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Corona-Pandemie Hohe Infektionszahlen und mehr Aggressivität im Harz

Die Corona-Pandemie hat den Harzkreis voll im Griff: Die Inzidenz hat die 200er-Grenze erneut überschritten. Es gibt Widerstand gegen Schutzauflagen.

Von Dennis Lotzmann Aktualisiert: 21.4.2021, 07:36
Immer mehr Harzer lassen sich selbst auf Corona testen. Der Inzidenzwert lag am Dienstag, 20. April, bei 196,9.
Immer mehr Harzer lassen sich selbst auf Corona testen. Der Inzidenzwert lag am Dienstag, 20. April, bei 196,9. Symbolfoto: dpa

Harzkreis. Neue Signale aus der Harzer Kreisverwaltung: Hielten sich die Verantwortlichen mit Blick auf konkrete Schwerpunkte des Corona-Infektionsgeschehens bislang aus Datenschutzgründen tunlichst zurück, gehen sie nun in die Offensive. Schulen und Kitas werden nicht nur beim Namen genannt, sondern auch die Zahl der jeweiligen Infektionen, die Anzahl der Kontaktpersonen und die Zeitdauer zwischen erstem Fall und den Zeitpunkt, an dem die Infektionskette zerschlagen war. Warum diese Offenheit? „Ganz einfach: Wir wollen den Menschen direkt und knallhart zeigen, dass die Corona-Infektionen ganz dicht in ihrem unmittelbaren Umfeld stattfinden“, so Landrat und Behördenchef Thomas Balcerowski (CDU). Quasi als Schocktherapie.

Letztlich ein Schritt, über den behördenintern lange nachgedacht worden sei. Ein Grund für die Offensive seien Beobachtungen, die Amtsärztin Dr. Heike Christiansen ihm gegenüber so beschrieben habe: „Die Aggressivität der Bürger nimmt zu, während die Akzeptanz der Corona-Schutzvorkehrungen tendenziell sinkt“, berichtet der Behördenchef.

Ausdehnung im familiären Umfeld

Deshalb der Schritt in die Offensive. Weil sich beispielsweise jede Infektion in Kitas und Schulen ruck-zuck auch ins persönliche und familiäre Umfeld ausdehnen könne. „Und dann sind schnell auch Eltern sowie Großeltern in Gefahr“, skizziert Balcerowski die Risiken. „Deshalb der Vorstoß, um die Menschen zu sensibilisieren: Haltet euch an die Hygieneregeln, weil es letztlich um euch und um eure Familienangehörigen geht.“

Der Blick auf die öffentlich gemachten Beispiele zeigt, wie schnell sich Corona-Infektionen ausbreiten können: In der Kindereinrichtung der Marie-Hauptmann-Stiftung in Halberstadt wurden am 19. März erste Infektionsfälle bekannt. Letztlich gab es zwölf Infizierte, davon fünf Erzieher, und 54 Kontaktpersonen, die sich allesamt in häusliche Quarantäne begeben mussten. Und: Die Verantwortlichen im Gesundheitsamt benötigten fast einen ganzen Monat, um das von dieser Tagesstätte ausgehende Infektionsgesehen komplett einzudämmen.

Infektionsketten in Kitas

Oder die Kita Rappelkiste in Elbingerode: 13 Fälle, 35 Kontaktpersonen, gut eine Woche zwischen erster und letzter bekannter Infektion. Im Kinderland in Osterwieck reichten bereits drei Infizierte, um 38 Personen als Kontakte in die zwangsläufige Isolation zu zwingen. Allerdings war die Kette hier schon binnen drei Tagen zerschlagen. Ganz anders als in der Europaschule Am Gröpertor in Halberstadt, wo es ebenfalls fast einen ganzen Monat dauerte, um das am 18. März aufgeflammte Infektionsgeschehen einzudämmen. Der letzte Fall wurde laut Gesundheitsamt am 14. April aktenkundig.

Letztlich, so Kreisverwaltungssprecher Manuel Slawig, komme es überall dort, wo viele Menschen zusammenkämen, rasch zu Folgefällen. „Ein spezielles Problem in Kitas ist, dass dort die zur Infektionsverhütung notwendigen Regeln, insbesondere das Abstandhalten und das Tragen einer Maske, nicht eingehalten werden können. Daraus resultiert, dass es auch immer wieder Einrichtungen gibt, in denen recht viele Fälle auftreten.“ Und auch dort sei dann regelmäßig eine große Zahl an Kontaktpersonen betroffen, für die eine Quarantäne ausgesprochen werden müsse.

Nur noch vereinzelte Fälle in Pflegeeinrichtungen

Aber: „Je älter die Kinder sind, desto besser lassen sich offensichtlich Hygienekonzepte umsetzen, was in der geringen Zahl an Folgefällen und engen Kontaktpersonen erkennbar ist“, so der Behördensprecher. Die regelmäßigen Schnell-Testungen von Schülern und Personal an Schulen, die nun verbindlich vorgeschrieben sind, trügen zusätzlich dazu bei, dass die Fallzahlen in Schulen niedrig gehalten werden können – „vorausgesetzt, es beteiligen sich möglichst alle daran“, betont Slawig.

In Pflegeeinrichtungen biete sich im Vergleich zum Jahresende 2020 mittlerweile ein erfreulich anderes Bild. Hier gebe es aktuell nur noch ganz vereinzelt Fälle, seit in den Einrichtungen nahezu flächendeckend geimpft werden konnte. „Auch wenn unter den Fällen einige wenige Geimpfte sind, sind diese nicht schwer erkrankt und haben die Infektion auch nicht weiter getragen“, berichtet Slawig mit Blick auf Informationen aus dem Gesundheitsamt.

Übertragung in der Pause

Neben betroffenen Pflegeeinrichtungen beinhaltet die von der Kreisverwaltung zusammengestellte Übersicht auch Fälle in Firmen und Betrieben. Auch dort treten immer wieder kleine Infektions-Häufungen auf. „Verursacht werden sie, so stellt es sich im Ergebnis der Kontaktermittlungen dar, bei gemeinsamen Pausen, Dienstbesprechungen oder Schichtübergaben ohne Einhaltung der notwendigen Regeln“, unterstreicht Slawig. Testungen in den Betrieben könnten, wie auch in Schulen, zur Eindämmung der Verbreitung beitragen.

„Testungen zu unterlassen, damit ein positiv getesteter Mitarbeiter nicht zu Hause bleiben muss, ist kurzsichtig. Überträgt dieser unerkannt die Infektion weiter, sind es eine Woche später erfahrungsgemäß mehrere Kollegen, die betroffen sind – der Schaden ist dann größer“, warnen die Verantwortlichen in der Kreisverwaltung.

Maske, Abstand, Lüften

Ihr Ratschlag gerade in Richtung der Betriebe: „Pausen sollten nicht gemeinsam im gleichen Raum verbracht werden. Bei Beratungen sollten alle Beteiligten möglichst FFP-2-Masken tragen, mindestens jedoch medizinischen Mund-Nasen-Schutz, und es sollte zusätzlich Abstand gehalten und gelüftet werden.“

Was mit Blick auf die nüchternen Zahlen offen bleibt: Es gibt keinerlei Hinweise hinsichtlich der einzelnen Krankheitsverläufe, sodass beispielsweise auch völlig unklar ist, ob es unter den Infizierten und Erkrankten schwerere oder gar tödliche Verläufe gegeben hat.

Nachjustierung beim Impf-Prozedere

Apropos tödliche Verläufe: Bislang sind im Zusammenhang mit Covid-19-Infektionen im Harzkreis 234 Menschen gestorben. Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat sowohl die Zahl der bislang im Harzkreis infizierten Menschen als auch die Zahl der Todesopfer in Altersgruppen klassifiziert zusammengetragen. Auffällig dabei: Obwohl mit 2667 die zahlenmäßig meisten Infektionen in der Altersgruppe 35 bis 59 aufgetreten sind, liegt die Sterberate hier mit elf Opfern bei 0,41 Prozent. Ganz anders in der Altersgruppe der über 80-Jährigen. Hier starben von 680?Infizierten 149, was einer Todesquote von knapp 22 Prozent entspricht.

Mit Blick auf diese Zahlen habe man nun auch beim Impfprozedere ein wenig nachjustiert, so Landrat Balcerowski. Konkret würden die Zeitspannen zwischen erster und zweiter Immunisierung von den bislang üblichen drei auf neun Wochen gestreckt. „Davon erhoffen wir uns in Zeiten immer noch knapper Impfstoffe eine schnellere Erstimmunisierung vieler Menschen in der Altersgruppe 60 bis 79?Jahre.“ Das Ansinnen dabei: Weil schon mit der Erstimmunisierung ein gewisser Schutz verbunden sei, würde so auch in dieser Altersgruppe ein rascher Basisschutz erreicht.

Schließlich, das zeigen die Statistiken, überlebt in dieser Altersgruppe jeder 20. Infizierte (5,31?Prozent) eine Covid-Infektion nicht. Deswegen soll hier das Impftempo erhöht werden, um im Gegenzug so schnell wie irgendwie möglich weitere Öffnungsmodelle in der Gesellschaft angehen zu können. „Denn bei aller Akzeptanz der coronabedingten Einschränkungen ist das Verständnis der Bevölkerung nicht grenzenlos“, so Balcerowski.