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Feuerwehr Jeden Tag eine gute Tat für Wernigerode

24-Stunden-Schichten sind für die Feuerwehrmänner von Wernigerodes hauptamtlicher Wachbereitschaft Alltag. Seit 26 Jahren retten sie Leben.

Von Ivonne Sielaff 24.01.2019, 00:01

Wernigerode l Wenn die Sirene heult, lassen sie alles stehen und liegen. Ob sie gerade Einsatzkleidung säubern, essen, Fahrzeuge warten oder sich zur Nachtruhe gelegt haben. Wenn es brennt, müssen sie sofort zur Stelle sein. „Von 0 auf 100 Prozent“, sagt Stadtwehrleiter Matthias Treuthardt, zugleich Brandschutz-Experte im Wernigeröder Rathaus. Zehn Jahre war er vorher aktiv im Einsatz. „Das reicht für 20 Jahre, was man da mitgemacht hat“, sagt der 48-Jährige.
16 Männer gehören zu Wernigerodes hauptamtlicher Wachbereitschaft. Ihre Schichten beginnen um 7 Uhr morgens und enden 24 Stunden später. Im Feuerwehr-Domizil in der Bahnhofstraße verrichten die Brandschützer nicht nur ihren Dienst. Hier essen sie Frühstück, Mittag, Abendbrot, lesen, schlafen, schauen fern – das Gerätehaus ist ihr zweites Zuhause. Das Einsatzgebiet der Wernigeröder ist riesig – reicht von der Stadt und den fünf Ortsteilen über den Brocken bis hin zur Eckertalsperre. Zusammen mit den Kameraden von der freiwilligen Feuerwehr kommen sie auf über 600 Einsätze 2018.
„Bei Schichtbeginn weiß man nie, was auf einen zukommt“, sagt Michael Spors. Der 55-jährige Truppführer weiß, wovon er redet. Seit 1997 ist er bei der Wachbereitschaft. Er fing schon als Kind bei den jungen Brandschützern an. Ein Feuerwehrmann, wie er im Buche steht. Die Bekämpfung von Bränden sei allerdings der geringste Teil der Arbeit, weiß Spors aus Erfahrung. Er und seine Kollegen rücken auch zu Türöffnungen, Hilfeleistungen bei Unfällen, Beseitigung von Ölspuren und Tierrettungen aus, wie zu dem jungen Schwan, der sich im Sommer 2018 in einer Angelschnur verheddert hatte.
Nicht jede Kommune leistet sich eine hauptamtliche Wachbereitschaft. In Sachsen-Anhalt gibt es laut Matthias Treuthardt nur 14 oder 15. Die nächstgelegene sei in Halberstadt. „Brandschutz ist eine Pflichtaufgabe der Städte.“ Gibt es keine hauptberufliche Einsatztruppe, werde diese Aufgabe von der freiwilligen Feuerwehr erledigt. „Das ist aber schwierig, weil viele freiwillige Wehren personell schwach aufgestellt sind.“ Der Vorteil der Hauptberuflichen: „Wenn es brennt, sind wir schneller vor Ort. Wir können gleich von hier aus losfahren“, so Treuthardt. „Und bei einem Feuer können fünf Minuten eine große Rolle spielen.“
Wernigerodes hauptberufliche Wachbereitschaft existiert seit 26 Jahren. Zu DDR-Zeiten hatte Wernigerode eine Berufsfeuerwehr mit 36 Planstellen, erinnert sich Peter Grünig. Der 62-Jährige, inzwischen pensioniert, war langjähriger Schichtführer der Wachbereitschaft. „Damals sind wir Einsätze im gesamten Kreis gefahren, wir waren die einzige Berufsfeuerwehr.“ 1989 dann sei beschlossen worden, die Truppe aufzulösen. Die freiwillige Feuerwehr sollte den Brandschutz komplett übernehmen. „Die Wende hat uns aber gerettet.“
Nach 1990 sei es erst einmal drunter und drüber gegangen. „Die gesamte Führung ist in Deckung gegangen. Aus Unkenntnis wurden viele Fehler gemacht“, sagt Grünig. „Das Schichtsystem haben wir uns von Braunschweig abgeguckt. Schulungsunterlagen haben wir selbst erarbeitet.“ Einsätze wurden weiter im gesamten Landkreis Wernigerode gefahren. „Wir hatten gehofft, dass die Chancen für uns dadurch besser stehen.“ Doch in jener Zeit baute der Kreis seinen eigenen Brandschutz auf, was zu Verunsicherung unter den Wernigerödern führte. Von der einst 36 Mann starken Einsatztruppe war nicht einmal die Hälfte übrig geblieben. „Viele haben sich neue Arbeit gesucht.“
Der Wendepunkt kam im Januar 1993: der Start für die hauptamtliche Wachbereitschaft der Stadt Wernigerode. Die Zukunft der früheren Berufsfeuerwehr war erst einmal gesichert, doch es taten sich neue Probleme auf: die Ausbildung der neuen Kollegen, ein Schichtbetrieb über sieben Tage die Woche mit fünf Mann pro Schicht. „Das war Harakiri“, erinnert sich Peter Grünig. Dazu kam, dass die Kameraden das Gerätehaus in der Schmatzfelder Straße herrichten mussten, um dort 24 Stunden am Tag arbeiten zu können. „Es war eng dort, mit vielen Schrägen“, sagt Grünig. „Heute kann man drüber lachen. Aber das war schon abenteuerlich. Wenn ich was bei der Feuerwehr gelernt habe, dann wie man baut.“
Seit 1998 hat die Feuerwehr ihren Sitz in der Bahnhofstraße. Der Schichtbetrieb wurde längst optimiert, die freiwillige Feuerwehr hat die Einsatzbereitschaft am Wochenende übernommen.
Nicht nur das habe sich verändert, sondern auch die Einstellung der Menschen. Das haben die Feuerwehrleute beobachtet. Plötzlich ist es nicht mehr so schlimm, wenn ein Haus niederbrennt, weil die Versicherung einspringt. „Das war zu DDR-Zeiten anders“, sagt Grünig. Ebenso wie das Verkehrsaufkommen, das sich im Laufe der Jahre immer weiter erhöht hat – und dadurch auch die Anzahl der Unfälle, zu denen die Feuerwehrleute gerufen werden. Die Verantwortlichkeiten hätten sich ebenfalls geändert. „Früher ist man als Schichtleiter zuerst rein, wenn es gebrannt hat“, blickt Grünig zurück. „Jetzt passt man eher auf, dass die anderen heile wieder rauskommen.“ Das habe viel mit Erfahrung zu tun. „Irgendwann wusste ich, was ich den Leuten zumuten kann.“
Denn die Gefahr ist bei jedem Einsatz dabei. „Ängstlich darf man als Feuerwehrmann nicht sein, aber Respekt sollte man haben“, sagt Peter Grünig. Manche Einsätze sind ihm und seinen Kollegen in Erinnerung geblieben. „Es gibt Sachen, die einem ewig nachhängen“, sagt Michael Spors. „Das kann man nicht einfach wegdrücken.“ Am schwierigsten sei aber die Stressbelastung, mit der sie zu kämpfen haben. „Ich konnte nachts nie durchschlafen - auch wenn ich frei hatte“, erinnert sich Peter Grünig. „Noch heute regt es mich auf, wenn ich ein Telefon mit dem gleichen Klingelton wie hier höre.“
Dennoch „brennen“ sie alle nach wie vor für ihren Job. „Wie heißt es so schön: Jeden Tag eine gute Tat“, so Grünig. „Es gibt auch viele Einsätze, bei denen man schmunzelt“, sagt Michael Spors. Und Matthias Treuthardt: „Die Arbeit ist vielfältig und abwechslungsreich. Und weil man immer jemandem helfen kann, sind wir mit Herzblut dabei.“