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Leukämie Leben retten: Typisierungen sind im Harz auch in Corona-Zeiten möglich

Von Ivonne Sielaff 06.05.2021, 10:30
Es werden dringend Stammzellenspender gesucht. Die Harzer können dem Verein für krebskranke Kinder helfen und sich typisieren lassen. Das Set mit den zwei Wattenstäbchen kann beim Verein bestellt werden.
Es werden dringend Stammzellenspender gesucht. Die Harzer können dem Verein für krebskranke Kinder helfen und sich typisieren lassen. Das Set mit den zwei Wattenstäbchen kann beim Verein bestellt werden. Foto: Ivonne Sielaff

Wernigerode

Corona beeinträchtigt unser Leben und unseren Alltag derzeit massiv. Keine Frage. Doch es gibt auch noch andere Krankheiten. Daran möchte Avery Kolle vom Verein für krebskranke Kinder Harz erinnern. Und zwar aus einem guten Grund. Durch die Corona-Pandemie seien seit Monaten keine Typisierungsaktionen möglich.

„Es ist leider immer noch so, dass nicht für jeden, der an Blutkrebs erkrankt, ein passender Stammzellenspender gefunden wird“, sagt der Vereinschef. Erst neulich sei die zwölfjährige Lana gestorben. Mit neun Jahren war bei der jungen Augsburgerin Leukämie diagnostiziert worden. Tapfer kämpfte das Mädchen gegen die tückische Krankheit, hielt ihre über 100.000 Abonnenten auf der Plattform Instagram auf dem Laufenden, erregte damit deutschlandweit Aufmerksamkeit.

Ein Fall, der Avery Kolle betroffen macht – eben weil es für die Zwölfjährige keinen passenden Spender gab. Denn sonst, ist Kolle überzeugt, würde Lana noch leben.

Pro Wangenseite ein Abstrich

Für 2020 hatte der Verein mit Sitz in Wernigerode fünf große Typisierungsaktionen im Harzkreis geplant. „Wir haben mit über 1000 Teilnehmern gerechnet.“ Doch die Aktionen fielen ins Wasser. Und auch 2021 sieht es, was großangelegte Aktionen betrifft, momentan eher düster aus.

Deshalb hat sich der Verein etwas ausgedacht. Interessierte können sich über die Vereins-Website www.kinderkrebshilfe-harz.de ein Typisierungsset nach Hause bestellen. „Einfach eine E-Mail schreiben und wir verschicken die kleinen Pakete mit Teststäbchen und Anleitung“, informiert Avery Kolle. In der Vereinszentrale in der Feldstraße könnten die Testkits auch abgeholt werden.

Durch Corona seien die Leute fürs Testen sensibilisiert, hofft der Wernigeröder. „Und sie können womöglich sogar ein Leben retten.“ Das Prozedere sei ganz einfach. Pro Wangenseite ein Abstrich und die Stäbchen in einem Umschlag an den Kinderkrebsverein zurückschicken.

Spendenbereitschaft ist eingebrochen

„Das ist der einzige Aufwand, den die Leute haben“, sagt Kolle. „Die Tests gehen dann nach Dessau, wo sie analysiert und in die große Datenbank eingepflegt werden.“ Die Vereinsmitglieder hoffen nun auf möglichst viele Teilnehmer.

Auch sonst sei der Verein nach einer mehrmonatigen Talfahrt wieder am Durchstarten. „2020 war ja so ziemlich alles stillgelegt“, blickt der Vereinschef zurück. Das Sonnenschutzprojekt in den Harzer Kindertagesstätte stoppte im März 2020. Auch die Vermietungen für die Erholungsstätte am Bernsteinsee mussten abrupt enden. Die Spendenbereitschaft sei ebenfalls eingebrochen. „Das war schon ein Bruch. Und wenn alles auf der Bremse steht, färbt das schon auf die Vereinsarbeit ab.“

Dabei durfte die Arbeit der Vereinsmitglieder nicht ruhen. „Letzten September brauchten zwölf Familien mit erkrankten Kindern unsere Unterstützung. Sonst sind es im Schnitt vier bis fünf Familien.“ Das sei eine „mächtige Herausforderung“ gewesen – zumal die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie und vermehrt Rechtsstreitigkeiten mit Behörden dazu kamen.

Benefizveranstaltung verschoben

„Aber“, sagt Avery Kolle. „Wir sind aus dem Tief heraus und bereiten einiges vor.“ So soll das Sonnenschutzprojekt an den Kitas fortgesetzt werden. „Wir haben dafür viel Material zusammengestellt.“ Zudem sei in den Wintermonaten die komplette Anlage am Bernsteinsee auf Vordermann gebracht worden. „Wir haben die Heizungen umgestellt, haben die Fenster ausgetauscht, LED-Technik eingebaut und setzen nun auf Stromsparen und mehr Nachhaltigkeit.“ Ein Sport- und Kinoraum sei noch im Bau. „Wir hoffen nun, dass wir Anfang Juni wieder eröffnen und vermieten können.“

Traditionelle Veranstaltungen wie der Benefizlauf, das Erlebniscamp sowie die verschobene Zehn-Jahres-Feier des Vereins seien alle in den September/Oktober verlegt worden. „Wir haben das Gefühl, dass wir wirklich durch die Krise hindurch sind und sehen endlich wieder Licht am Horizont“, sagt Avery Kolle.

Ein weiterer Lichtblick für den Verein ist die ungebrochene Bereitschaft der Menschen, ihre Haare für Perücken für Krebskranke zu spenden. „Wir werden damit total überrannt“, so Kolle. Mittlerweile seien zwei Vereinsmitglieder damit beschäftigt, die eingehenden Haarspenden abzuarbeiten. 1600 Zöpfe seien seit September 2020 abgegeben worden. Sie lagern allesamt in Kisten im Vereinsdomizil in der Feldstraße. „Wir wollen sie, sobald es möglich ist, selbst in die Perückenfabrik im Münsterland bringen, um uns die Abläufe dort mal anzuschauen.“

Vereinschef Avery Kolle mit den 1600 Haarspenden, die seit September 2020 beim Verein eingegangen sind.
Vereinschef Avery Kolle mit den 1600 Haarspenden, die seit September 2020 beim Verein eingegangen sind.
Foto: Ivonne Sielaff