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Harz Kostbare Tropfen aus dem Hahn

Das Trinkwasser in der Oberharz-Stadt ist deutlich teurer als in den Nachbarregionen. Die Ursachen dafür sind vielfältig.

Von Karoline Klimek 25.11.2020, 06:00

Oberharz-Stadt/Schierke l Mit einem Mengenpreis von 2,90 Euro pro Kubikmeter Trinkwasser (1000 Liter) ist das kühle Nass in der Oberharz-Stadt sowie dem Wernigeröder Ortsteil Schierke besonders teuer. Beliefert werden die Gebiete vom Wasser- und Abwasserverband Holtemme-Bode (WAHB). Geschäftsführer Nikolai Witte sieht die Preisunterschiede zu anderen Regionen Sachsen-Anhalts als gerechtfertigt.

Denn der Aufwand für die Versorgung sei in seinem Zuständigkeitsbereich deutlich höher. Das liege zum einen an der Bodenbeschaffenheit. „Schon in 20 bis 25 Zentimetern Tiefe stößt man in unserem Versorgungsgebiet auf Felsgestein“, erklärt er. „Zudem müssen wir die Trinkwasserleitungen in mindestens 1,40 Meter Tiefe verlegen, während in anderen Regionen die üblichen 1,10 bis 1,20 Meter ausreichen. Hintergrund ist der eindringende Frost, den wir im Oberharz haben. Damit die Leitungen nicht einfrieren, müssen sie tiefer liegen.“ Und das sei in Kombination mit dem Felsgestein aufwendiger und dadurch teurer.

Die Leitungen liegen zwar, aber sie müssen auch dann und wann erneuert werden. „Die Rohre müssen, damit sie Druckschwankungen aushalten oder Befahrungen mit Lkw, in ein Sandbett gelegt werden“, verdeutlicht Nikolai Witte. „Wenn wir solche Rohrleitungen ersetzen müssen und sie ausgraben, finden wir aber meist nur ein bisschen Streusand drumherum.“ Denn zu DDR-Zeiten sei es aufgrund der Materialknappheit gang und gäbe gewesen, den für das Leitungsbett vorgesehenen Sand anderweitig zu nutzen oder sogar unter der Hand zu verkaufen. Statt in der Erde die Leitungen zu schützen, ziere er viele Hausfassaden. „Also müssen wir nicht nur die Rohre rausnehmen, sondern auch an der Verlegetiefe nacharbeiten, damit genug Sand reinpasst.“

Ein anderes Problem gebe es bei den Leitungen aus Asbestzement, die aus den 1970er Jahren stammen. Denn das Material sei besonders anfällig für mechanischen Druck. „Wir haben durch die Bundesstraßen und das Mehr an Schwerlastverkehr eine viel höhere Verkehrsbelastung als früher“, zeigt Witte auf. „Und wenn dadurch eine Leitung kaputt geht, dann geschieht das nicht punktuell. Sie knackt auf ein bis zwei Meter Länge weg.“ Es müsse also mehr Erde aufgerissen und mehr Material für die Reparatur verwendet werden.

Auch die im Oberharz oft verlegten Gussrohre müssten immer wieder ausgetauscht werden, denn „trotz umfangreicher Wasseraufbereitung und Filtration lagern sich an der Rohrwandung auch Rückstände der im Wasser enthaltenen Bestandteile ab“, erklärt Witte. Diese Probleme hätten andere Verbände zwar auch, aber eben nicht die erhöhten Aufwendungen aufgrund der Verlegetiefe.

Als zusätzliche Argumente führt der Verbandschef die durchschnittliche Leitungslänge an, an der ein Einwohner hänge. „Diese ist deutlich kleiner als in Verdichtungsräumen wie Magdeburg, Haldensleben oder Wernigerode und damit entfallen höhere Kosten auf die Einwohner. Zudem fehlen im Oberharzbereich auch größere gewerblich-industrielle Abnehmer wie zum Beispiel Brauereien“, verdeutlicht er. Darüber hinaus sei der Betrieb von vielen Pumpwerken erforderlich, um die Strecken zu überwinden.

Aufwendige Bodenarbeiten, anfällige Leitungen, schlechte Bauweise zu DDR-Zeiten und große Distanzen zwischen den Haushalten der Endkunden treiben im Zusammenspiel die Kosten im Vergleich zu Städten und flacheren Regionen nach oben. Dass die Preise bei den Herausforderungen vor Ort dennoch fair sind, habe, so Witte, die Landeskartellbehörde bestätigt, die 2011 bis 2014 alle Verbände in Sachsen-Anhalt zu ihren Wasserpreisen befragt hatte. Auch das Umweltministerium des Landes Sachsen-Anhalt erklärt auf Volksstimme-Nachfrage die Notwendigkeit der höheren Entgelte aufgrund des „dünn besiedelten Gebiets“, der „erheblich größeren Leitungslängen je Einwohner“ und des „schwierigen Untergrunds“. So entstünden höhere Investitions- und Betriebskosten.

Letztendlich ist also nicht das Wasser an sich teurer, sondern die Aufwendung zum Erhalt des Netzes. Damit diese Fixkosten gerechter auf alle Nutzer – egal ob Viel- oder Wenigverbraucher – verteilt werden, hat der Verband erst zum Januar 2019 das Entgelt für den Kubikmeter von brutto 4 Euro auf 2,90 Euro gesenkt und im gleichen Zuge die Grundgebühr von 7,05 auf 9,66 Euro pro Monat und Zähler angehoben. „Der Mengenpreis soll auch wieder Lust machen auf einen Wasserverbrauch“, sagt Witte. Dieser sei im Oberharz in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gesunken. „Zu DDR-Zeiten waren es mindestens 260 Liter pro Einwohner und Tag. Wir haben jetzt im Oberharz einen täglichen Verbrauch von 79 Litern“, sagt er. Das seien 14 Liter unter dem Landesdurchschnitt.

Um den Verbrauch anzukurbeln, sollen laut Witte die Mengenpreise weiter sinken. Möglich werden könnte dies, da der WAHB das Wasserwerk Zillierbachtalsperre von den Stadtwerken Wernigerode erworben hat. Bislang habe der Verband das aufbereitete Wasser abkaufen müssen, ab 1. Januar 2021 werde er zum Selbstversorger. Und da für den Oberharz weniger Wasser benötigt werde als für Wernigerode, könne der Verband das Werk kostensparender betreiben, erklärt Witte. Eine Preisanpassung könne allerdings frühestens 2022 erfolgen, wenn der nächste Kalkulationszeitraum beginnt. „Wenn wir das Wasser dann preiswerter produzieren können, wollen wir die Entgelte auch senken“, kündigt der WAHB-Chef an.

Bis dahin hat er aber einen anderen Spartipp: vom Mineralwasser aus der Kaufhalle auf Leitungswasser umsteigen. Im Supermarkt gibt es einen Liter ab 19 Cent. 1000 Liter kosten demnach 190 Euro. Dagegen seien die 2,90 Euro Mengenpreis für den Kubikmeter aus dem Hahn ein Schnäppchen, so Witte. Und das für weniger Aufwand und mit mehr Qualitätskontrollen, die dahinter stehen würden. „Letztendlich ist es eine Frage der Haltung zum Trinkwasser, die mancher durchaus überdenken könnte.“