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Hund Schlappohr für ganz spezielle Fälle

Die Volksstimme stellt Menschen vor, die auf den Hund gekommen sind. Heute Ralf Zapf aus Trautenstein und sein Hannoverscher Schweißhund.

Von Burkhard Falkner 24.01.2018, 00:01

Trautenstein l Ein Reporter muss schon etwas Glück haben, um Ralf Zapf und seinen Hannoverschen Schweißhund mal in Ruhe vor Kamera und Notizblock zu bekommen. Sind der Mann und sein markanter Hund mal nicht als Förster für das Landeszentrum Wald in kommunalen oder privaten Wäldern um Hasselfelde unterwegs, könnte es gut sein, dass beide gerade eine angeschossene Wildsau verfolgen.

Denn der 56-jährige Forstingenieur ist einer der begehrten ehrenamtlichen Schweißhundeführer in der Region. Das heißt, wird ein Hirsch, Wildschwein oder anderes Wild im Kreis von etwa 60 Kilometern rund um Trautenstein angeschossen oder in einen Verkehrsunfall verwickelt und verschwindet im Wald, wird Ralf Zapf gerufen. Mit dem Ziel, die Spur aufzunehmen, das Tier zu stellen und von seinem Leid zu erlösen. Gerufen wird, genau genommen, nicht nur der erfahrene Forstmann, sondern vor allem seine Hündin Marta von der Herrenwies.

Als Hannoverscher Schweißhund trägt sie ihre Bestimmung schon im Namen, wobei Schweiß in der Jägersprache für das Blut von Wild und Jagdhund steht. Hündin Marta gehört damit einer der ältesten Jagdhunderassen an. 

Bis in die Zeit der Kelten um 500 vor Christus können Experten den Gebrauch dieses Jagdhelfers zurück verfolgen. Im Mittelalter hieß er ehrenvoll „Leithund“ und war bei den damaligen Jagden ohne Schusswaffen ein unentbehrlicher, eben zum Wild leitender Gefährte. Aus diesen Vorgängerhunden wurde später vor allem in Hannover, aber auch im Harz, in der Lüneburger Heide und im Solling die heutige Rasse gezüchtet. „Zucht durch Leistung, und durch Leistung zum Hundetyp“, erläutert Zapf, der in der Kreisjägerschaft des Altkreises Wernigerode zur Ausbildung der Jäger Vorträge zum Thema Hundewesen hält. 

Ein Hannoverscher Schweißhund, so steht es im Zuchtkatalog, wird bis zu 55 Zentimeter groß und bis 40 Kilo schwer. Er ist ein kräftiger Hund mit gestreckter Gestalt, hängenden Ohren und glattem Haar, meist graubraun, aber auch in anderen Farben. Der Charakter dieser Rasse gilt als ruhig und sehr eigen. Zum Schoßhund eigne er sich nicht, wehrt Zapf kategorisch ab. Der über Jahrhunderte, ja Jahrtausende hinweg zur Jagd gezüchtete Vierbeiner sollte unbedingt auch jagdlich geführt werden, um ihm ein artgerechtes Leben zu ermöglichen, ist Zapf überzeugt. Er selbst „hatte“ es von klein auf mit Hunden. Der Vater war Förster, Hunde gehörten zur Familie. Als Ralf Zapf später selbst Förster und 1986 ins Revier Trautenstein versetzt wurde, hatte er noch einen Deutsch Drahthaar. Kollegen, Freunde und Kenner wie der bereits verstorbene Rudolf Wüstemann aus Sorge, Kurt Pungar aus Königshütte und Werner Gutbier aus Hasselfelde rieten ihm damals, mit einem Hannoverschen Schweißhund zu arbeiten. Dem Rat ist Zapf gefolgt und hat es nie bereut.

Seit 1990 gehört der Forstmann deshalb dem „Verein Hirschmann“ an - einer Zuchtvereinigung innerhalb des Verbandes für Jagdgebrauchshunde, die sich ausschließlich mit dieser Rasse beschäftigt. Und die sicherstellt, dass ein Hannoverscher Schweißhund nicht in unbefugte Hände gerät. „Das wäre sehr ungünstig“, warnt Ralf Zapf, der Umgang mit einem Hannoverschen Schweißhund erfordere Wissen, Einfühlungsvermögen, Erfahrung und Arbeit. „Dazu gehört es, viel mit dem Hund zusammen zu sein, im Wald und zuhause, er ist faktisch ein Familienmitglied.“ Sagt es mit wissendem Blick auf seine Ehefrau Kerstin, die als Zahnarztechnikerin arbeitet und hinter dieser Passion ihres Mannes steht.

„Anders würde die Hundehaltung und Arbeit nicht funktionieren“, sagen beide. Ihr großer Sohn hat bereits die Jagderlaubnis erworben, ihr Enkel interessiere sich auch für das Jagdwesen, berichtet „Großvater“ Ralf Zapf stolz. Zur Familie gehört ein Deutscher Jagdterrier – Hummel vom Hagenbruch, nach der gleichnamigen Gemarkung bei Trautenstein benannt. Und alle kommen gut miteinander aus, im Einsatz aber sind Ralf Zapf und Hündin Marta ganz auf sich allein gestellt. Viele Male im Jahr, meist an den Wochenenden, weil Jagden meist an Wochenenden stattfinden, und Wildunfälle leider auch.

Wenn ein Anruf zur „Nachsuche“ kommt, geht es schnell raus, über Stock und Stein, stundenlang quer durch den Wald dem Wild hinterher. Das Duo immer im Kontakt, den der GPS-Sender am Hundehalsband sichert. „Jeder muss sich blind auf den anderen verlassen, ich muss wissen, was der Hund will und umgekehrt, um das schnelle und schlaue Wild nicht zu verlieren“, sagt der Schweißhundeführer – und gerät ins Schwärmen über das Wesen, Kampfgeist und die unglaubliche Nase seiner Marta von der Herrenwies.

„Manchmal kommt es vor, dass ein Schuss im Hirschleib stecken bleibt, es fällt kein Tropfen Blut auf den Boden, nur ein paar Härchen, und der Hirsch ist auf und davon“, berichtet Ralf Zapf: „Marta findet dann genau diese paar Härchen und nimmt die Verfolgung auf.“ Der Hund wittere nicht nur irgendein Wild, sondern den Individualgeruch des Hirsches oder Keilers, der gesucht wird. Immer gelingt das nicht, bleibt Zapf bescheiden: „Niemand ist perfekt, aber wir bemühen uns.“ Ist ein wunder Hirsch gestellt, gelte es, ihn zügig zu erlösen, ihn waidgerecht, also ohne Qual zu töten. Dazu gehöre das unbemerkte Anpirschen. „Das Schlimmste für den Hirsch wäre der Anblick des Menschen“, so Zapf. Der Fangschuss müsse gesetzt werden, ohne dass der Hirsch in Panik gerät, sein Leid erhöht wird. Ungefährlich ist das nicht. 

„Vor allem angeschossene Wildschweine sind äußerst wehrhaft“, weiß der Jäger aus eigener Erfahrung. Zwei seiner früheren Schweißhunde sind bei Kämpfen mit angeschossenen Keilern zu Tode gekommen. Ein dritter wurde bei der Verfolgung des Wildes über eine Straße hinweg überfahren. „Der Verlust ist jedesmal sehr schmerzlich, für unsere ganze Familie“, berichtet Zapf. Dann gelte es, von vorn anzufangen, ein neues Team mit sechs Beinen aufzubauen. Marta von der Herrenwies ist Ralf Zapfs siebenter Schweißhund, er möchte ihn nicht missen.