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Straßenverkehr Viele Gurtmuffel unter Lkw-Fahrern

Viele Autofahrer sind vernünftig, Berufskraftfahrer hingegen oft nicht: Nach einer Gurtaktion in Wernigerode ist die Bilanz gemischt.

Von Julia Bruns 14.07.2016, 01:01

Wernigerode l Gerhard Schochardt kann nur mit dem Kopf schütteln. „Mehr als die Hälfte der Berufskraftfahrer ist nicht angeschnallt“, stellt er schon nach einer halben Stunde Verkehrsbeobachtung in Wernigerode erstaunt fest. Selbst in einem Rettungswagen seien beide Insassen ohne Gurt unterwegs gewesen. „Dabei sollten es doch gerade diese Kollegen am besten wissen“, sagt Schochardt. Der ehemalige Polizist hat am Mittwochmorgen eine Stunde lang an der Westerntorkreuzung in der Friedrichstraße gestanden und registriert, in wie vielen Fahrzeugen die Insassen nicht angeschnallt waren.

Um 11 Uhr legt er Block und Stift beiseite und zieht Bilanz. „319 Autos habe ich verzeichnet. Zwölf Autofahrer hatten keinen Gurt um“, so Schochardt. Dies sei kein alarmierendes Ergebnis. Von 129 Beifahrern waren nur sieben nicht angeschnallt. „Allerdings waren darunter zwei Kinder. Und das finde ich persönlich erschreckend“, sagt der einstige Dienststellenleiter des Blankenburger Reviers. Ein etwa dreijähriger Junge sei vorne neben seinem Vater auf dem Sitz herumgeturnt. „Ein weiteres Kind saß zwischen seinen Eltern vorne“, so Schochardt. „Es ist ein Horrorszenario, wenn man sich überlegt, was im Falle eines Unfalls passieren kann.“

Bei den Lkw-Fahrern zeichnet sich derweil ein düsteres Bild ab: Von 21 Männern waren zwölf nicht angegurtet. „Oft ist es Bequemlichkeit“, sagt er. „Dabei ist mittlerweile statistisch erwiesen, dass die meisten Todesfälle bei Lkw-Unfällen auf nichtangeschnallte Fahrer zurückzuführen sind.“

Gerhard Schochardt ist seit seinem Ruhestand ehrenamtlich für den Auto Club Europa (ACE) unterwegs. Der ACE bietet Verkehrssicherheitstraining für alle Altersgruppen an, auch gesondert für Senioren. Der Verein will auch aufklären, wie wichtig es ist, sich anzuschnallen.

Einige Meter weiter, in der Ilsenburger Straße, führt Hans-Ulrich Franke Protokoll. „Nichts schützt im Auto effektiver als der Gurt – doch gerade auf dem Weg zur Kindertagesstätte oder zur Schule sind Kinder oft falsch oder gar nicht gesichert, denn viele Eltern gehen davon aus, dass bei niedrigen Geschwindigkeiten nichts passieren kann“, sagt er. Dies sei eine fatale Fehleinschätzung: Ungesicherte Kinder haben ein siebenfach höheres Risiko, bei Unfällen schwere oder gar tödliche Verletzungen zu erleiden. Der frühere Hochschullehrer engagiert sich schon seit DDR-Zeiten für Verkehrssicherheit und ist der Vorsitzende des ACE in Sachsen-Anhalt West, zu dem Wernigerode, Halberstadt und Blankenburg gehören. Seine Bilanz fällt gemischt aus. In den Pkw hätten sich die meisten angegurtet, etwa zwölf Prozent (24 Frauen und Männer) verzichteten auf den Schutz. Von 44 Lkw-Fahrern waren 27 nicht angeschnallt. „Einer hatte noch dazu ein Handy am Ohr“, sagt er.

Manche Fahrer würden sich Tricks einfallen lassen, um nicht durch das in modernen Autos integrierte Piepen an den Gurt erinnert zu werden. „Da werden die Gurte hinter dem Rücken entlanggeführt oder extra Schnallen gekauft“, sagt Gerhard Schochardt.

Wer die Anschnallpflicht als Erwachsener bei sich selbst missachtet, muss mit einem Bußgeld in Höhe von 30 Euro rechnen. Ist ein Kind gar nicht gesichert, verdoppelt sich das Bußgeld auf 60 Euro. Hinzu kommt ein Punkt in Flensburg. Sind Kinder nicht richtig gesichert, beispielsweise ein zehnjähriges Mädchen ohne Kindersitz nur mit dem Sicherheitsgurt, drohen 30 Euro Bußgeld.