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Schloss Wernigerode Vom Schloss über die Ilse zum Brocken

Rund 10.000 Objekte gehören zum Bestand des Schlosses Wernigerode - und die Sammlung wird stetig erweitert.

Von Katrin Schröder 26.03.2020, 14:04

Wernigerode l Der Himmel ist verhangen, der Blick schweift in die Ferne, in Richtung Harzberge: Der Blick vom Schloss Ilsenburg, den Johann Heinrich Bleuler der Ältere festgehalten hat, hat vom ästhetischen Standpunkt aus einiges zu bieten. Von der „tollen Stimmung“ des Bildes schwärmt Christian Juranek, Geschäftsführer der Schloss Wernigerode GmbH. In der aktuellen, aber derzeit wegen der Corona-Pandemie leider geschlossenen Ausstellung „Gartenträume“ am Agnesberg sind mehrere Perspektiven auf Schloss und Kloster in der Ilsestadt zu sehen.

Der Künstler habe ungefähr acht Blätter mit Harzansichten gestaltet, weiß Juranek. Bleulers Motive waren zum Beispiel Mägdesprung und das Selketal, Wernigerode und Goslar. Dabei war der gebürtige Schweizer künstlerisch vor allem seiner Heimat verbunden. „Er hat die schönsten Ansichten der Schweiz im 18. Jahrhundert gemalt“, so Juranek.

Zudem schuf er Ansichten vom Rhein von der Quelle bis zur Mündung. Seine Werkstatt hatte Bleuler am Rheinfall in Schaffhausen eingerichtet. „Er ist ganz bewusst dorthin gegangen, wo die Touristen waren“, berichtet der Kunsthistoriker – die Urlauber kauften seine Werke und sicherten den Lebensunterhalt.

Die Lithografie mit dem Blick vom Ilsenburger Schloss entstand um das Jahr 1810 und wurde von Hand nachträglich aquarelliert. „Das ist etwas Besonderes“, so Juranek über die Technik. Interessant ist das Motiv zudem aus historischer Sicht. „Es zeigt den Ursprungszustand, bevor Graf Botho begonnen hat, das Schloss umzubauen“, so Juranek.

1858 ging der Graf nach Ilsenburg. Von 1861 bis 1863 ließ er den Barockbau oberhalb der Ilse vom Herzoglichen Braunschweigischen Eisenbahnbaumeister Carl Ebeling im Stil der Neoromanik umbauen. Leitender Architekt war Carl Frühling, der vor dem großen Umbau des Wernigeröder Schlosses in Ilsenburg sein „Gesellenstück“ ablieferte, erklärt Christian Juranek.

Botho zu Stolberg-Wernigerode, Onkel von Graf Otto zu Stolberg-Wernigerode, fungierte für einige Jahre als Vormund des späteren Vizekanzlers und Schlossherren. Er gehörte zu den Hochkonservativen, die noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts monarchistische und ständische Prinzipien vertraten, wird in der „Gartenträume“-Ausstellung erläutert. Seinem Interesse für Geschichte ging Botho als Sammler und Forscher nach, zudem war er erster Vorsitzender des 1868 gegründeten Harz-Vereins für Geschichte und Altertumskunde.

Das historische Interesse Bothos spiegelte sich im Ilsenburger Schlosspark wider, den er ab 1860 anlegen ließ. In der romantischen Parkanlage, die fließend in den benachbarten Wald überging, wurden geschichtliche Sichtachsen erneut inszeniert, unter anderem zum Brocken und auf das ehemalige Klostergebäude. Interessant sei aber für die Gartengeschichte vor allem der Blick ins Grüne, erläutert Juranek. „Wir zeigen das Bild in der Ausstellung, weil die Blickbeziehung zwischen Tal und Schloss im Fokus steht.“ Mittendrin zeigt Bleuler die Ilse, die mit Wehren, Wassermühlen und Drahtzügen an den Ufern die zeitgenössische frühindustrielle Landschaft prägte.

Neben Bleuler haben auch Elise Crola und Alexander Duncker das Ilsenburger Schloss im Bild eingefangen. Die Bleistiftzeichnung von Crola aus dem Jahr 1860, ebenfalls aus dem Bestand der Schloß Wernigerode GmbH, zeigt Ilsenburgs Schloss und Park in künstlerischer Perfektion. „Das ist unglaublich qualitätvoll in seiner detaillierten Struktur und mit einem weichen Bleistiftstrich, der typisch ist für Elise Crola“, lobt der Schlosschef.

Die Farblithographie von Alexander Duncker entstand um das Jahr 1870. Der königliche Hofbuchhändler habe in den 1850er Jahren begonnen, sämtliche Schlösser und Rittergüter abzubilden, berichtet Juranek. Seine Darstellung von Schloss und Park in Ilsenburg gibt einen Eindruck davon, wie die Gartengestaltung gezielt eingesetzt wurde, um den Blick auf bestimmte Teile des Bothobaus, wie der umgebaute Schlossteil genannt wurde, zu lenken. „Das ist heute für die Bau- und Gartengeschichte eine der ganz wichtigen Quellen“, so Juranek.