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Harz Ärger um Mensa in Wernigerode

Die Pläne für den neuen Schulspeisesaal liegen vor. Sowohl aus dem Stadtrat als auch aus der Bevölkerung hagelt es Kritik.

Von Ivonne Sielaff 01.10.2020, 11:09

Wernigerode l Zehn Minuten - ist das nicht viel zu kurz, um ohne Hektik Mittag zu essen? Die Verantwortlichen im Wernigeröder Rathaus sind nach wie vor von den Plänen für die neue Mensa an der Diesterweg-Grundschule mit knapp 100 Sitzplätzen für etwa 250 Kinder überzeugt. Bei etlichen Wernigerödern aber kochen die Emotionen hoch.

„Unsere Kinder schlingen in zehn Minuten ihr Essen runter. Ich gratulieren zu einer wahren (NICHT)Meisterleistung.“ So kommentiert beispielsweise Marco Rikazewski die Berichterstattung auf der Facebook-Seite der Volksstimme. Mike Neubert schreibt: „Das ist doch der größte Witz. Ich glaube nicht, dass für Kinder zehn Minuten ausreichend sind. Und gesund ist das auch nicht in der Zeit.“ Und Marie-Luise Geiersbach: „Ich finde, das ist unverschämt. Hauptsache kein Geld in die eigenen Schulen stecken und lieber in den Tourismus investieren.“

Hektik und Gedränge sollen für die Grundschüler eigentlich ein Ende haben - deshalb hatte sich der Stadtrat 2018 einstimmig zum Bau einer neuen Mensa bekannt. Etwa 815.000 Euro sollte der Erweiterungsbau mit 150 Sitzplätzen kosten - bei 90-prozentiger Förderung. Aber die Planer mussten abspecken, weil der gesetzten Kostenrahmens von 880.000 Euro zu platzen drohte. Soll heißen, um Geld zu sparen, wurde kleiner und mit weniger Sitzplätzen geplant.

Die Entwürfe und das Betriebskonzept wurden im Sommer noch mal angepasst, Anregungen der Stadträte, der Schule und des Caterers flossen ein. Das Ergebnis: Alle Kinder sollen in zwei größeren Pausen im Zehn-Minuten-Takt essen. Zehn Minuten für die Ausgabe der Speisen an 60 Kinder, dann etwa zehn Minuten fürs Essen, so der Plan, den die Stadtverwaltung im jüngsten Kulturausschuss vorstellte. Parallel dazu stehen schon die nächsten Schüler in der Schlange. Das sei zeitlich möglich, hieß es.

Einigen Stadträten schmeckt das allerdings gar nicht. In der September-Sitzung des Stadtrats hagelte es heftige Kritik. Man dürfe die Pläne für die Erweiterung des alten Speisesaal doch nicht am Kostenrahmen aufziehen, echauffierte sich Ruth Fiedler (Die Linke). „Im Moment werden die Schüler beim Mittagessen durchgehetzt. Das wollten wir verbessern. Da können wir doch nicht sagen, wir wollen ein bisschen sparen.“ Die Stadt nehme für den Speisesaal viel Geld in die Hand. „Da sollte es auch richtig gemacht werden - ohne Kompromisse.“

Fraktionskollege Thomas Schatz schoss in die gleiche Richtung: „Der Speisesaal soll die nächsten 30 bis 40 Jahre ein wesentliches Qualitätsmerkmal der Schule sein. Wir sollten da finanziell noch mal nachlegen.“

Das ist auch die Forderung von Sabine Wetzel (Bündnis 90 /Die Grünen). „Wir sollten nicht so klein wie möglich, sondern so groß wie möglich planen.“ Das hätte den Vorteil, dass ein weiterer barrierearmer Raum geschaffen werden könnte - für die Vereine, die im Moment die schlechter erreichbare Aula der Schule nutzen.

Wetzel, selbst Grundschullehrerin, sieht noch ein weiteres Problem. „Diese Sitzordnung, die hier angedacht ist, ist überhaupt keine Lösung für Grundschulkinder. Da haben Sie jeden Tag mindestens fünf Kinder, die das Essen von ihrem Mitschüler im Nacken haben, weil sie sich durch die Sitzreihen quälen müssen.“ Auch wenn es eine zeitliche Verschiebung bedeute, das Thema sollte nochmal im Finanzausschuss diskutiert werden, regt sie an.

Folgt jetzt also die Kehrtwende? „Wenn einzelne Stadträte den Grundsatzbeschluss kippen wollen, müssten sie kurzfristig einen neuen Beschluss erwirken“, informiert der zuständige Dezernent Rüdiger Dorff auf Nachfrage. „Es besteht jedoch die Gefahr, dass dann die Fördermittel komplett verfallen, da der Fördermittelbescheid auf dem bisherigen Entwurf beruht.“ Zudem müssten Fertigstellung und Abrechnung fristgerecht erfolgen. Natürlich könne man mehr Geld verbauen, so Dorff weiter. „Allerdings steigt dann der ungeförderte Eigenanteil in gleicher Höhe.“

Die Planung sei „eigentlich mit allen, auch mit der Schulleitung, abgestimmt“, so der Dezernent. Wichtig sei zu wissen, dass die Kinder nicht nur zehn Minuten zum Essen hätten, konkretisiert er die Erläuterungen aus dem Kulturausschuss. „Pro Essen dauert die Ausgabe etwa sechs bis acht Sekunden – bei 100 Kindern also zehn bis 13 Minuten.“ Die ersten Schüler hätten eventuell schon aufgegessen, bevor die letzten ihr Essen im Empfang genommen haben. „Der ersten Gruppe à 60 Kinder folgt die zweite Gruppe à 60 Kinder erst nach etwa zehn Minuten.“ Durchschnittlich würden 20 Minuten für das Essen zur Verfügung stehen, so Dorffs Rechnung. Ziel sei es nach wie vor, die Bedingungen der Essenversorgung „deutlich zu verbessern. „Und das wird mit dem neuen Entwurf erreicht.“