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Harz Ärger um Klimanotstand in Wernigerode

Der Wernigeröder Stadtrat hat im Juli den Klimanotstand ausgerufen. Doch getan hat sich nichts, weshalb die Stadtverwaltung Kritik erntet.

Von Katrin Schröder 19.11.2020, 00:01

Wernigerode l Ein fehlendes Kästchen in den Beschlussvorlagen des Wernigeröder Stadtrats sorgt derzeit für Aufregung. Es geht um den Klimaschutz: Mit der zusätzlichen Rubrik soll dokumentiert werden, ob die Beschlussvorschläge und ihre Umsetzung sich positiv, negativ oder gar nicht auf das Klima auswirken. Dass das Klima-Kästchen hinzugefügt wird, war Teil des Beschlusses, mit dem der Stadtrat im Juli den Klimanotstand erklärt hat. Wernigerode hat sich damit der Resolution der Stadt Konstanz angeschlossen und ist dem Vorbild zahlreicher weiterer deutscher Städte gefolgt.

Praktisch ist seitdem jedoch offenbar nicht viel passiert – was beim Blick in die Ratsunterlagen augenfällig wird. Die Prüfung der Klimarelevanz – in puncto Ausgaben ist unter dem Stichwort „Finanzielle Auswirkungen“ ähnliches bereits üblich – steht nach wie vor aus. Im Stadtrat sowie im Bau- und Umweltausschuss kritisierten dies Kommunalpolitiker quer durch die Fraktionen.

So mahnte Sabine Wetzel, Chefin der Fraktion Bündnis 90/Grüne, dass ein Stadtratsbeschluss „eine Weisung“ an das Rathaus sei, keine Kann-Bestimmung. „Die Verwaltung ist verpflichtet, den Beschluss umzusetzen.“ Uwe-Friedrich Albrecht (CDU) erinnerte daran, dass der Hauptausschuss für die Kästchen votiert habe.

Es habe seit Juli viele Gelegenheiten gegeben, den Beschluss anzuwenden, so Ilja Schicker (Bunte Liste). „Seitdem hatten wir schon ziemlich viele Stadtratsbeschlüse mit klimarelevanten Inhalten.“ Er will wissen: „Welche Verzögerungen haben dazu geführt, dass es keine Kästchen unter den Ratsbeschlüssen gibt?“ Eine schriftliche Antwort dazu, warum die Umsetzung so lange dauere, forderte auch Ruth Fiedler (Linke).

Versäumnisse räumte Sozialdezernent Rüdiger Dorff ein: „Wir haben uns des Themas noch nicht mit der Intensität angenommen, mit der wir das hätten tun sollen.“ Dies solle „spätestens im neuen Jahr“ nachgeholt werden. Daudezernent Burkhard Rudo versprach: „Wir werden jetzt beginnen, ein System von Kategorien aufzugreifen.“ Dabei wolle die Verwaltung auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Aspekte einfließen lassen. „Wir möchten das nicht auf den Klimaschutz beschränken“, so Rudo.

Man wolle das Stadtentwicklungskonzept nutzen, um sich über die Inhalte zu verständigen und darüber einen Dialog mit dem Stadtrat zu führen. Der nächste Schritt sei, dass Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos) im Hauptausschus informieren werde, wie es weitergehen solle.

Darüber zeigte sich Siegfried Siegel (SPD) „irritiert“, denn das sei nicht das richtige Forum. „Das ist eine Sache des Rates in summa. Das ist ein Querschnittsthema, das alle angeht und nicht nur den Elitekreis des Hauptausschusses.“ Er freue sich aber, dass die Angelegenheit jetzt Fahrt aufnehme. Das hätte längst geschehen müssen, kritisierte Sabine Wetzel. „Es wäre genug Zeit gewesen, diesen Prozess in die Hand zu nehmen.“ Es sei Sache der Verwaltung, dazu Vorarbeiten zu leisten. Darüber hinaus gebe bereits Kriterien etwa für klimaneutrale Bebauungspläne.

Die Klima-Kästchen sind nur der augenfälligste Teil des Stadtratsbeschlusses zum Klimanotstand vom Juli. Mit ihm hat sich die Stadt unter anderem verpflichtet, „ab sofort die Auswirkungen auf das Klima bei jeglichen Entscheidungen“ zu berücksichtigen und „Lösungen, die sich positiv auf Klima-, Umwelt- und Artenschutz auswirken“ zu bevorzugen. Zur Prüfung sollten eine Orientierungshilfe des Städtetages und das „Augsburger Modell“ dienen, ein Katalog der bayerischen Großstadt.