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Invasive Arten Waschbären in Wernigerode abgetaucht

Beschwerden über Waschbären sind in Wernigerode selten geworden. Doch die Raubtiere sind nicht aus dem Harz veschwunden.

Von Holger Manigk 16.10.2018, 01:01

Wernigerode l Es ist ruhig geworden um die Waschbären im Stadtgebiet. „Wir erhalten zurzeit kaum Anrufe wegen zerwühlter Beete oder geplünderten Mülltonnen“, sagt Frank Lüddecke. Dem Chef der Jägerschaft Wernigerode pflichtet Tobias Kascha bei. Wie der Rathaussprecher auf Volksstimme-Anfrage antwortet, liegen dem Ordnungsamt „derzeit keine konkreten oder kritischen Meldungen vor“.

Doch die allesfressenden Eindringlinge sind nicht verschwunden. „Nach Kassel gehört Wernigerode weiter zu den Zentren der Waschbär-Population“, berichtet Lüddecke. Allein in der vorigen Woche hätten Jäger aus der bunten Stadt am Harz sechs der Kleinbären erlegt. „Die Waschbär-Strecke im Stadtwald ist weiterhin auf hohem Niveau“, bestätigt Kascha. Im Jagdjahr 2017/18, das im März endete, wurden im Landkreis Harz 3344 der Räuber zur Strecke gebracht. Die Dunkelziffer sei vermutlich weitaus höher, so Lüddecke.

Der Vorstandsvorsitzende der Jägerschaft vermutet allerdings, dass der Bestand durch eine Viruskrankheit – wie Räude oder Staupe – dezimiert wurde. Dennoch sei es nahezu unmöglich, die eingewanderten Pelzträger wieder aus der Harzer Natur zu entfernen. In Wernigerode hätten sie sich wohl über das gesamte Stadtgebiet verbreitet – nur bleiben sie für den Menschen meist unsichtbar.

„Wer glaubt, dass die Katze fleißig frisst, weil der am Abend rausgestellte Futternapf morgens leer ist, täuscht sich“, sagt der Jagd-Experte. Statt des Haustieres würden sich wahrscheinlich Waschbären an der Nahrungsquelle gütlich tun. „Am besten gar kein Futter rausstellen oder den Napf am Abend wieder mit ins Haus nehmen“, rät Frank Lüddecke.

Ursprünglich hatten die Harzer Waschbären in Pelztierzuchten gelebt. In den Wirren am Ende des Zweiten Weltkrieges konnten die gewitzten Tiere ausbrechen und verbreiten sich ungehindert mangels natürlicher Feinde. Nicht nur Früchte, Amphibien und Reptilien stehen auf dem Speiseplan der Kletterkünstler, sondern auch Jungvögel und Vogeleier. Auf der Suche danach erklimmen die maskierten Säugtiere Bäume und sogar steile Felswände.

Die Europäische Union nahm die marderartigen Raubtiere, die eigentlich in Nordamerika zu Hause sind, im Sommer 2016 in ihre Liste der invasiven Arten auf. In Sachsen-Anhalt darf der Waschbär ganzjährig bejagt werden.

Waidmänner setzen dabei vor allem auf Lebendfallen. So könnten fälschlicherweise gefangene Tiere wieder freigelassen werden. Umweltschützer halten dagegen, dass die intensive Jagd auf die Anpassungswunder das Problem bislang nicht eindämmen konnte. Ihr Argument: Populationsverluste gleichen die Waschbären durch eine vermehrte Fortpflanzungsrate aus, argumentiert etwa der Naturschutzbund.

Unterdessen ist der Waschbär nicht mehr die einzige invasive Art im Harz: Auch Marderhund, Mink und Nutria kommen inzwischen in der Region vor, antwortet Manuel Slawig, Pressesprecher der Kreisverwaltung auf Volksstimme-Anfrage.