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Jodlerwettstreit Zukunft für Harzer Tradition ungewiss

Nach der Absage des Jodelwettstreits in Altenbrak kochen die Gemüter. Die Beteiligten schwanken zwischen Unverständnis und Bedauern.

Von Karoline Klimek 06.09.2020, 01:01

Altenbrak l Es hätte am Sonntag, 6. September, ein freudiges Fest werden sollen, bei dem Brauchtum und Glaube – und damit ein Zusammengehörigkeitsgefühl – im Fokus stehen. Doch nun teilt der Altenbraker Jodlerwettstreit die Gemeinschaft. Auf der einen Seite steht der Ortschaftsrat, der die Veranstaltung im Corona-Jahr aus Sicherheitsgründen nicht gern gesehen hätte. Auf der andere der Trachtenverein, der an der Tradition festhalten wollte. Eine Versöhnung ist auch drei Wochen nach der Absage nicht in Sicht.

Die Einstellung des Ortschaftsrates „nicht wirklich nachvollziehen“ kann Martina Weber, stellvertretende Vorsitzende des Trachtenvereins. „Ich habe davon auch erst einige Tage nach der Sitzung erfahren, wurde eher inoffiziell informiert“, wirft sie dem Gremium vor. „Sie können außerdem nichts absagen, was ihnen nicht gehört.“

Das sei auch nicht der Fall gewesen, wehrt sich Altenbraks Ortsbürgermeister Michel Wiese (Altenbraker Wählergruppe). „Wir haben keinen Einfluss darauf, haben lediglich darüber geredet“, erklärt er. Die Kommunikation mit dem Verein lief dann jedoch per E-Mail. „Vielleicht hätte ich das nicht tun sollen“, äußert er sich hinsichtlich der nun vertrackten Situation. „Es ist einfach dumm gelaufen und hat sich dann hochgeschaukelt.“

Gleichzeitig bittet er um Verständnis für seine Sicht. „Ich habe auch eine Verantwortung. Wenn etwas passiert, dann geht es hier richtig los. Und wir haben nunmal vorwiegend ältere Leute im Ort und auch bei der Veranstaltung“, erklärt der Ortsbürgermeister. „Bisher wurden wir in Altenbrak verschont und ich möchte, dass das so bleibt. Man sieht ja die wieder steigenden Zahlen in anderen Ländern.“

Martina Weber dagegen verweist auf das vorliegende Hygienekonzept, das der Verein mit dem Gesundheitsamt besprochen habe, und die generellen Regelungen in Sachsen-Anhalt. „Freilichtveranstaltungen dürfen bereits seit Anfang Juli wieder bis 1000 Besucher stattfinden. Und wir hatten uns sogar auf 500 beschränkt“, gibt sie zu bedenken.

Das Interesse der Bevölkerung war da. Die Veranstaltung wäre ausverkauft gewesen, ist sich Andreas Knopf, Jodelmeister und Kassenwart des Vereins, angesichts der bis zur Absage verkauften Tickets sicher. Nun stecke er mitten in der Rückabwicklung. Auch die Teilnehmer wären, bis auf die auf Chorgesang ausgerichteten Kindergruppen, zahlreich gekommen.

Um den Erhalt der Tradition mache er sich große Sorgen, vor allem aufgrund fehlender Unterstützung außerhalb der Stadtgrenzen. „Wir bekommen keinerlei Förderung vom Land und werden als Jodler allein gelassen. Das ist traurig und schade. Da kann man nur weinen“, sagt Andreas Knopf. Dabei schaut er nach Bayern und Österreich, wo die Tradition seiner Meinung nach viel mehr gepflegt werde. „Und bei uns wird man schief angeschaut, wenn man eine Harzer Tracht anhat.“

Er wünsche sich politische Unterstützung. Finanzielle Hilfe habe der Verein zumindest von der Stadt Thale erhalten. Dafür sei man noch immer überaus dankbar. „Das hat aber auch nur ein Sechstel der Gesamtkosten ausgemacht“, ordnet der Kassenwart ein. Schließlich habe die Realisierung des Wettstreits jährlich mehrere Tausend Euro verschlungen, die der Trachtenverein größtenteils selbst aufbringen musste.

Mittlerweile reichen die Kräfte einfach nicht mehr aus, gesteht Martina Weber. Und oben drauf käme die Verärgerung. „Das ist unser Hobby, das man hier einfach so mit Füßen tritt“, macht sie ihrem Unmut Luft. Andreas Knopf ist ebenfalls demotiviert. „Ich habe selber viele Jahre dafür gekämpft, dass die Tradition erhalten wird. Und jetzt wird sie zunichte gemacht.“ Die Konsequenz: Der Trachtenverein werde an diesem Wochenende bei einer vorgezogenen Mitgliederversammlung sein Aus beschließen. „Und ich lege auch mein Amt als Kulturbeauftragte der Stadt nieder“, sagt Martina Weber.

Der Frust sitzt tief. Dabei fragen sich beide Seiten, wie es überhaupt soweit kommen konnte. „Bis dahin hat es richtig gut geklappt. Die Vereine des Ortes – Schützenverein, Weihnachtsmänner und Harzklub – standen hinter uns und auch Herr Wiese hat uns im letzten Jahr toll unterstützt“, blickt die Vereinsvize gern zurück. Und auch Altenbraks Ortschef betont: „Wenn ich von einer Sache überzeugt bin, dann bin ich der Letzte, der nicht hilft.“ Nur dieses Jahr sei das eben aus seiner Sicht nicht möglich gewesen.

Einig sind sich die Parteien darüber, dass die Jodeltradition in der Region weiter gepflegt werden sollte. „Ich befürchte jedoch, dass sich niemand bereit erklären wird, den Wettbewerb fortzuführen“, meint Martina Weber. Laut Andreas Knopf bedarf es jemanden, der dafür eine Leidenschaft hat. „Es soll ja keine volkstümliche Hitparade werden, nur um die Kosten zu decken. Die Tradition sollte im Vordergrund stehen“, sagt er.

Dass es weitergeht, das hofft auch Michel Wiese. Dazu hat er bereits Gespräche mit Vertretern der Stadt Thale und der Bodetal Tourismus GmbH als Verantwortliche für die Waldbühne geführt. „Es wird im nächsten Jahr definitiv etwas geben in diese Richtung. Es gehört einfach dazu“, betont er. Jedoch müsse man schauen, was man organisieren könne.