paar legte Widerspruch ein, im jüngsten Stadtrat baten sie um Unterstützung. Ihr Anliegen wurde am Montagabend im Bauausschuss beraten, wo eine hochemotionale Debatte zwischen Mitarbeitern des Bauordnungsamtes und Silstedts Ortsbürgermeister Karl-Heinz Mänz entbrannte. „Es ist meine Pflicht, mich um die Bürger von Silstedt zu kümmern“, sagte der CDU-Politiker. „In anderen Orten gibt es keine Kaufhalle, keine Kneipe mehr.“ Dass die „Linde“ womöglich wegen Lärmschutzbeschwerden schließen müsse, werde er mit allen Mitteln verhindern.

Er forderte, in der Baugenehmigung festzuhalten, dass der Investor mit der Lärmsituation zurechtkommen muss. „Das ist nicht möglich“, entgegnete Katharina Wendland, Leiterin des Bauordnungsamtes. „Wenn der Betreiber der Meinung ist, dass er in seinem Recht betroffen ist, muss er klagen.“ Nur der Betreiber habe einen Abwehranspruch und könne den Rechtsweg beschreiten. Stadtverwaltung und Rat könnten in das Verfahren nicht eingreifen, betonte Wernigerodes Baudezernent Burkhard Rudo.

„Der Investor hält 21 Meter Abstand zum Saalbau. Die zur Kneipe gewandten Aufenthaltsräume wie Wohn-, Arbeits- und Konferenzzimmer haben einen anderen Schutzstatus als Schlafräume“, erläuterte Katharina Wendland. Wenn im Baugenehmigungsverfahren die Träger öffentlicher Belange keine Bedenken äußerten, habe ein Investor das Recht zu bauen.

Ilona Kratzin, Mitarbeiterin im Kreisumweltamt, betonte: Normalerweise würden sechs Meter Abstand reichen. „Die Lärmmessung hat ergeben, dass die Gaststätte zu laut ist“, sagte sie. „Nach dem Verursacherprinzip müssten die Betreiber Vorsorge beim Lärmschutz ergreifen oder schließen. Wenn sie klagen, kann ich mir vorstellen, dass genau das passiert.“ Auf Bestandsschutz könne sich Familie Schulze nicht berufen. Der Investor habe aus eigenem Ermessen „architektonischen Selbstschutz“ betrieben, Räume anders angeordnet und das Haus verschoben. „Warum soll man ihn anders stellen als Eigentümer vorhandener Wohnhäuser, die näher an der Gaststätte stehen?“ Neben der „Linde“ stehen bereits Gebäude, deren Bewohner vom Lärm betroffen sind.

Allerdings haben sich die Nachbarn nie wegen Lärm beschwert, entgegnen Petra und Mirko Schulze. „Es gab keine Probleme.“ Zwischen der Bühne im Saal, der Hauptlärmquelle, und den bewohnten Nachbarhäusern lägen zudem mindestens 25 Meter Abstand. In der Bauvoranfrage für den Neubau von 2015 war hingegen von acht Metern Abstand zum Saal die Rede. Dass dass Gebäude so viel weiter wegrücken kann, erscheint ihnen fraglich. „So groß ist das Grundstück nicht.“

Wegen der Lärmfrage habe er seine Baupläne angepasst, um die Auflagen zu erfüllen, betont hingegen Grundstückseigentümer Alexander Lukaschow. „Ich habe alles versucht, was möglich ist.“ Ins geplante Zweifamilienhaus will er selbst einziehen. Was für ein Gewerbe in dem Büro betrieben wird, sei noch unklar. Den Lärmpegel einer Veranstaltung habe er bereits erlebt. „Das war nicht so laut.“ Sollte es Probleme geben, könnte aus seiner Sicht eine Lärmschutzwand helfen.

Die Gastwirte möchten sich jedoch absichern. „Im Prinzip haben wir nichts dagegen, wenn gebaut wird“, sagt Mirko Schulze. Er und seine Frau wollen eine Baulasteintragung, auf die sich das Kreisbauamt aber nicht eingelassen habe.