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Zum Tod von Prof. Helmut Rische, langjähriger Chef des heutigen Robert-Koch-Instituts in Wernigerode und Kreistagsmitglied von 1994 bis 2004 Kein Wissenschaftler im Elfenbeinturm, stets politisch interessiert

Von Ludwig Hoffmann 12.08.2013, 01:26

Wernigerode l Der Mediziner Prof. Dr. Helmut Rische ist am 26.Juni im gesegneten Alter von 92Jahren verstorben.

Mit ihm verliert Wernigerode einen hervorragenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der Hygiene- und der Infektionsforschung. Der Tradition seines Vorgängers folgend, setzte sich Helmut Rische im Hygiene-Institut in der Wernigeröder Burgstraße mit ganzer Kraft für den Kampf gegen Infektionskrankheiten wie Typhus, Ruhr und Lebensmittelvergiftungen ein. Bereits 1955 gründete er das Zentrallaboratorium für Lysotypie. Dank seiner Fachkenntnis konnten Infektionsgeschehen - zur damaligen Zeit besonders Typhusepidemien - aufgeklärt werden.

1965 wurde auf seine Initiative das Institut für Experimentelle Epidemiologie durch das Ministerium für Gesundheitswesen unter dem Dach des Bezirks-Hygiene Instituts gegründet, das in der Folgezeit sowohl in der DDR als auch international hohes Ansehen genoss. Er engagierte sich sehr für den wissenschaftlichen Austausch über die Grenzen der DDR hinaus. Er gab jungen Naturwissenschaftlern die Möglichkeit, ihre Kenntnisse in der medizinischen Forschung einzubringen. Schließlich waren die Forschungsergebnisse des Wernigeröder Instituts (und sie sind es bis heute) Grundlage für den Erlass gesetzlicher Vorschriften auf dem Gebiet des Infektionsschutzes.

Weitsichtig etablierte Helmut Rische in Wernigerode die Forschung auf den Gebieten der Salmonellen und Staphylokokken (Krankheiten erregende Bakterien) bis hin zu der heute hochaktuellen Resistenz gegenüber Antibiotika. Vor allem sah er die Notwendigkeit, die Infektionsforschung auf naturwissenschaftliche, das heißt mikrobiologische Grundlagen zu stellen. Dafür standen vor allem die von ihm ins Institut berufenen späteren Professoren Helmut Tschäpe und Wolfgang Witte. Sie führten das Institut mit dem beruflichen Ruhestand von Helmut Rische im Jahr 1986 weiter.

Dem hohen Standard der im Wernigeröder Institut erarbeiteten Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der Bakteriologie und Epidemiologie (Seuchenkunde) ist es zu verdanken, dass der Wissenschaftsrat nach der Wende entschieden hat, dieses Institut dem damaligen Bundesgesundheitsamt zuzuordnen. Heute ist es deutschlandweit die einzige Außenstelle des Berliner Robert Koch-Instituts des Bundes.

Helmut Rische hat zahlreiche fachwissenschaftliche Arbeiten, Bücher und Schriften sowie allgemeine Veröffentlichungen herausgegeben und sich damit als Experte auf dem Gebiet ausgewiesen. Die Wissenschaft fesselte ihn bis ins hohe Alter. Erst im Jahr 2010 hat er sich, fast 90-jährig, gegenüber einem ehemaligen Mitarbeiter geäußert: "Ich kann Ihnen das Manuskript leider nicht mehr durchsehen, da ich mich vor kurzem vom wissenschaftliche Leben zurückgezogen habe."

Prof. Rische war kein Wissenschaftler im "Elfenbeinturm". Stets politisch interessiert, begann er sich in einem Lebensalter, in dem andere Menschen vor allem an Rückzug aus dem öffentlichen Leben denken, auch kommunalpolitisch zu engagieren. Bei den Kommunalwahlen in den Jahren 1994 und 1999 erhielt er von den Wählern auf der SPD-Liste das Mandat für den Wernigeröder Kreistag. Dort waren seine Arbeitsschwerpunkte die Umweltpolitik, vor allem eine moderne Abfallentsorgung, für die er sich mit der Objektivität uns Streitbarkeit des Wissenschaftlers engagierte. Helmut Rische gebührt für sein vielfältiges Engagement Dank und dauerhaftes Andenken.

Der Autor ist Vorsitzender des Wernigeröder Heimat- und Geschichtsvereins, Mitglied im SPD-Ortsverein Wernigerode und war von 1994 bis 2008 Oberbürgermeister der Stadt.