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Für 19 Millionen Euro Altlasten im Eckertaler Schimmerwald beseitigt / Beräumung fordert 14 Tote Nach 32 Jahren endet die Munitionsbergung im Oktober 2011

15.06.2011, 04:35

Stapelburg/Bad Harzburg (rar). Mit den Hinterlassenschaften auf dem MUNA-Areal im Schimmerwald zwischen Bad Harzburg und Stapelburg hat es nun die längste Zeit gedauert. Aller Voraussicht nach ist das riesige Gelände im Eckertal bis Ende Oktober 2011 endgültig beräumt und steht damit nach Jahrzehnten der Sperrung ab dem Spätherbst für die Wiederaufforstung und öffentliche Nutzung bereit. Das wurde während einer Pressekonferenz auf dem MUNA-Gelände durch Joachim Noparlik mitgeteilt. Er ist zuständig für den Bereich Rüstungsaltlasten beim Kampfmittelbeseitigungsdienst der Zentralen Polizeidienststelle in Hannover.

Insgesamt war das abgesperrte MUNA-Gelände 270 Hektar groß. Rüstungsaltlasten der Wehrmacht wurden bis jetzt auf einer Fläche von 230 Hektar beseitigt. Die MUNA liegt komplett in Niedersachsen, allerdings direkt angrenzend an die ehemalige deutsch-deutsche Grenze.

Von den einst 137 Bunkern ist lediglich ein einziger übriggeblieben. Dieser ist mit jeweils zehn Metern Länge im rechten Winkel und knapp unter der Erdoberfläche nicht sonderlich groß. Für den Fall, dass dieser die Sprengung von Kleinstmunition übersteht, soll er künftig als Fledermausquartier genutzt und entsprechend gesichert werden.

Die Bilanz nach 32 Räumjahren im Schimmerwald fällt gleich in mehrfacher Hinsicht beeindruckend und in letzter Konsequenz auch dramatisch aus. Allein die Kosten zur Munitionsbeseitigung beliefen sich auf 19 Millionen Euro. Dieser Standort zählte von Anfang an zu den größten zu beräumenden Munitionsanlagen in ganz Niedersachsen.

30 000 Tonnen Munition in 137 Bunkern

Die Hinterlassenschaften nach der zweitägigen Sprengung der Nazis unmittelbar vor Kriegsende war immer noch "hochbrisant", so Noparlik. Nach den Unterlagen der Alliierten lagerten im Schimmerwald/Eckertal ursprünglich 30 000 Tonnen Munition. Mit 10 000 Tonnen, die nach der gewaltigen Detonation immer noch völlig unbeschädigt blieben, also einem Drittel, hatte man es all die Jahre bis heute zu tun. Allein 2007 seien auf einer Teilfläche von 32 Hektar 422 Tonnen Munition mittels unterschiedlicher Techniken geborgen worden. Dort wird in der noch verbleibenden Zeit noch mit weiteren 320 Tonnen hochexplosiver Altlasten gerechnet. Erst in den jüngsten Tagen waren im Eckertal gleich mehrere 1600-Kilo-Panzersprengbomben vor Ort vernichtet worden. Es handelt sich in allen Fällen ausschließlich um deutsche Munition.

Fest stehe, dass für das Areal auf lange Sicht nur eine forstliche Nutzung infrage kommt. Auf Teilflächen ist das bereits jetzt längst der Fall. Dort sei der Boden 40 Zentimeter tief komplett abgetragen, durchgesiebt und wieder aufgebracht worden. Diese sogenannten "Großseparierungsanlagen" funktionieren auf Magnetbasis. Der Experte: "Typisch sind hier die Großbomben oder auch die unzähligen Werfergranaten von bis zu zwei Kilogramm. Mit Ersteren hatten wir es in den Anfangsjahren nicht in diesem Ausmaß zu tun. In jüngster Zeit aber vermehrt." Überrascht zeigte sich Noparlik auch von der Unmenge an hochgefährlichen Streubomben, die jeweils mit einem hohen Verletzungsrisiko behaftet sind.

Insgesamt 14 Tote im Zuge der Beräumung

Zur dramatischen Bilanz zählen die zwölf in den Anfangsjahren durch eine Explosion ums Leben gekommenen Pflanzfrauen der Forst. Später gab es unabhängig voneinander zwei weitere Tote, die direkt mit der Munitions-Beräumung beschäftigt waren. Die Arbeiten im Schimmerwald waren während der letzten Jahrzehnte immer mal wieder unterbrochen worden, was ausschließlich mit dem dafür notwendigen Geld seitens des Bundes zu tun hatte.

Unterm Strich wurde 32 Jahre auf dem MUNA-Areal Munition geborgen und vor Ort gesprengt. Die mitgeteilten Zahlen sind aber dennoch als relativ anzusehen. Existieren doch aus den ersten Jahren der Beräumung nach dem Krieg keine oder nur sehr unvollständige Unterlagen.

Insofern sei gut möglich, dass die Hinterlassenschaften der Wehrmacht, die eigentlich für die Bestückung der Flieger auf dem Goslarer Flugplatz gedacht waren, noch weitaus größer waren. Dass man im Schimmerwald aber auch völlig luftwaffenuntypische Munition fand, könnte mit der Erklärung des Harzes zur "Festung" während der letzten Kriegsmonate zu tun haben, mutmaßen die Experten.