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Geschichte Woran Frauen einst geglaubt haben

Im Buch „Frauenbekenntnisse“ stellt der Blankenburger Historiker Dr. Konrad Minkner adlige Damen vor, die ihre Religion wechseln mussten.

Von Katrin Schröder 16.06.2016, 01:01

Blankenburg l Die Ahnentafel im Großen Schloss Blankenburg birgt lebendige Geschichte für den, der sie zu lesen versteht. Dr. Konrad Minkner zeigt auf das Schild mit dem Namen Elisabeth Christine. Die Prinzessin von Braunschweig-Wolfenbüttel, geboren im Jahr 1691, wurde durch die Vermählung mit Karl VI. zur Kaiserin. Dafür musste sie trotz Protest vom Luthertum zum Katholizismus übertreten – und ist damit ein Fall für Konrad Minkner. In seinem Buch „Frauenbekenntnisse“, das soeben erschienen ist, untersucht der Blankenburger Glaubensübertritte adliger und hochadliger Damen in den Jahren von 1520 bis 1830.

Für die Welfin Elisabeth Christine war der Wechsel ein schwerer Schritt, sagt Minkner. Der 81-Jährige ist ehemaliger Pfarrer, Doktor der Theologie und seit 2014 auch der Geschichtswissenschaft. Bei dem Werk, das im Ostfalia-Verlag herausgebracht wurde, handelt es sich um seine Dissertation, die er an der Universität Magdeburg vorgelegt hat. Auf das Thema brachte ihn Doktormutter Eva Labouvie, Professorin für Neuere Geschichte, die sich zugleich mit Geschlechterforschung befasst.

Die Wissenschaft hat Frauen, die mit dem Glauben und dem Übertritt in eine andere Konfession ringen, bisher nicht beachtet, erklärt Konrad Minkner. Dabei haben sich die Damen intensiv mit ihrer Religion auseinandergesetzt. Und anders, als weithin angenommen, haben sie damit die Theologie ihrer Zeit beeinflusst.

Ein Beispiel ist Herzogin Elisabeth von Braunschweig-Calenberg-Göttingen. „Sie war eine kluge Theologin, verfügte über eine eigene Bibliothek und verfasste theologische Schriften“, so Minkner. „In ihrem Landstrich hat sie die Reformation eingeführt.“ Oder Gräfin Sibylle von Jülich-Kleve-Berg, die in Kontakt mit Reformator Martin Luther stand. „Dieser Briefwechsel ist hochinteressant, aber bis jetzt noch nie ausgewertet worden“, sagt der Autor, der diese wie andere Quellen in Archiven in Magdeburg, Wernigerode und Dessau fand. Mit seiner Forschung kann er – kurz vor dem 500-jährigen Reformationsjubiläum – nachweisen, dass nicht nur große Männer, sondern auch gebildete und starke Frauen den Wandel der Kirche geprägt und gefördert haben.

Für Thomas Dahms, Historiker, Autor und Geschäftsführer des Ostfalia-Verlags, ist die Nähe zu den Quellen das Spannende an Minkners Werk – und die Neutralität, mit der der Historiker sie vermittelt. „Das ermöglicht es dem Leser, sich eine eigene Meinung zu bilden.“ Mit vorgefassten Thesen halte sich Minkner zurück – das sei heutzutage selten.

Viele der Frauen, deren Leben und Wirken Konrad Minkner untersucht hat, gehörten zum Herrschergeschlecht der Welfen. Im 17. Jahrhundert war Blankenburg ihr machtpolitisches Zentrum. „Von hier aus ist dynastische Weltpolitik betrieben worden“, sagt Thomas Dahms. Die Welfen waren finanziell schwach, nutzten aber den Mangel in Europas Fürstenhäusern an jungen, gebildeten und schönen Frauen, um ihren Einfluss zu vergrößern.

Nicht selten mussten die Töchter und Enkel der Welfen mit der Heirat in eine andere Dynastie den Glauben wechseln – so wie Charlotte Christine Sophie, die Schwester der Kaisergattin Elisabeth Christine. Die Prinzessin von Braunschweig-Lüneburg wurde mit dem russischen Kronprinzen Alexej Petrowitsch verheiratet, wollte aber nicht zum orthodoxen Glauben übertreten. Wegen ihrer Weigerung litt sie am Zarenhof unter Schikanen.

Ihre Schwester Elisabeth Christine, die Kaiserin und Katholikin wider Willen, hat sich hingegen mit ihrer neuen Konfession ausgesöhnt, berichtet Konrad Minkner. Sie wandte sich dem Jansenismus zu, der sich der Aufklärung verpflichtet sah. „Diese Frau hat versucht, den Katholizismus mit frischem Wind zu erfüllen“, sagt Konrad Minkner.

Konrad Minkner: Frauenbekenntnisse. Glaubensübertritte adliger und hochadliger Frauen 1520-1830. ISBN 978-3-926560-85-8. 503 Seiten