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Kriseninterventionsteam Hilfe für Helfer unter Schock nach tödlichem Unfall im Harz

Wie Corona die Arbeit des Kriseninterventionsteams verändert hat

Von Uta Elste 17.05.2021, 20:10
 Ehrenamtliche des Kriseninterventionsteams waren am Sonnabend, 15. Mai im Einsatz beim Unfall bei Hasselfelde.
Ehrenamtliche des Kriseninterventionsteams waren am Sonnabend, 15. Mai im Einsatz beim Unfall bei Hasselfelde. Foto: Matthias Bein

Hasselfelde - Fahrzeuge prallen zusammen. Trümmerteile fliegen durch die Luft. Für die Unfallbeteiligten kommt jede Hilfe zu spät. Es sind Bilder, die Rettungskräfte, Polizisten, Feuerwehrleute und Ersthelfer nicht ohne Weiteres verkraften. Hilfe kommt in solchen Augenblicken von den Mitgliedern des Kriseninterventionsteams (KIT) des Landkreises Harz.

Auch am Sonnabend, 15. Mai, waren ehrenamtliche Mitstreiter des KIT beim Unfall auf der B 81 zwischen Hasselfelde und Cattenstedt im Einsatz. Ein aus Berlin stammender Motorradfahrer war auf die Gegenfahrbahn geraten und mit einem entgegenkommenden Fahrzeug kollidiert. Er stürzte und prallte mit einem weiteren Biker aus Halberstadt zusammen, der in einer Gruppe hinter dem Pkw fuhr. Beide Fahrer erlagen vor Ort ihren schweren Verletzungen.

Drei Mitglieder aus dem KIT-Team Wernigerode sowie ein weiterer Mitstreiter aus dem Bereich Halberstadt wurden zu diesem Unfall über die Einsatzleitstelle des Landkreises Harz angefordert, berichtet Thorsten Wiesener, Leiter des Kriseninterventionsteams. Es ging um die Betreuung der Begleiter des Berliner Motorradfahrers. Auch bei den Aktiven der Freiwilligen Feuerwehr Hasselfelde habe es Hilfebedarf gegeben, so Thorsten Wiesener weiter. Zudem habe ein Ehrenamtlicher aus dem Halberstädter KIT-Team die Polizeibeamten zu den Angehörigen des andern tödlich verunglückten Motorradfahrers begleitet.

Gefahr von Posttraumatischen Belastungsstörungen

Es sind die Bilder, die die am Unfallgeschehen Beteiligten verfolgen und die sie verarbeiten müssen, erläutert Thorsten Wiesener die Hintergründe. Es sei wichtig, dass die Bilder im Gehirn sozusagen richtig abgelegt werden, beschreibt er. Sonst bestehe die Gefahr, dass die Erinnerung an das Gesehene die Betroffenen im falschen Augenblick ereile. Letztlich entstünden auf diese Art und Weise die Posttraumatischen Belastungsstörungen.

„Die Akutversorgung ist wichtig, das ist inzwischen auch von medizinischer Seite anerkannt“, sagt Thorsten Wiesener. Der Notarzt, der sich am Unfallort um die Verletzen kümmert, habe dafür natürlich keine Zeit, weiß Wiesener. Deshalb stehen die Ehrenamtlichen des Kriseninterventionsteams bereit, leisten Beistand, hören zu, nehmen sich die erforderliche Zeit. Inwieweit der Hilfsbedürftige am Unfallgeschehen beteiligt war, spiele dabei keine Rolle.

„Unser Einsatz ist kostenlos, und die Zusammenarbeit mit Polizei und Rettungskräften hier im Harz hervorragend“, lobt Thorsten Wiesener. Das Wissen um die Kompetenz der KIT-Aktiven habe zur Folge, dass die Notfallseelsorger, die sich untereinander in Gruppen, deren Bereiche den Altkreisen entsprechen, organisieren, auch häufig angefordert werden. Allein die Mitglieder im Raum Wernigerode sind etwa 75 Mal im Jahr im Einsatz.

Onlinechat statt Treffen

Die Helfer für die Nöte anderer brauchen auch ihrerseits Ansprechpartner. Dafür stehe eigentlich alle zwei Monate eine sogenannte Supervision auf dem Plan.

Aber die Corona-Pandemie hat auch den bisherigen Arbeitsplan des Kriseninterventionsteams verändert. „Normalerweise treffen wir uns einmal im Monat. Aber das ist schon seit einigen Monaten nicht mehr möglich“, sagt Thorsten Wiesener. Videochats ersetzen derzeit die persönlichen Begegnungen. Auch für die Fortbildungen wolle man nach derartigen Möglichkeiten suchen.

Doch der Gedanke an Corona begleitet die Ehrenamtler auch bei ihren Einsätzen. Der Schreck des Unfallgeschehens verdränge bei vielen Beteiligten oft den Gedanken an Maske und Abstand. Der Wunsch des KIT-Teams: Masken zur Reserve. „Es wäre prima, wenn uns der Landkreis dahingehend unterstützen könnte“, sagt Thorsten Wiesener.

Übrigens: Weitere Mitstreiter sind beim Kriseninterventionsteam jederzeit willkommen. Informationen und telefonische Kontakte sind online abrufbar.