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Kakteenzucht Prinzessin der Nacht erblüht

Wie ein Event wird bei Familie Roehl in Wernigerode das Blühen einer besonderen Kakteenpflanze gefeiert: die Prinzessin der Nacht.

Von Regina Urbat 27.08.2016, 01:01

Wernigerode l Es erinnert an den amerikanischen Kultfilm „Dennis“. So wie Walter Matthau als Mr. Wilson seine Gartenfreunde um sich schart, um den Augenblick zu feiern, wenn die Königin der Nacht in voller Blüte steht, sitzen Familie und Nachbarn bei den Roehls auf der Terrasse. Nur warten sie nicht wie gebannt, sondern genießen schon den wunderschönen Augenblick. Mit dem Einbruch der Dunkelheit haben sich fünf Blüten entfaltet, sie duften herrlich.

„Es ist eine Selenicereus pteranthus“, sagt Jürgen Roehl beim Eintreffen der Presse und ist gleich in seinem Element. „Der Kaktus wird als Prinzessin der Nacht bezeichnet und ähnelt der Selenicereus graniflorus – der Königin der Nacht.“ Mit einer Hand streicht der 67-Jährige behutsam über die zarten Blätter, die die Blüte umhüllen. „Sie sind wie Federn.“

Mit Freude beobachtet die zwölfjährige Enkelin Maria, wie ihr Großvater von seinem Hobby berichtet. Die Vorträge über die Ableitungen der lateinischen Bezeichnungen kennt sie gut. Früher hat sie sich mit der Kakteenpflanze fotografieren lassen und erinnert an ein Bild mit 13 Blüten. „So viele haben bislang nur einmal in einer Nacht geblüht“, sagt Jürgen Roehl. Seit 40 Jahren hegt und pflegt er seine „Prinzessin“, die noch drei Knospen hat. Wann diese blühen? „Das zeigt sich immer erst gegen Mittag.“ Zum Abend öffnet sich dann die Knospe, die Blüte erreicht um Mitternacht die volle Pracht und ist am Morgen schon welk. Gewöhnlich holen sich Fledermäuse den Nektar. „Doch die haben wir hier nicht.“

In diesem Jahr sind die Bedingungen für den Nachtblüher perfekt; die Nächte sind warm, tagsüber scheint genügend Sonne. „Wir hatten schon Zeiten, da wurde mit einem Wärmestrahler nachgeholfen“, wirft Ehefrau Gerlinde Roehl ein. Sie selbst widme sie sich mehr ihren Hibiskuspflanzen als den Kakteen, von denen es im Haus und Garten der Wernigeröder weit über 1000 gibt.

Seit seiner Jugend beschäftigt sich Jürgen Roehl mit Sukkulenten – wasserspeichernden Pflanzen. In Blankenburg geboren und aufgewachsen, hat er von seinem Vater, einem gelernten Gärtner, „die Leidenschaft geerbt“, wie er sagt. Den Mutterkaktus seiner Prinzessin der Nacht hat er als Kind von seinem Taschengeld gekauft. „Zwölf Mark hat der Spross damals gekostet.“

Mittlerweile ist der Ingenieur für Verfahrenstechnik ein sehr aktiver Züchter und Mitglied der Deutschen Kakteengesellschaft. „Ich habe mich der Ortsgruppe in Salzgitter angeschlossen. Hier ist weit und breit in dieser Hinsicht nichts los.“ Mit seiner Frau hat er schon einige Länder bereist, um solche Kakteen in freier Natur zu bewundern, die er aus einem Samenkorn gezogenen hat. Bei einer Tour durch Amerika musste sich die Reiseleiterin geschlagen geben. Der Harzer überbot sie mit seinem Fachwissen, berichtet Gerlinde Roehl und schmunzelt.

Ihr Ehemann ist unterdessen in seinem Gewächshaus verschwunden und kehrt mit einem kleinen Töpfchen zurück. „Den müssen sie fotografieren, weil die Volksstimme ihn zum Jahreswechsel vergessen hat“, sagt Jürgen Roehl und präsentiert den Kaktus des Jahres 2016. „Es ist der Discocactus horstii, der auch die Wärme liebt, jedoch mehrmals im Jahr blüht - und duftet.“