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Ilsenburg Das Harzer Rätsel bleibt ein Rätsel

Zeichnung? Oder Zeichung? Viele Interessenten versuchten sich an der Deutung des Ilsenburger Schriftzuges.

Von Jörg Niemann 03.07.2020, 04:00

Ilsenburg l Was könnte der auf dem Foto abgebildete Schriftzug bedeuten, der in der Ilsenburger Innenstadt auf dem Boden des Hütten- und Technikmuseums entdeckt worden ist? Das fragte die Volksstimme, und die Reaktionen waren vielfältig.

Einige haben geraten und ihre Kenntnisse aus Briefen der Großeltern eingebracht. Andere, wie der Vorsitzende des Wasserlebener Heimatvereins, Hans-Georg Krasberg, haben recherchiert und schrieben an die Volksstimme: „Der Buchstabe e deutet auf Sütterlin hin, eine Vereinfachung der Kurrentschrift, die erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts in den Schulen gelehrt wurde. Die Person, die hier tätig war, war entweder jung oder hat wenig geschrieben, denn die Buchstaben sind weitgehend ordentlich gesetzt, wie man es von Schülern erwarten kann.“ Krasberg, wie auch zahlreiche andere Leser, vermuten das Wort „Zeichnung“ hinter der Schrift. Manfred Schubert aus Ilsenburg bestätigt das Sütterlin und entziffert das gleiche Wort wie Krasberg aus der Schrift. Schubert weist darauf hin, dass Sütterlin bis 1939 gelehrt wurde. Ab 1940 seien dann die heute noch gültigen lateinischen Buchstaben gelehrt worden.

Lutz Reulecke aus Benneckenstein hat sich durch eine Online-Recherche informiert und entnimmt dem Schriftzug das Wort „Zwingun“. Da dies als Substantiv nicht unbedingt einen Sinn ergibt, vermutet er einen Familiennamen dahinter.

Viele Leser beteiligten sich auch mit Deutungen und Spekulationen an des Rätsels Lösung. Und da die Volksstimme den Beitrag auch auf ihrer Homepage veröffentlichte, gab es sogar deutschlandweit Reaktionen. Friedrich H. Meyer aus Monheim am Rhein zum Beispiel entzifferte - wie viele andere Leser auch - das Wort „Zeugnis“. Andere wie Eric Seibert suchten mit Hilfe des Online-Lexikons Wikipedia nach einer Lösung. Er schrieb an die Volksstimme: „Wenn ich davon ausgehe, dass dem angeheiterten Schreiber der Akzentstrich etwas nach rechts verrutscht ist, dürfte dort ein schwungvoll ausgeführtes „zechen“, also ein graffitoartiges Zeugnis einer Trink-runde auf dem Dachboden zu lesen sein“.

Renate Müller aus Timmenrode sowie Kathi Völker vermuteten das Wort „Zeugung“ in der Inschrift. Gut zu wissen, dass nur ein Wort vorgefunden wurden, so dass sich ein direkter Zusammenhang der Zeugung mit dem Zechen ausschließt.

Eine Reihe von Einsendern verwies auch auf den Umstand, dass es sich augenscheinlich um irgendeine, mit Zimmermannsstift an die Wand „gemalte“ Notiz handelt. Es könnte durchaus ein Hinweis im Zusammenhang mit dem Errichten das Marienhofes sein. Dies liegt aber schon fast 300 Jahre zurück, ergaben Volksstimme-Recherchen. Allerdings wurde auch im Marienhof immer wieder um- und angebaut.

Und nicht wenige Leser verwiesen darauf, dass es sich bei dem Fund nicht unbedingt um ein orthografisch richtig geschriebenes Wort handeln muss. Es könnte durchaus ein schnell dahingekritzeltes Wort oder ein Stichwort für irgend etwa sein, das dort abgelegt werden soll und abgelegt worden war.

Neben „Zeichnung“ erscheint daher auch „Zeitung“ eine durchaus mögliche Lösung sein, denn beim Leerräumen des Dachbodens haben die Museumsmitarbeiterinnen unzählige alte Zeitungen verschiedenster Verlage vorgefunden.

Eine durchaus plausible Erklärung bietet Reinhard Duske aus Ilsenburg an. Er schreibt: „Ich kenne den Begriff ,Zeichung‘ von meinem Großvater. Er wurde verwendet, wenn man etwas markiert hat, unter anderem wenn man im Forst die Baumstämme mit eingeschlagenen Nummern markierte. Da sagten die Leute im alten plattdeutsch-harzer Dialekt: ,dat is teiket.‘ (Das ist gezeichnet.) Das Substantiv dazu war ,Zeichung‘. Heute würde man Markierung sagen.“

Einen religiösen Aspekt bringt Gabriele Schmidt aus Langeln ins Spiel. „Der Schriftzug bedeutet ,Zeichim‘ und hatte vor einigen Jahrhunderten eine christiliche Bedeutung. Die Langelnerin verwies in diesem Zusammenhang auf die „Encyclopädie der Wissenschaft und Künste“.

Fazit: Hundertprozentig zu lösen scheint das Rätsel nicht zu sein, denn es fehlen letztlich die Umstände, wie und warum das Wort überhaupt aufgeschrieben worden ist. Fest steht zweifelsfrei, dass es sich um ein Wort in der Sütterlin-Schrift handelt. Die Redaktion bedankt sich bei allen, die sich am Rätseln beteiligt haben. Etwa 50 Hinweise haben die Redaktion auf direktem Wege erreicht, zahllose Kommentare und Hinweise wurden in den sozialen Medien gepostet.