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Steinschlag Gefahr lauert in der Felswand

Aufgrund erhöhter Steinschlaggefahr bleibt die Straße zwischen Altenbrak und Treseburg weiter voll gesperrt.

Von Karoline Klimek 27.06.2020, 01:01

Altenbrak/Treseburg l Es ist nur ein Katzensprung, der die beiden Orte Altenbrak und Treseburg im Bodetal voneinander trennt. Von Ortsschild zu Ortsschild sind es laut Google­Maps gerade einmal 2,4 Kilometer. Zumindest wenn man die direkte Verbindung über die Landstraße nehmen kann. Doch die Strecke ist bereits seit dreieinhalb Wochen gesperrt, Autofahrer müssen – die selben Ortsschilder zu Grunde gelegt – nun 17,5 Kilometer zurücklegen und über Wienrode fahren. Wer stattdessen die Straßenbarriere umgeht, riskiert sein Leben.

Denn die Felswand birgt noch immer Gefahren, wie Michael Schanz von der Landesstraßenbaubehörde Sachsen-Anhalt (LSBB) klarstellt. „Am Mittwoch hat die Bergsicherung Ilfeld als beauftragte Firma mitgeteilt, dass sich neue Randbedingungen ergeben haben, die zusätzliche Leistungen notwendig machen“, erklärt der Regionalbereichsleiter. Nach einem persönlichen Vor-Ort-Termin sei er der Empfehlung der Firma gefolgt, die Straße nicht freizugeben. Voraussichtliches neues Enddatum ist der 17. Juli.

Die Ursache der Straßensperrung liegt in der für den Harz typischen Felslandschaft. Durch Warnschilder und eine regelmäßige Kontrolle der Gefahrstellen, wie an der L94, soll laut Straßenbaubehörde für eine möglichst hohe Sicherheit gesorgt werden. Die Strecke zwischen Altenbrak und Treseburg wurde zuletzt am 3. Juni begutachtet. „Direkt vom Hang hat die beauftragte Spezialfirma mitgeteilt, dass die vorgefundene Situation als sehr kritisch einzuschätzen ist und dringend empfohlen, die L94 umgehend voll zu sperren“, blickt Michael Schanz zurück. Es hieß: Gefahr im Verzug.

Da es sich um eine Havariemaßnahme handelte, habe die LSBB auf eine sonst übliche Ausschreibung verzichtet. Auch, um die Straßensperrung nicht unnötig in die Länge zu ziehen. „Die Bergsicherung Ilfeld ist eine für derartige Arbeiten spezialisierte Fachfirma, die bereits seit mehr als zehn Jahren für die Straßenbauverwaltung tätig ist“, informiert der Regionalbereichsleiter. Zuletzt sicherte sie die Böschung an der L235 zwischen Harzgerode und Mägdesprung.

Der jetzige Fall sei aber wesentlich kritischer, die Arbeiten zeitaufwendiger, schätzt Michael Schanz ein. Seit dem 3. Juni ist die Bergsicherung Ilfeld mit vier ausgebildeten Fachkräften direkt im Hang und zwei Sicherungsposten auf der Straße vor Ort. Um die Verkehrssicherheit wieder herzustellen, wurden laut LSBB auf einer Länge von 125 Metern Felsbrocken mit einem Gesamtgewicht von rund 150 Tonnen aus dem Hang geholt.

„Das Lösen der Gesteine erfolgte händisch durch den Einsatz einer Beraubestange, die in vorhandene Klüfte eingeführt wurde. Es war also möglich, rein durch die Kraft einer Person mit der Hebelwirkung der zirka ein Meter langen Stange die Gesteine zum Absturz zu bringen“, verdeutlicht der Regionalbereichsleiter die kritische Situation. Um Straßenschäden zu vermeiden, wurden in dem jeweiligen Abschnitt rund 50 Tonnen Kies auf der Asphaltdecke verteilt, die die herunterstürzenden Felsbrocken aufgefangen haben.

Die Arbeiten hätten allerdings nicht ausgereicht. Wie Michael Schanz erklärt, müsse der Abschnitt auf eine Länge von 300 Metern erweitert werden, knapp 150 Tonnen Gestein sollen zusätzlich herausgelöst werden. Zudem sollen auf einer Strecke von 200 Metern Auffangzäune zur Sicherung von nicht entfernbaren Geröllhalden aufgestellt werden. Für diese Zusatzarbeiten setzt die Landesstraßenbaubehörde drei Wochen an.

Das stößt in Treseburg bitter auf. Denn der Ort im Bodetal ist dadurch von zwei Seiten abgeschnitten. Bereits seit Mitte Mai ist die L93 zwischen Treseburg und Allrode voll gesperrt, die einzige Zufahrt mit weiten Umwegen aus Nordosten möglich. „Wir haben im Ort sieben Gastronomen. Gerade jetzt nach Corona ist das unmöglich. Es kommt niemand mehr zu uns“, zeigt sich Egon Lüdtke vom örtlichen Fremdenverkehrsverein empört. Vor allem die fehlende Information im Vorfeld bemängelt er.

„Mir ist natürlich bewusst, dass die Verlängerung der Vollsperrung für die Verkehrsteilnehmer mit Unannehmlichkeiten und Umwegen verbunden ist“, sagt Michael Schanz. „Aber diese zu begründen und zu vertreten ist mir wesentlich angenehmer, als über gegebenenfalls entstandene Sach- und Personenschäden sprechen zu müssen.“ Schließlich bestehe Lebensgefahr.

Dennoch hielten sich nicht alle Verkehrsteilnehmer an die Absperrung. „Leider hat die Firma immer wieder mit dem Ignorieren der Vollsperrung durch Autofahrer, Motorradfahrer, Radfahrer und Wanderer zu kämpfen. Auch dafür wurden die Sicherungsposten notwendig“, berichtet der zuständige LSBB-Bereichsleiter. Von ordnungsrechtlichen Strafen sei bislang Abstand genommen worden, die betreffenden Personen seien belehrt und zurückgeschickt worden. „Es muss hier nochmals an die Vernunft der Verkehrsteilnehmer appelliert werden, die Sperrung zu respektieren. Es besteht sonst eine akute Gefährdung.“

Deshalb solle auf die Verkehrsfreigabe gewartet werden. Doch selbst dann gelte äußerste Vorsicht. „In topografischen Situationen wie im Harz kann nie eine 100-prozentige Sicherheit vor Steinschlägen garantiert werden. Die diesbezügliche Beschilderung bleibt daher an der L94 auch nach der Maßnahme bestehen“, gibt Michael Schanz zu bedenken.

Wer solch gekennzeichnete Strecke befährt, sollte umsichtig und aufmerksam sein. Schanz rät dazu, die Geschwindigkeit anzupassen, da Steine auf der Straße liegen könnten. „Auch die jeweiligen Hangbereiche sollten im Rahmen der Möglichkeiten im Auge behalten werden. Nicht motorisierte Verkehrsteilnehmer sollten zudem auf auffällige Geräusche achten“, meint er. Wer in einen Steinschlag gerät, sollte zunächst sich und dann die Straße sichern. Zudem, so Schanz, sollte die Polizei verständigt werden.