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Hochwassergefahr Starke Zuflüsse in Harzer Talsperren

Regenfälle lassen die Pegel steigen, in Wernigerode gibt's erste Überschwemmungen, im Oberharz füllen sich Täler.

Von Burkhard Falkner 04.01.2018, 21:23

Wernigerode/Oberharz l „Seit einem halben Jahr halten die starken Zuflüsse in das Talsperrensystem an – so viel Wasser hatten wir seit dem Hochwasser 2009 nicht mehr“, informiert Joachim Schimrosczyk auf Volksstimme-Nachfrage.

Von einer dramatischen Situation will der Leiter für Betrieb und Überwachung im Talsperrenbetrieb Sachsen-Anhalt nicht oder noch nicht sprechen. „Kein Grund zur Panik, aber wir kontrollieren verstärkt und erhöhten den Ablauf in Wendefurth“, so Schimrosczyk. Sonst eher entspannt wegen der meist recht schnell vom Oberharz abfließenden Wassermassen, zeigt er sich wachsam gegenüber den wachsenden Wasserständen.

Seit Mitte Dezember bereits wird im Talsperrenbetrieb gegengesteuert. Und zwar derart, dass der Abfluss aus der Talsperre Wendefurth von normal 1,5 Kubikmeter je Sekunde auf 18 Kubikmeter Wasser je Sekunde erhöht wurde. Etwa 1,5 Millionen Kubikmeter rauschen so pro Tag aus dem Tosbecken der Anlage ins Tal Richtung Thale.

„Seit 14. Dezember flossen damit rund 32 Millionen Kubikmeter Wasser die Bode hinab, das ist schon eine Menge“, so Wasserexperte Schimrosczyk. Die Untere Bode steige dadurch an, bleibe aber noch im vorgegebenen Flussbett. In den einzelnen Oberharzer Talsperren werde durch diesen erhöhten Abfluss Freiraum geschaffen. Die Zuflüsse seien stark, aber nicht dramatisch.

Über die Warme Bode fließen derzeit in der Spitze um die 40 Kubikmeter Wasser je Sekunde ins Stausystem. Zum Vergleich: Beim Hochwasser 1994 waren es 120 Kubikmeter. Auch die Kalte Bode, die Rappbode und die Hassel seien angeschwollen. Beide Vorsperren an Hassel und Rappbode seien voll, wie es ihrer Aufgabe im System entspreche.

In der Rappbodetalsperre sind derzeit rund 94 Millionen Kubikmeter Wasser angestaut, Platz ist für weitere 15 Millionen Kubikmeter. Die Wendefurther Talsperre verfügt laut Schimrosczyk noch über 4,4 Millionen Kubikmeter Platz. An der Zillierbachtalsperre – für Wenigerode wichtig – ist die Lage laut Überwachungschef ruhig: „Wir geben aktuell 0,9 Kubikmeter Wasser je Sekunde ab, Zulauf ist Ablauf, wir halten den Wasserstand“, informierte Schimrosczyk am Donnerstagnachmittag. Der Freiraum in der Zillierbachtalsperre betrage derzeit 400 000 Kubikmeter.

Eine Entwarnung für die Situation in Wernigerode und Umgebung selbst ist das nicht. Die Holtemme führt reichlich Wasser, in Silstedt wächst die Sorge bei den Bürgern. Dort brach im Juli ein Deich, der nur notdürftig gesichert ist. Viel Wasser führen ebenso die zahlreichen Bachläufe, vor allem im Stadtteil Hasserode, wo die Feuerwehr am Mittwochabend zu einem Einsatz gerufen wurde.

Im sogenannten Triangel, dort, wo Sturzbach und Nesseltalbach zusammenfließen, kam es bereits zu Überschwemmungen. Die Kameraden reinigten Gullyeinläufe und befreiten ein Schmutzfanggitter von angeschwemmten Ästen und Laub.

Weiter oben, in der Trift, verhinderten die freiwilligen Gewässerwarte ein Überschwemmen. Sie befreiten das neue Schmutzfanggitter am Einlauf des Sturzbaches in den unterirdischen Kanal rechtzeitig von allem Unrat.

„Einmal mehr hat die Situation gezeigt, die Bachläufe in Oberhasserode samt der maroden Verrohrungen sind bei anhaltenden Regenfällen ein Schwachpunkt im Hochwasserschutz“, sagt Ulrich Eichler auf Volksstimme-Nachfrage. Der Umweltbeauftragte der Stadt, der gleichzeitig Mitglied des Vorstandes im Unterhaltungsverband Holtemme-Bode ist, versicherte, dass Verband wie Verwaltung an Verbesserungen arbeiten.

Beispielsweise sollen die Verrohrungen in der Frankenfeldstraße komplett erneuert werden. Um den von Berghängen rutschenden Unrat, der die Bachläufe immer wieder ausufern lässt, zu minimieren, sollen in den Wäldern sogenannte Aufschiebegitter aufgestellt werden. „Ein Rückhaltebecken wie oben an den Talsperren können wir ja schlecht bauen“, sagt Eichler. Er habe Verständnis, dass der Ruf aus der Bevölkerung nach mehr Hochwasserschutz lauter geworden ist. „Die Winter bei uns im Harz sind milder und feuchter geworden.“

Geschaut wird auf die nächsten Tage. Sollte es weiter regnen, kündigte Joachim Schimrosczyk für den Talsperrenbetrieb an, dass die Abflussmenge in Wendefurth noch einmal erhöht wird. Inzwischen sind für das Wochenende kühlere Temperaturen in Aussicht, das würde Entlastung bringen. Schimrosczyk: „Wir beobachten das.“