Bürgerunmut und ein Appell in Sachen medizinischer Versorgung Patientenansturm gefährdet letzte Praxis in Hasselfelde – zehn Ärzte wollen helfen
Der Einwohnerschaft in und um Hasselfelde droht eine Spaltung – in jene, die auf Dr. Hancu schwören und jene, die wegen Abweisung wütend werden. Die ärztliche Versorgung stößt an eine Grenze. Zehn Ärzte in der Umgebung wollen helfen, haben aber kaum Zuspruch. Ein zweiter Arzt für Hasselfelde ist nicht in Sicht.
Hasselfelde. Das freundliche "Guten Morgen!" der Schwestern gehört in der Praxis von Dr. medic Laura Oana Hancu im Hasselfelder Dienstleistungszentrum immer noch zum guten Ton. Doch es fällt in letzter Zeit knapper aus. Der Grund: die übergroße Patientenzahl. Da bleibt weniger Zeit für den einzelnen Patienten.
Um die 100 Frauen und Männer suchen derzeit pro Sprechtag Hilfe in der einzigen Arztpraxis von Hasselfelde. Dazu kommen etliche Hausbesuche. "Das ist Durchschnitt, manchmal sind es noch mehr", sagt Frau Hancu in ihrer freundlichen, eher zurückhaltenden Art. Sie ist zugleich tief beunruhigt: "Wenn so viele Patienten jeden Tag kommen, und es werden immer mehr", sagt sie, "gerät der gute Standard der medizinischen Versorgung hier in Hasselfelde in Gefahr, und das möchte ich nicht."
Häufiger müssen deshalb schon Patienten abgewiesen werden. Es gibt Beschwerden, Diskussionen, Unmut bei Bürgern. So hatte sich das die rumänische Ärztin nicht vorgestellt, als sie vor Monaten mit Ehemann Vasile in den Harz nach Hasselfelde zog, um eine Arztlücke zu schließen. "Die Zahl der Patientenkontakte eines niedergelassenen Arztes liegt in Sachsen-Anhalt normalerweise bei 3800 im Quartal, bei Frau Dr. Hancu sind es derzeit doppelt soviel", erläutert Martin Montowski.
"Derzeit doppelt soviel Patienten"
Montowski ist Geschäftsführer des Ärztehauses Oberharz, das für den Einsatz von Dr. Hancu in Hasselfelde sorgt. "Die Frau ist schlichtweg überlastet", schätzt er ein. Das sei nicht im Sinne der Ärztin und auch nicht der Patienten, für die immer weniger Zeit bleibe. Hasselfeldes Ortschef Heiko Kaschel sieht es ebenso: "Wenn das so weiter geht, leiden bald irgendwo alle, das geht nicht, da muss Frau Dr. Hancu auch geschützt werden."
Grund für das Problem ist ein akuter Arztmangel. Mit dem tragischen Tod von Dr. Reinhard Jansen aus Stiege letzten Mai fielen dessen Praxen in Stiege und Hasselfelde aus. Dabei hatte Jansen gerade erst mit geholfen, eine Lücke zu schließen. Lange Zeit hatte Hasselfelde/Stiege drei Ärzte - die Allgemeinmediziner Walz, Siede und Glaser. Derzeit gibt es nur eine Praxis, die von Dr. Hancu. Und wenn die durch Überlastung ausfiele, wird Hasselfelde arztfrei, so die schlimmste Art Prognose.
"Grundsätzlich muss Hasselfelde wieder einen zweiten Arzt bekommen", bekräftigt Montowski. Die Suche laufe auch längst mit großem Aufwand im Ärztehaus und bei der Kassenärztlichen Vereinigung. Bisher aber ohne ein Aussicht auf Erfolg, wie eingeräumt werden muss. Deshalb werde an alle Einwohner in Hasselfelde und Umgebung appelliert, so Kaschel und Montowski, das Angebot anderer Ärzte der Stadt Oberharz und ringsum zu nutzen, um eine Überlastung in Hasselfelde zu vermeiden.
"Die Stadt braucht einen zweiten Arzt"
Zehn Allgemeinmediziner hatten sich bereits im Mai bei Dr. Detlef Richter in Elbingerode zusammengefunden und bereit erklärt, arztlos gewordene Patienten aus Hasselfelde und Umgebung aufzunehmen. Diese Bereitschaft der zehn Mediziner (siehe Kasten) gelte nach wie vor, wie Martin Montowski betont. Werde sie nicht genutzt, drohe der Verlust des letzten Arztes in Hasselfelde, denn auch eine Ärztin habe Leistungsgrenzen.
"Wir können daher den zehn Medizinern für ihre Bereitschaft zur Aufnahme von Patienten aus dem Bereich nur danken", so Montowski und Kaschel. Sie hoffen, dass dieses Angebot nun genutzt wird.